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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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kluger Demuth lauert, sind sie wohl unter Hunderten herauszufinden.
Und wenn sich das Alles verläugnen oder durch die Formen allge¬
meiner Weltbildung mildern läßt, so bleibt noch immer eine gewisse
süßliche Zudringlichkeit,' die den echten Schüler Loyola'S bezeichnet.
Doch kenn' ich nun freilich auch schon evangelische Männer Gottes,
die durch eine gewisse wehmüthig salbungsvolle Grandezza unüber¬
windlich sind.

Als Monsieur Latour konnt' ich mit Allen verkehren, ohne vor¬
zugsweise ein Gegenstand der Beachtung zu sein. Das Gespräch
blieb eine Zeitlang zerstreut, es bildeten sich hie und da Gruppen,
aber es fehlte so geistig wie auch äußerlich ein Mittelpunkt. Es be¬
gann, so was man hier zu Lande ein gemüthliches "Kannegießern"
nennt. Das eigentliche Thema, das die Herrn zusammengeführt,
blieb bei Seite und ich war ungewiß, ob hier blos Mitglieder zur
Verbreitung der reinen Lehre oder auch Maurer und Rosenkreuzer
versammelt seien. Ich bin überzeugt, daß von der Gesellschaft der
reinen Lehre nur wenige Mitglieder eigentliche Rosenkreuzer sind, so
wie es unter den zahlreichen Maurern vielleicht nur Wenige gibt,
welche den Kern der Freimaurerei kennen. -- Endlich fuhren mehrere
Karossen vor und es erhob sich ein reges Leben in der Gesellschaft.
Eine Deputation in weiten Talaren eilte die Treppe hinunter, um
die neuen Gäste .zu empfangen. Die Flügelthüren sprangen auf, die
vornehmsten Herrn machten Spalier und die Durchlaucht von H.
erschien mit glänzendem Gefolge. Der Prinz ist von mäßiger
Gestalt, blond, blaß, beinahe fahl und in seinem ganzen durchaus
bürgerlichen Wesen unscheinbar, wenn man nicht in den zerstreut um¬
herflatternden Blicken seines schönen weichen Auges den Tiefsinn der
träumerischen deutschen Natur merkwürdig findet. In seinem schlich¬
ten Gewände verrieth der junge Fürst, der einige Zwanzig zählen
mag, beinah Nichts, was seine Stellung in der Welt bezeichnet. Er
erschien unter seiner mit Ordensbändern und Sternen reich decorirten
Umgebung wie eine strahlenlose, feuchte Wintersonne.

Ich stand nahe genug, um die Unterredung des Fürsten mit
unserm Wirthe zu vernehmen, der in der allerhöchsten Gala seiner
Amtstracht und mit majestätischer Quarrcherücke in immerwährender
Schwebe vor ihm auf- und niederwogte.--Der Markgraf von Bav-
reuth kommt nicht! flüsterte ter Prinz ihm zu. Es ist vielleicht das


kluger Demuth lauert, sind sie wohl unter Hunderten herauszufinden.
Und wenn sich das Alles verläugnen oder durch die Formen allge¬
meiner Weltbildung mildern läßt, so bleibt noch immer eine gewisse
süßliche Zudringlichkeit,' die den echten Schüler Loyola'S bezeichnet.
Doch kenn' ich nun freilich auch schon evangelische Männer Gottes,
die durch eine gewisse wehmüthig salbungsvolle Grandezza unüber¬
windlich sind.

Als Monsieur Latour konnt' ich mit Allen verkehren, ohne vor¬
zugsweise ein Gegenstand der Beachtung zu sein. Das Gespräch
blieb eine Zeitlang zerstreut, es bildeten sich hie und da Gruppen,
aber es fehlte so geistig wie auch äußerlich ein Mittelpunkt. Es be¬
gann, so was man hier zu Lande ein gemüthliches „Kannegießern"
nennt. Das eigentliche Thema, das die Herrn zusammengeführt,
blieb bei Seite und ich war ungewiß, ob hier blos Mitglieder zur
Verbreitung der reinen Lehre oder auch Maurer und Rosenkreuzer
versammelt seien. Ich bin überzeugt, daß von der Gesellschaft der
reinen Lehre nur wenige Mitglieder eigentliche Rosenkreuzer sind, so
wie es unter den zahlreichen Maurern vielleicht nur Wenige gibt,
welche den Kern der Freimaurerei kennen. — Endlich fuhren mehrere
Karossen vor und es erhob sich ein reges Leben in der Gesellschaft.
Eine Deputation in weiten Talaren eilte die Treppe hinunter, um
die neuen Gäste .zu empfangen. Die Flügelthüren sprangen auf, die
vornehmsten Herrn machten Spalier und die Durchlaucht von H.
erschien mit glänzendem Gefolge. Der Prinz ist von mäßiger
Gestalt, blond, blaß, beinahe fahl und in seinem ganzen durchaus
bürgerlichen Wesen unscheinbar, wenn man nicht in den zerstreut um¬
herflatternden Blicken seines schönen weichen Auges den Tiefsinn der
träumerischen deutschen Natur merkwürdig findet. In seinem schlich¬
ten Gewände verrieth der junge Fürst, der einige Zwanzig zählen
mag, beinah Nichts, was seine Stellung in der Welt bezeichnet. Er
erschien unter seiner mit Ordensbändern und Sternen reich decorirten
Umgebung wie eine strahlenlose, feuchte Wintersonne.

Ich stand nahe genug, um die Unterredung des Fürsten mit
unserm Wirthe zu vernehmen, der in der allerhöchsten Gala seiner
Amtstracht und mit majestätischer Quarrcherücke in immerwährender
Schwebe vor ihm auf- und niederwogte.—Der Markgraf von Bav-
reuth kommt nicht! flüsterte ter Prinz ihm zu. Es ist vielleicht das


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[0361] kluger Demuth lauert, sind sie wohl unter Hunderten herauszufinden. Und wenn sich das Alles verläugnen oder durch die Formen allge¬ meiner Weltbildung mildern läßt, so bleibt noch immer eine gewisse süßliche Zudringlichkeit,' die den echten Schüler Loyola'S bezeichnet. Doch kenn' ich nun freilich auch schon evangelische Männer Gottes, die durch eine gewisse wehmüthig salbungsvolle Grandezza unüber¬ windlich sind. Als Monsieur Latour konnt' ich mit Allen verkehren, ohne vor¬ zugsweise ein Gegenstand der Beachtung zu sein. Das Gespräch blieb eine Zeitlang zerstreut, es bildeten sich hie und da Gruppen, aber es fehlte so geistig wie auch äußerlich ein Mittelpunkt. Es be¬ gann, so was man hier zu Lande ein gemüthliches „Kannegießern" nennt. Das eigentliche Thema, das die Herrn zusammengeführt, blieb bei Seite und ich war ungewiß, ob hier blos Mitglieder zur Verbreitung der reinen Lehre oder auch Maurer und Rosenkreuzer versammelt seien. Ich bin überzeugt, daß von der Gesellschaft der reinen Lehre nur wenige Mitglieder eigentliche Rosenkreuzer sind, so wie es unter den zahlreichen Maurern vielleicht nur Wenige gibt, welche den Kern der Freimaurerei kennen. — Endlich fuhren mehrere Karossen vor und es erhob sich ein reges Leben in der Gesellschaft. Eine Deputation in weiten Talaren eilte die Treppe hinunter, um die neuen Gäste .zu empfangen. Die Flügelthüren sprangen auf, die vornehmsten Herrn machten Spalier und die Durchlaucht von H. erschien mit glänzendem Gefolge. Der Prinz ist von mäßiger Gestalt, blond, blaß, beinahe fahl und in seinem ganzen durchaus bürgerlichen Wesen unscheinbar, wenn man nicht in den zerstreut um¬ herflatternden Blicken seines schönen weichen Auges den Tiefsinn der träumerischen deutschen Natur merkwürdig findet. In seinem schlich¬ ten Gewände verrieth der junge Fürst, der einige Zwanzig zählen mag, beinah Nichts, was seine Stellung in der Welt bezeichnet. Er erschien unter seiner mit Ordensbändern und Sternen reich decorirten Umgebung wie eine strahlenlose, feuchte Wintersonne. Ich stand nahe genug, um die Unterredung des Fürsten mit unserm Wirthe zu vernehmen, der in der allerhöchsten Gala seiner Amtstracht und mit majestätischer Quarrcherücke in immerwährender Schwebe vor ihm auf- und niederwogte.—Der Markgraf von Bav- reuth kommt nicht! flüsterte ter Prinz ihm zu. Es ist vielleicht das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/361>, abgerufen am 22.07.2024.