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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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der freien Stadt Bremen einen Vernichtungskrieg, auch der EhrN',"
Pforten erbarmte sie sich. Früh Morgens am Pfingstsonntag hatten
geachtete Bürger mit ihren Frauen vor Rösing's Hausthüre, auf der
Haustreppe, also auf des Hauses Territorio, einen großen
mit Blumenguirlanden und Eichenlaub gezierten, oben eine Bürger¬
krone tragenden Ehrenbogen errichtet. Ussing läßt den Ehrenbogen
abnehmen und in'S Haus setzen. Die Polizei holt die Ehrenpforte
mit Gewalt aus dem Hause weg, arretirt sie und schleppt sie auf's
Rathhaus. Die Erbauerwerden vorgefordert, aber nicht bestraft, da
es in Bremen nicht verboten, Jemandem durch einen Ehrenbogen an
seinem Hause Achtung zu bezeugen. Es ist schon auffallend, daß die
Polizei des Ehrenbogens wegen in ein Haus dringt, ihn aus dem
Innern des Hauses wegnimmt, aufs Stadthaus bringt; noch
mehr muß es befremden, daß man die ganze Ehrenpforte zurückbe¬
hält, als "zu den Akten gehörig." In der freien Stadt Bremen kann
der Bürger also nicht wie in Hamburg sagen: mein Haus ist
meine Burg.

Die Theilnahme der Bewohner Bremens an Rösing's Geschick
sprach sich auf mannichfaltige Weise aus. Als ein vom Ererciren
zurückkehrendes Bataillon der Bürgerwehr vor Rösing's Hause vor-
beimarschirt, wird ihm ein lautes Hoch gebracht. Der Ruf war
durch's ganze Bataillon so allgemein, daß Niemand zur Verantwor¬
tung gezogen werden konnte.

Dagegen wußte die Rathsvetterschaft Rösing's Suspension aus
dem hanseatischen Verein der Freiwilligen von 1813 durchzusetzen.
Von neunzig Mitgliedern wurde dieser Akt der Willkür, der einen
Angeklagten aus eigene Faust, vor gerichtlicher Entscheidung,
verurtheilt, mit 37 gegen 23 Stimmen beschlossen. Ein ganz statu¬
tenwidriger Beschluß, da nach den Gesetzen des Vereins zwei Drit¬
theile gegen Rösing hätten stimmen müssen. Aber man schämte sich
keiner Ungesetzlichkeit. Doch hatten die Antragsteller nicht den Muth,
sich frei und offen zu der Anklage zu bekennen. Vergebens forderten
die gegen den Ausschluß Protestirenden in der berufenen General¬
versammlung die Ankläger auf, sich zu nennen; vergebens forderten
sie den Vorstand auf, diejenigen zu nennen, die den Antrag gestellt;
vergebens forderten sie Beweise gegen Ussing. Man blieb stumm.
Die Mitglieder des Senats mit ihrer Verwandtschaft, die Mitglieder


der freien Stadt Bremen einen Vernichtungskrieg, auch der EhrN',«
Pforten erbarmte sie sich. Früh Morgens am Pfingstsonntag hatten
geachtete Bürger mit ihren Frauen vor Rösing's Hausthüre, auf der
Haustreppe, also auf des Hauses Territorio, einen großen
mit Blumenguirlanden und Eichenlaub gezierten, oben eine Bürger¬
krone tragenden Ehrenbogen errichtet. Ussing läßt den Ehrenbogen
abnehmen und in'S Haus setzen. Die Polizei holt die Ehrenpforte
mit Gewalt aus dem Hause weg, arretirt sie und schleppt sie auf's
Rathhaus. Die Erbauerwerden vorgefordert, aber nicht bestraft, da
es in Bremen nicht verboten, Jemandem durch einen Ehrenbogen an
seinem Hause Achtung zu bezeugen. Es ist schon auffallend, daß die
Polizei des Ehrenbogens wegen in ein Haus dringt, ihn aus dem
Innern des Hauses wegnimmt, aufs Stadthaus bringt; noch
mehr muß es befremden, daß man die ganze Ehrenpforte zurückbe¬
hält, als „zu den Akten gehörig." In der freien Stadt Bremen kann
der Bürger also nicht wie in Hamburg sagen: mein Haus ist
meine Burg.

Die Theilnahme der Bewohner Bremens an Rösing's Geschick
sprach sich auf mannichfaltige Weise aus. Als ein vom Ererciren
zurückkehrendes Bataillon der Bürgerwehr vor Rösing's Hause vor-
beimarschirt, wird ihm ein lautes Hoch gebracht. Der Ruf war
durch's ganze Bataillon so allgemein, daß Niemand zur Verantwor¬
tung gezogen werden konnte.

Dagegen wußte die Rathsvetterschaft Rösing's Suspension aus
dem hanseatischen Verein der Freiwilligen von 1813 durchzusetzen.
Von neunzig Mitgliedern wurde dieser Akt der Willkür, der einen
Angeklagten aus eigene Faust, vor gerichtlicher Entscheidung,
verurtheilt, mit 37 gegen 23 Stimmen beschlossen. Ein ganz statu¬
tenwidriger Beschluß, da nach den Gesetzen des Vereins zwei Drit¬
theile gegen Rösing hätten stimmen müssen. Aber man schämte sich
keiner Ungesetzlichkeit. Doch hatten die Antragsteller nicht den Muth,
sich frei und offen zu der Anklage zu bekennen. Vergebens forderten
die gegen den Ausschluß Protestirenden in der berufenen General¬
versammlung die Ankläger auf, sich zu nennen; vergebens forderten
sie den Vorstand auf, diejenigen zu nennen, die den Antrag gestellt;
vergebens forderten sie Beweise gegen Ussing. Man blieb stumm.
Die Mitglieder des Senats mit ihrer Verwandtschaft, die Mitglieder


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[0503] der freien Stadt Bremen einen Vernichtungskrieg, auch der EhrN',« Pforten erbarmte sie sich. Früh Morgens am Pfingstsonntag hatten geachtete Bürger mit ihren Frauen vor Rösing's Hausthüre, auf der Haustreppe, also auf des Hauses Territorio, einen großen mit Blumenguirlanden und Eichenlaub gezierten, oben eine Bürger¬ krone tragenden Ehrenbogen errichtet. Ussing läßt den Ehrenbogen abnehmen und in'S Haus setzen. Die Polizei holt die Ehrenpforte mit Gewalt aus dem Hause weg, arretirt sie und schleppt sie auf's Rathhaus. Die Erbauerwerden vorgefordert, aber nicht bestraft, da es in Bremen nicht verboten, Jemandem durch einen Ehrenbogen an seinem Hause Achtung zu bezeugen. Es ist schon auffallend, daß die Polizei des Ehrenbogens wegen in ein Haus dringt, ihn aus dem Innern des Hauses wegnimmt, aufs Stadthaus bringt; noch mehr muß es befremden, daß man die ganze Ehrenpforte zurückbe¬ hält, als „zu den Akten gehörig." In der freien Stadt Bremen kann der Bürger also nicht wie in Hamburg sagen: mein Haus ist meine Burg. Die Theilnahme der Bewohner Bremens an Rösing's Geschick sprach sich auf mannichfaltige Weise aus. Als ein vom Ererciren zurückkehrendes Bataillon der Bürgerwehr vor Rösing's Hause vor- beimarschirt, wird ihm ein lautes Hoch gebracht. Der Ruf war durch's ganze Bataillon so allgemein, daß Niemand zur Verantwor¬ tung gezogen werden konnte. Dagegen wußte die Rathsvetterschaft Rösing's Suspension aus dem hanseatischen Verein der Freiwilligen von 1813 durchzusetzen. Von neunzig Mitgliedern wurde dieser Akt der Willkür, der einen Angeklagten aus eigene Faust, vor gerichtlicher Entscheidung, verurtheilt, mit 37 gegen 23 Stimmen beschlossen. Ein ganz statu¬ tenwidriger Beschluß, da nach den Gesetzen des Vereins zwei Drit¬ theile gegen Rösing hätten stimmen müssen. Aber man schämte sich keiner Ungesetzlichkeit. Doch hatten die Antragsteller nicht den Muth, sich frei und offen zu der Anklage zu bekennen. Vergebens forderten die gegen den Ausschluß Protestirenden in der berufenen General¬ versammlung die Ankläger auf, sich zu nennen; vergebens forderten sie den Vorstand auf, diejenigen zu nennen, die den Antrag gestellt; vergebens forderten sie Beweise gegen Ussing. Man blieb stumm. Die Mitglieder des Senats mit ihrer Verwandtschaft, die Mitglieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/503>, abgerufen am 23.07.2024.