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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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nawoda, welche von dem Baron von Vinke, einem preußischen Offizier
bestritten wird. Man hat schon die Baufumme genannt, welche zu
der Realisirung des Projectcs erforderlich wäre, und von der Bereit¬
willigkeit, womit man von Seite der österreichischen Regierung in die¬
ses Vorhaben einzugehen geneigt sei, Aus guter Quelle kann ich
Ihnen indeß die Versicherung ertheilen, daß dieses Kcmalproject keines¬
wegs zu Stande kommen wird, und die Sache lediglich als eine
diplomatische Demonstration betrieben wurde, um Rußland zu nöthi¬
gen, die seit Jahren gegen alle Vertragspflicht versandeten Sulina-
mündungen zu reinigen, Es waltet hier dasselbe Verhältniß wie in
Betreff des Sundzolles in Preußen, und so wie man dort nicht daran
denkt, kostspielige Kanalbauten zu unternehmen, sobald man die dä¬
nische Regierung dahin bewegen kann, ihrem historischen Rechte auf
die Börse anderer Seefahrer in gütlicher Weise zu entsagen, eben so
wenig denkt man hier daran Landdurchstiche zu bewerkstelligen, so lange
man hoffen darf, mit der bloßen Miene des Wollens denselben Zweck
zu erreichen. Es ist wahr, Oberst Birago hat die Donau mehr im
Auftrage des Hofkriegsrathes und zu militärischen Zwecken bereist,
allein eine merkantil-politische Mission lag darum nicht weniger im
Sinn seiner Fahrt. Die Donau dürfte bei der Lösung der orienta¬
lischen Frage bald eine sehr wichtige militärische Rolle spielen, denn
sie bildet die Grenze des russischen Reiches gegen die morsche Macht
der Osmanen, und bei einen" Angriff der Russen liegt viel daran,
diesen großen Strom als Operationsbasis zu gewinnen. Dazu aber
ist es nöthig sein Bett zu kennen, sein Hochwasser zu studicen und
genaue Karten und Messungen von den Ufern zu besitzen. Das
Portefeuille des Obersten Birago und der ihn begleitenden Offiziere
ist sicher nicht leer geblieben; auch das zu Titul an der Donau am
Einfluß der Theiß garnisonirende Tschaikistenbataillon mit seiner Fluß-
flotille soll vermehrte Berücksichtigung finden und eine neue Organi¬
sation erhalten. Es wäre überhaupt der Mühe werth, der deutschen
Lesewelt die im Süden Ungarns angehäuften Streitmittel zu schildern,
damit sich diese selbst eine Meinung bilden könne über den Ausgang
des unvermeidlichen Zusammenstoßes Oesterreichs und Rußlands auf
dem türkischen Wahlplatze; nur wenige wissen etwas von der Donau¬
flotte und von den kriegerischen Colonisten an der türkischen Grenze,
welche jetzt aufgehört haben die Pest abzuwehren, sondern vielmehr
die Vorposten der Civilisation gegen die moskowitische Macht und
Barbarei geworden sind, die mit scharfem Blick den verdächtigen Be¬
wegungen des Gegners folgen, wenn sie sich auch noch nicht von der
Stelle gerührt haben. Die Geschichte der Donauflotte steigt mehrere
Jahrhunderte hinauf, und bereits bei den beiden Belagerungen Wiens
durch die Türken agirten die Geschwader dieser Binnenflotte mit, und
es sind wahrlich nicht die letzten unter den ruhmwürdigen Thaten je-


nawoda, welche von dem Baron von Vinke, einem preußischen Offizier
bestritten wird. Man hat schon die Baufumme genannt, welche zu
der Realisirung des Projectcs erforderlich wäre, und von der Bereit¬
willigkeit, womit man von Seite der österreichischen Regierung in die¬
ses Vorhaben einzugehen geneigt sei, Aus guter Quelle kann ich
Ihnen indeß die Versicherung ertheilen, daß dieses Kcmalproject keines¬
wegs zu Stande kommen wird, und die Sache lediglich als eine
diplomatische Demonstration betrieben wurde, um Rußland zu nöthi¬
gen, die seit Jahren gegen alle Vertragspflicht versandeten Sulina-
mündungen zu reinigen, Es waltet hier dasselbe Verhältniß wie in
Betreff des Sundzolles in Preußen, und so wie man dort nicht daran
denkt, kostspielige Kanalbauten zu unternehmen, sobald man die dä¬
nische Regierung dahin bewegen kann, ihrem historischen Rechte auf
die Börse anderer Seefahrer in gütlicher Weise zu entsagen, eben so
wenig denkt man hier daran Landdurchstiche zu bewerkstelligen, so lange
man hoffen darf, mit der bloßen Miene des Wollens denselben Zweck
zu erreichen. Es ist wahr, Oberst Birago hat die Donau mehr im
Auftrage des Hofkriegsrathes und zu militärischen Zwecken bereist,
allein eine merkantil-politische Mission lag darum nicht weniger im
Sinn seiner Fahrt. Die Donau dürfte bei der Lösung der orienta¬
lischen Frage bald eine sehr wichtige militärische Rolle spielen, denn
sie bildet die Grenze des russischen Reiches gegen die morsche Macht
der Osmanen, und bei einen« Angriff der Russen liegt viel daran,
diesen großen Strom als Operationsbasis zu gewinnen. Dazu aber
ist es nöthig sein Bett zu kennen, sein Hochwasser zu studicen und
genaue Karten und Messungen von den Ufern zu besitzen. Das
Portefeuille des Obersten Birago und der ihn begleitenden Offiziere
ist sicher nicht leer geblieben; auch das zu Titul an der Donau am
Einfluß der Theiß garnisonirende Tschaikistenbataillon mit seiner Fluß-
flotille soll vermehrte Berücksichtigung finden und eine neue Organi¬
sation erhalten. Es wäre überhaupt der Mühe werth, der deutschen
Lesewelt die im Süden Ungarns angehäuften Streitmittel zu schildern,
damit sich diese selbst eine Meinung bilden könne über den Ausgang
des unvermeidlichen Zusammenstoßes Oesterreichs und Rußlands auf
dem türkischen Wahlplatze; nur wenige wissen etwas von der Donau¬
flotte und von den kriegerischen Colonisten an der türkischen Grenze,
welche jetzt aufgehört haben die Pest abzuwehren, sondern vielmehr
die Vorposten der Civilisation gegen die moskowitische Macht und
Barbarei geworden sind, die mit scharfem Blick den verdächtigen Be¬
wegungen des Gegners folgen, wenn sie sich auch noch nicht von der
Stelle gerührt haben. Die Geschichte der Donauflotte steigt mehrere
Jahrhunderte hinauf, und bereits bei den beiden Belagerungen Wiens
durch die Türken agirten die Geschwader dieser Binnenflotte mit, und
es sind wahrlich nicht die letzten unter den ruhmwürdigen Thaten je-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/343>, abgerufen am 29.06.2024.