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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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noch wenig gewöhnten Publicum noch ein fruchtbarer Boden für po¬
litische Deklamationen, die für uns eben nur den Reiz der Neuheit
haben. Die "letzte weiße Rose" und der "deutsche Krieger" werden
noch jede Woche mindestens einmal gegeben. Häufigere Reprisen ge¬
stattet die Rücksicht auf das Logenpublicum und die Abonnenten nicht.
Der Ertrag der Tantieme bei diesen zwei Stücken dürfte sicher befrie¬
digende Resultate ausweisen. Der deutsche Krieger gab dem Dichter
nach neun Vorstellungen bereits die reine Einnahme von siebenhundert
zweiunddreißig Gulden C. M., und wir können es nur loben, wenn
Bauernfeld dem für die Versendung gedruckten Manuscript seines
Dramas den Vorbehalt beigefügt hat, daß nur jene Theater zur An¬
nahme desselben befugt sein sollen, welche sich verpflichten, diesem Stücke
allen jene Tantiemen zufließen zu lassen, welche der Lauf der Zeit einst
bei ihnen in's Leben rufen dürfte. -- An Jerrmann, der aus Peters¬
burg kommend, hier einen Cyklus von Gastrollen gespielt und vielsei¬
tigen Beifall erhalten hatte, hat das Hofburgtheater eine gute Acqui-
sition gemacht. Er besitzt einen scharfen Blick für das Psychologische
seiner Rollen und einen tüchtigen Verstand, der sich die Effekte wie
ein kluger Haushalter zurecht zu legen weiß. Ich sah ihn als Nathan,
Lear, Wurm und Cantal und muß gestehen, daß er allen diesen Par¬
tien eine dankbare Seite abzugewinnen wußte und sein sammelndes
Studium ließ den Mangel origineller Auffassung in den Hintergrund
treten. -- Auch das Beckmann'sche Paar hat, von Berlin verscheucht,
hier am Josephstädter Volkstheater ein Asyl gefunden, das leider nicht
in der Lage ist, ihm ein reiches Repertoir anbieten zu können. So
sehr nun auch Beckmann gefällt, so wenig ist dies bei seiner Frau
der Fall, die als Sängerin und Schauspielerin unbefriedigt läßt. Die
beiden Gatten beziehen eine Gage von dreitausend Gulden jährlich. ---
In der musikalischen Welt erregt ein dänischer Pianist, Herr Willmers
aus Kopenhagen, ungewöhnliche Sensation. Willmers borgt seinen
Ton nicht vom Clavier, er verleiht ihn dem Instrumente und die
Schönheit des Anschlags, das ein großes Capital ist für den Künstler,
ist nun vollends das Eigenthum dieses jugendlichen Pianospiclers, der
bereits drei Concerte mit steigendem Beifall gegeben hat.

So eben erfahren wir, daß aus dem Kabinet des Kaisers eine
Resolution in Betreff des Schutzvereins und des gesammten modernen
Vereinswesens in Ungarn hervorgegangen sei, über deren Inhalt und
Wirkung im Nächsten die Rede sein soll.


3.

Wiener Urtheile über die preußische Constitution. -- Die Oberpostamtszeituna
und der Ewige Jude; die preußische Staatszeitung. -- Ottilie von Göthe und
Alma. -- Fürst Costriota Skandcrbcg und Fürst Pückler Muskau. --
Russische Musitzustände. --

Ein wunderbares Gerücht beschäftigt hier die gebildeten Kreise,


noch wenig gewöhnten Publicum noch ein fruchtbarer Boden für po¬
litische Deklamationen, die für uns eben nur den Reiz der Neuheit
haben. Die „letzte weiße Rose" und der „deutsche Krieger" werden
noch jede Woche mindestens einmal gegeben. Häufigere Reprisen ge¬
stattet die Rücksicht auf das Logenpublicum und die Abonnenten nicht.
Der Ertrag der Tantieme bei diesen zwei Stücken dürfte sicher befrie¬
digende Resultate ausweisen. Der deutsche Krieger gab dem Dichter
nach neun Vorstellungen bereits die reine Einnahme von siebenhundert
zweiunddreißig Gulden C. M., und wir können es nur loben, wenn
Bauernfeld dem für die Versendung gedruckten Manuscript seines
Dramas den Vorbehalt beigefügt hat, daß nur jene Theater zur An¬
nahme desselben befugt sein sollen, welche sich verpflichten, diesem Stücke
allen jene Tantiemen zufließen zu lassen, welche der Lauf der Zeit einst
bei ihnen in's Leben rufen dürfte. — An Jerrmann, der aus Peters¬
burg kommend, hier einen Cyklus von Gastrollen gespielt und vielsei¬
tigen Beifall erhalten hatte, hat das Hofburgtheater eine gute Acqui-
sition gemacht. Er besitzt einen scharfen Blick für das Psychologische
seiner Rollen und einen tüchtigen Verstand, der sich die Effekte wie
ein kluger Haushalter zurecht zu legen weiß. Ich sah ihn als Nathan,
Lear, Wurm und Cantal und muß gestehen, daß er allen diesen Par¬
tien eine dankbare Seite abzugewinnen wußte und sein sammelndes
Studium ließ den Mangel origineller Auffassung in den Hintergrund
treten. — Auch das Beckmann'sche Paar hat, von Berlin verscheucht,
hier am Josephstädter Volkstheater ein Asyl gefunden, das leider nicht
in der Lage ist, ihm ein reiches Repertoir anbieten zu können. So
sehr nun auch Beckmann gefällt, so wenig ist dies bei seiner Frau
der Fall, die als Sängerin und Schauspielerin unbefriedigt läßt. Die
beiden Gatten beziehen eine Gage von dreitausend Gulden jährlich. -—
In der musikalischen Welt erregt ein dänischer Pianist, Herr Willmers
aus Kopenhagen, ungewöhnliche Sensation. Willmers borgt seinen
Ton nicht vom Clavier, er verleiht ihn dem Instrumente und die
Schönheit des Anschlags, das ein großes Capital ist für den Künstler,
ist nun vollends das Eigenthum dieses jugendlichen Pianospiclers, der
bereits drei Concerte mit steigendem Beifall gegeben hat.

So eben erfahren wir, daß aus dem Kabinet des Kaisers eine
Resolution in Betreff des Schutzvereins und des gesammten modernen
Vereinswesens in Ungarn hervorgegangen sei, über deren Inhalt und
Wirkung im Nächsten die Rede sein soll.


3.

Wiener Urtheile über die preußische Constitution. — Die Oberpostamtszeituna
und der Ewige Jude; die preußische Staatszeitung. — Ottilie von Göthe und
Alma. — Fürst Costriota Skandcrbcg und Fürst Pückler Muskau. —
Russische Musitzustände. —

Ein wunderbares Gerücht beschäftigt hier die gebildeten Kreise,


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[0490] noch wenig gewöhnten Publicum noch ein fruchtbarer Boden für po¬ litische Deklamationen, die für uns eben nur den Reiz der Neuheit haben. Die „letzte weiße Rose" und der „deutsche Krieger" werden noch jede Woche mindestens einmal gegeben. Häufigere Reprisen ge¬ stattet die Rücksicht auf das Logenpublicum und die Abonnenten nicht. Der Ertrag der Tantieme bei diesen zwei Stücken dürfte sicher befrie¬ digende Resultate ausweisen. Der deutsche Krieger gab dem Dichter nach neun Vorstellungen bereits die reine Einnahme von siebenhundert zweiunddreißig Gulden C. M., und wir können es nur loben, wenn Bauernfeld dem für die Versendung gedruckten Manuscript seines Dramas den Vorbehalt beigefügt hat, daß nur jene Theater zur An¬ nahme desselben befugt sein sollen, welche sich verpflichten, diesem Stücke allen jene Tantiemen zufließen zu lassen, welche der Lauf der Zeit einst bei ihnen in's Leben rufen dürfte. — An Jerrmann, der aus Peters¬ burg kommend, hier einen Cyklus von Gastrollen gespielt und vielsei¬ tigen Beifall erhalten hatte, hat das Hofburgtheater eine gute Acqui- sition gemacht. Er besitzt einen scharfen Blick für das Psychologische seiner Rollen und einen tüchtigen Verstand, der sich die Effekte wie ein kluger Haushalter zurecht zu legen weiß. Ich sah ihn als Nathan, Lear, Wurm und Cantal und muß gestehen, daß er allen diesen Par¬ tien eine dankbare Seite abzugewinnen wußte und sein sammelndes Studium ließ den Mangel origineller Auffassung in den Hintergrund treten. — Auch das Beckmann'sche Paar hat, von Berlin verscheucht, hier am Josephstädter Volkstheater ein Asyl gefunden, das leider nicht in der Lage ist, ihm ein reiches Repertoir anbieten zu können. So sehr nun auch Beckmann gefällt, so wenig ist dies bei seiner Frau der Fall, die als Sängerin und Schauspielerin unbefriedigt läßt. Die beiden Gatten beziehen eine Gage von dreitausend Gulden jährlich. -— In der musikalischen Welt erregt ein dänischer Pianist, Herr Willmers aus Kopenhagen, ungewöhnliche Sensation. Willmers borgt seinen Ton nicht vom Clavier, er verleiht ihn dem Instrumente und die Schönheit des Anschlags, das ein großes Capital ist für den Künstler, ist nun vollends das Eigenthum dieses jugendlichen Pianospiclers, der bereits drei Concerte mit steigendem Beifall gegeben hat. So eben erfahren wir, daß aus dem Kabinet des Kaisers eine Resolution in Betreff des Schutzvereins und des gesammten modernen Vereinswesens in Ungarn hervorgegangen sei, über deren Inhalt und Wirkung im Nächsten die Rede sein soll. 3. Wiener Urtheile über die preußische Constitution. — Die Oberpostamtszeituna und der Ewige Jude; die preußische Staatszeitung. — Ottilie von Göthe und Alma. — Fürst Costriota Skandcrbcg und Fürst Pückler Muskau. — Russische Musitzustände. — Ein wunderbares Gerücht beschäftigt hier die gebildeten Kreise,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/490>, abgerufen am 22.07.2024.