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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Bmkhardt sollte ganz und gar deutsch fluchen, wie Kaiser Karl der
Fünfte mit seinem Herrgott spanisch redete, für seine Geliebte das
Französisch für das Passendere hielt und mit Pferd und Stallknecht
deutsch sprach. Bei jedem Stoß des Wagens, wo uns ohnedies
schon die Rippen krachen, schreit der Alte sein: "Drei Schock Mord!"
-- Die alten Griechen hatten unter ihren Rhythmen einen Versfuß,
den sie Molossus, Bullenbeißer, nannten. In solchem Bullenbeißer--
rythmuö flucht der Alte von früh bis spät. Aber je zorniger er
wurde, je mehr er tobte, desto behaglicher fühlte er sich bei diesen
Ausbrüchen seines Unmuths. Mich dünkt, es war zum guten Theil
deutsches Blut in ihm, obschon ihn seine italienische Mutter in einem
genuesischen Kloster zur Welt brachte, "(.'mio all Ij-^alio! schon
wieder Tribut für das heilige römische Reich, Straßeilgelder für die
Gefahr, den Hals zu brechen, Steuern für ein Pflaster, das eher
Wunden reißt als heilt!" Ein Nürnberger RathSdiencr, nach den
Feldern des Stadtwappens in weiß- und rothgetiegerter Jacke, stand
am Schlagbaum in seinem Schilderhause und wollte cassiren, aber
sich nicht das bunte Fell auöivaschen lassen Bmkhardt mußte in
den Regen hinaus und seinen Zettel lösen. Hol' der Guckguck Euere
reichömäßigc Freiheit, ehrliche Leute schinden zu dürfen! rief er wild
und barsch. Jetzt sind wir auf dem Gebiet der Republikaner. Diese
bretterne Wand trennt sie zeitlebens von den bambergcr Dörfern,
die bei schwerer Strafe kein Nürnberger Freiburger betreten darf.

-- Der hochweise Rath der ehrsamen Reichsstadt, sagt' ich, will
seine orthodorcn Lutheraner vielleicht vor der Propaganda der Bam¬
berger Bauern oder vor religiösen Reibereien und Raufereien behüten,
wie wir sie in Erlangen bei Bier und Branntewein erlebt!

-- Ja, hat sich was! lachte Bmkhardt, Thür und Thor schützen
nicht vor dem Winde, der durch'S Schlüsselloch bläst und der Geist
fegt wie der Wind durch'S Land. Wer nicht kommt, den holen
wir!

Ich äußerte die Besorgniß, ob unsere Pässe wohl für giltig be¬
funden werden möchten. -- Wenn wir Juden wären, sagte Burk-
hardt, so könnten wir in Fürth übernachten, dürften aber nur für
schweres Thorgeld bei Tage in die Stadt hinein und müßten uns
von einem alten Weibe, daS darauf vereidet ist, Straß' auf Straß'
ab hin und her geleiten lassen. Wir, die wir laut Angabe unser^


Bmkhardt sollte ganz und gar deutsch fluchen, wie Kaiser Karl der
Fünfte mit seinem Herrgott spanisch redete, für seine Geliebte das
Französisch für das Passendere hielt und mit Pferd und Stallknecht
deutsch sprach. Bei jedem Stoß des Wagens, wo uns ohnedies
schon die Rippen krachen, schreit der Alte sein: „Drei Schock Mord!"
— Die alten Griechen hatten unter ihren Rhythmen einen Versfuß,
den sie Molossus, Bullenbeißer, nannten. In solchem Bullenbeißer--
rythmuö flucht der Alte von früh bis spät. Aber je zorniger er
wurde, je mehr er tobte, desto behaglicher fühlte er sich bei diesen
Ausbrüchen seines Unmuths. Mich dünkt, es war zum guten Theil
deutsches Blut in ihm, obschon ihn seine italienische Mutter in einem
genuesischen Kloster zur Welt brachte, „(.'mio all Ij-^alio! schon
wieder Tribut für das heilige römische Reich, Straßeilgelder für die
Gefahr, den Hals zu brechen, Steuern für ein Pflaster, das eher
Wunden reißt als heilt!" Ein Nürnberger RathSdiencr, nach den
Feldern des Stadtwappens in weiß- und rothgetiegerter Jacke, stand
am Schlagbaum in seinem Schilderhause und wollte cassiren, aber
sich nicht das bunte Fell auöivaschen lassen Bmkhardt mußte in
den Regen hinaus und seinen Zettel lösen. Hol' der Guckguck Euere
reichömäßigc Freiheit, ehrliche Leute schinden zu dürfen! rief er wild
und barsch. Jetzt sind wir auf dem Gebiet der Republikaner. Diese
bretterne Wand trennt sie zeitlebens von den bambergcr Dörfern,
die bei schwerer Strafe kein Nürnberger Freiburger betreten darf.

— Der hochweise Rath der ehrsamen Reichsstadt, sagt' ich, will
seine orthodorcn Lutheraner vielleicht vor der Propaganda der Bam¬
berger Bauern oder vor religiösen Reibereien und Raufereien behüten,
wie wir sie in Erlangen bei Bier und Branntewein erlebt!

— Ja, hat sich was! lachte Bmkhardt, Thür und Thor schützen
nicht vor dem Winde, der durch'S Schlüsselloch bläst und der Geist
fegt wie der Wind durch'S Land. Wer nicht kommt, den holen
wir!

Ich äußerte die Besorgniß, ob unsere Pässe wohl für giltig be¬
funden werden möchten. — Wenn wir Juden wären, sagte Burk-
hardt, so könnten wir in Fürth übernachten, dürften aber nur für
schweres Thorgeld bei Tage in die Stadt hinein und müßten uns
von einem alten Weibe, daS darauf vereidet ist, Straß' auf Straß'
ab hin und her geleiten lassen. Wir, die wir laut Angabe unser^


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[0313] Bmkhardt sollte ganz und gar deutsch fluchen, wie Kaiser Karl der Fünfte mit seinem Herrgott spanisch redete, für seine Geliebte das Französisch für das Passendere hielt und mit Pferd und Stallknecht deutsch sprach. Bei jedem Stoß des Wagens, wo uns ohnedies schon die Rippen krachen, schreit der Alte sein: „Drei Schock Mord!" — Die alten Griechen hatten unter ihren Rhythmen einen Versfuß, den sie Molossus, Bullenbeißer, nannten. In solchem Bullenbeißer-- rythmuö flucht der Alte von früh bis spät. Aber je zorniger er wurde, je mehr er tobte, desto behaglicher fühlte er sich bei diesen Ausbrüchen seines Unmuths. Mich dünkt, es war zum guten Theil deutsches Blut in ihm, obschon ihn seine italienische Mutter in einem genuesischen Kloster zur Welt brachte, „(.'mio all Ij-^alio! schon wieder Tribut für das heilige römische Reich, Straßeilgelder für die Gefahr, den Hals zu brechen, Steuern für ein Pflaster, das eher Wunden reißt als heilt!" Ein Nürnberger RathSdiencr, nach den Feldern des Stadtwappens in weiß- und rothgetiegerter Jacke, stand am Schlagbaum in seinem Schilderhause und wollte cassiren, aber sich nicht das bunte Fell auöivaschen lassen Bmkhardt mußte in den Regen hinaus und seinen Zettel lösen. Hol' der Guckguck Euere reichömäßigc Freiheit, ehrliche Leute schinden zu dürfen! rief er wild und barsch. Jetzt sind wir auf dem Gebiet der Republikaner. Diese bretterne Wand trennt sie zeitlebens von den bambergcr Dörfern, die bei schwerer Strafe kein Nürnberger Freiburger betreten darf. — Der hochweise Rath der ehrsamen Reichsstadt, sagt' ich, will seine orthodorcn Lutheraner vielleicht vor der Propaganda der Bam¬ berger Bauern oder vor religiösen Reibereien und Raufereien behüten, wie wir sie in Erlangen bei Bier und Branntewein erlebt! — Ja, hat sich was! lachte Bmkhardt, Thür und Thor schützen nicht vor dem Winde, der durch'S Schlüsselloch bläst und der Geist fegt wie der Wind durch'S Land. Wer nicht kommt, den holen wir! Ich äußerte die Besorgniß, ob unsere Pässe wohl für giltig be¬ funden werden möchten. — Wenn wir Juden wären, sagte Burk- hardt, so könnten wir in Fürth übernachten, dürften aber nur für schweres Thorgeld bei Tage in die Stadt hinein und müßten uns von einem alten Weibe, daS darauf vereidet ist, Straß' auf Straß' ab hin und her geleiten lassen. Wir, die wir laut Angabe unser^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/313>, abgerufen am 22.07.2024.