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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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schöne Mondnacht lag auf den Gefilden. Alle meine Kirchen un¬
versehrt geblieben! sagte der Reichsgraf wie triumphirend still für
sich, da und dort und wieder dort. Die bischöflichen Dorfiirchcn ab¬
gebrannt und mir keine einzige! Bravo Physicuö! Vivat Franklin,
großer Mensch!

Er schwieg, wie er sich umblickte und uns sah, die wir im
Halbkreise hinter ihm standen. Sein großes Auge blieb auf mir
hasten. Ja, ja, sagte er sehr ernst und ehrlich, haben Recht, eS
gibt noch Wunder in ^ki^finis miitliematieis. Gar keine Frage,
'6 ist ein hohes, tiefes, köstliches Wunder, daß der Mensch da drüben
jenseits des Oceans, der ehemalige Bnchbindergcselle im freien Land
Amerika, die simple Marime auffinden mußte, um den Blitz zu re¬
gieren. Das hätte sich weiland ^um'dei- wo-ins wohl nicht träumen
lassen, daß man ihm in die Hände greifen könnte! Franklin ist ein
Zauberer; gar keine Frage! Wie man ein bissiges Hündchen mit
Brosamen begütigt, den Fisch im Wasser mit dem Angelwurm ködert,
so lockt dieser Wundermann mit seiner goldgespitzten Eisenstange
mitten aus der vcrdcrbenschwangcrn Wolke den Blitz herunter, wohin
er will, bis auf die platte Erde, wo er sich meinetwegen sein kaltes
Bett bohrt. -- Und das nennen die alten Weiber ein Werk des
boshaften Teufels! I, so schlag doch der Blitz, wie er will, in die
morschen Gehirnkasten! -- Vor fünfzig Jahren hätten sie den Frank¬
lin, meiner Seele!, noch als männliche Here verbrannt!

Sebaldus lächelte hinüber und herüber, so devot auch äußerlich
seine Haltung vor seinem Landesfürsten blieb. Ich glaubte zu ver¬
stehen, was er verschwieg, aber ich deutete es mir nach meiner Weise.
Wunder gegen Wunder! sagt' ich offenherzig, im Reich des Glau¬
bens und im Reich der äußern Elemente! Warum soll der Geist
nicht mehr Wunder thun? meine feste, unerschütterliche Willenskraft
nicht auf eine schwache leidende Seele wirken?

Er sah mich gebieterisch an und da ich seinem Blicke eben so
fest begegnete, brach er rasch ab. Bleibt mir nur mit Eurer schwind¬
süchtiger Nonne vom Leibe! sagte er wie beleidigt und hieb mit der
Hetzpeitsche unter die Köter, die unter dem Tisch rumorten. Aber
Nichts für ungut, meine Herrn! fuhr er fort und schwenkte vor
uns seine Jagdmütze. Für dies Mal Gott befohlen! Habe mich
sehr gefreut über werthe Bekanntschaft und hoffe, Ew. Ehrwürden


schöne Mondnacht lag auf den Gefilden. Alle meine Kirchen un¬
versehrt geblieben! sagte der Reichsgraf wie triumphirend still für
sich, da und dort und wieder dort. Die bischöflichen Dorfiirchcn ab¬
gebrannt und mir keine einzige! Bravo Physicuö! Vivat Franklin,
großer Mensch!

Er schwieg, wie er sich umblickte und uns sah, die wir im
Halbkreise hinter ihm standen. Sein großes Auge blieb auf mir
hasten. Ja, ja, sagte er sehr ernst und ehrlich, haben Recht, eS
gibt noch Wunder in ^ki^finis miitliematieis. Gar keine Frage,
'6 ist ein hohes, tiefes, köstliches Wunder, daß der Mensch da drüben
jenseits des Oceans, der ehemalige Bnchbindergcselle im freien Land
Amerika, die simple Marime auffinden mußte, um den Blitz zu re¬
gieren. Das hätte sich weiland ^um'dei- wo-ins wohl nicht träumen
lassen, daß man ihm in die Hände greifen könnte! Franklin ist ein
Zauberer; gar keine Frage! Wie man ein bissiges Hündchen mit
Brosamen begütigt, den Fisch im Wasser mit dem Angelwurm ködert,
so lockt dieser Wundermann mit seiner goldgespitzten Eisenstange
mitten aus der vcrdcrbenschwangcrn Wolke den Blitz herunter, wohin
er will, bis auf die platte Erde, wo er sich meinetwegen sein kaltes
Bett bohrt. — Und das nennen die alten Weiber ein Werk des
boshaften Teufels! I, so schlag doch der Blitz, wie er will, in die
morschen Gehirnkasten! — Vor fünfzig Jahren hätten sie den Frank¬
lin, meiner Seele!, noch als männliche Here verbrannt!

Sebaldus lächelte hinüber und herüber, so devot auch äußerlich
seine Haltung vor seinem Landesfürsten blieb. Ich glaubte zu ver¬
stehen, was er verschwieg, aber ich deutete es mir nach meiner Weise.
Wunder gegen Wunder! sagt' ich offenherzig, im Reich des Glau¬
bens und im Reich der äußern Elemente! Warum soll der Geist
nicht mehr Wunder thun? meine feste, unerschütterliche Willenskraft
nicht auf eine schwache leidende Seele wirken?

Er sah mich gebieterisch an und da ich seinem Blicke eben so
fest begegnete, brach er rasch ab. Bleibt mir nur mit Eurer schwind¬
süchtiger Nonne vom Leibe! sagte er wie beleidigt und hieb mit der
Hetzpeitsche unter die Köter, die unter dem Tisch rumorten. Aber
Nichts für ungut, meine Herrn! fuhr er fort und schwenkte vor
uns seine Jagdmütze. Für dies Mal Gott befohlen! Habe mich
sehr gefreut über werthe Bekanntschaft und hoffe, Ew. Ehrwürden


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[0311] schöne Mondnacht lag auf den Gefilden. Alle meine Kirchen un¬ versehrt geblieben! sagte der Reichsgraf wie triumphirend still für sich, da und dort und wieder dort. Die bischöflichen Dorfiirchcn ab¬ gebrannt und mir keine einzige! Bravo Physicuö! Vivat Franklin, großer Mensch! Er schwieg, wie er sich umblickte und uns sah, die wir im Halbkreise hinter ihm standen. Sein großes Auge blieb auf mir hasten. Ja, ja, sagte er sehr ernst und ehrlich, haben Recht, eS gibt noch Wunder in ^ki^finis miitliematieis. Gar keine Frage, '6 ist ein hohes, tiefes, köstliches Wunder, daß der Mensch da drüben jenseits des Oceans, der ehemalige Bnchbindergcselle im freien Land Amerika, die simple Marime auffinden mußte, um den Blitz zu re¬ gieren. Das hätte sich weiland ^um'dei- wo-ins wohl nicht träumen lassen, daß man ihm in die Hände greifen könnte! Franklin ist ein Zauberer; gar keine Frage! Wie man ein bissiges Hündchen mit Brosamen begütigt, den Fisch im Wasser mit dem Angelwurm ködert, so lockt dieser Wundermann mit seiner goldgespitzten Eisenstange mitten aus der vcrdcrbenschwangcrn Wolke den Blitz herunter, wohin er will, bis auf die platte Erde, wo er sich meinetwegen sein kaltes Bett bohrt. — Und das nennen die alten Weiber ein Werk des boshaften Teufels! I, so schlag doch der Blitz, wie er will, in die morschen Gehirnkasten! — Vor fünfzig Jahren hätten sie den Frank¬ lin, meiner Seele!, noch als männliche Here verbrannt! Sebaldus lächelte hinüber und herüber, so devot auch äußerlich seine Haltung vor seinem Landesfürsten blieb. Ich glaubte zu ver¬ stehen, was er verschwieg, aber ich deutete es mir nach meiner Weise. Wunder gegen Wunder! sagt' ich offenherzig, im Reich des Glau¬ bens und im Reich der äußern Elemente! Warum soll der Geist nicht mehr Wunder thun? meine feste, unerschütterliche Willenskraft nicht auf eine schwache leidende Seele wirken? Er sah mich gebieterisch an und da ich seinem Blicke eben so fest begegnete, brach er rasch ab. Bleibt mir nur mit Eurer schwind¬ süchtiger Nonne vom Leibe! sagte er wie beleidigt und hieb mit der Hetzpeitsche unter die Köter, die unter dem Tisch rumorten. Aber Nichts für ungut, meine Herrn! fuhr er fort und schwenkte vor uns seine Jagdmütze. Für dies Mal Gott befohlen! Habe mich sehr gefreut über werthe Bekanntschaft und hoffe, Ew. Ehrwürden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/311>, abgerufen am 22.07.2024.