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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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eben so zornig als wohlgemut!). Schlesien ist ein fetter Bissen! hol'S
der Kuckuk! was bleibt am Ende vom heiligen römischen Reich
übrig?

Er hatte das Geripp des Vogels in der Hand, drehte es nach
allen Seiten und warf es den Doggen zu, die im Halbkreise um
seinen Stuhl lauerten und über die Beute herfielen.

-- Aber wo bleibt nur der Herr Pfarrer, unser Sanct Sebaldus?
fragte der Fürst, indem er uns die Schüssel reichte. Dieser wackere
Kämpe gegen Preußenthum und Blitzableiter, gegen Aufklärung und
alle Naturgeschichte, er wird sich doch nicht vor mir fürchten? Ich
kanzele ihn herunter und dazu trinkt er ein Glas Bier. Wenn ich
fort bin, kann er wieder kanzeln! Basta!

In dem Augenblick führte der Kammerherr den Gerufenen in's
Zimmer. Pater Sebaldus hatte ohne Begleitung einiger Diener des
Reichsgrafen seine Wohnung nicht verlassen mögen. Haha! sagte
dieser, Ihr habt den Blitz auf die preußischen Werber herabrufen
wollen, und da er ganz wo anders eingeschlagen, so meint Ihr, jene
Kerle seien mit dein Teufel im Bunde?

Der Pfarrer, ein runder, feister Mann, der von sehr gutem
Bier und seinem überlieferten Christenthum lebte, schien auf eine De¬
batte, wie sie jetzt über ihn ergehen sollte, nicht eingerichtet. Er legte
sein vollwangiges Angesicht bald auf die eine, bald auf die andere
Schulter, blickte mit schrägen Augen in die Welt hinein und besaß
als die beste Waffe zur Entgegnung jenes überwache Lächeln, das
selbst der Weisheit einen zu hochmüthigen Anstrich gibt. Es quälte
ihn offenbar, über geistliche Dinge hier ganz weltlich verhandeln zu
sollen. Er drehte sich furchtsam hin und her, als suchte er im Noth¬
falle nach dem Loche, das der Zimmmnann offen zu lassen pflegt.
Vielleicht war er nur auf der Kanzel muthig, wo er von Sodom
und Gomorrha sprechen durste und Gott und Teufel dicht bei¬
sammen in der Sacktasche hatte. Lieber Herr Pfarrer, sagte der
Reichsgraf, ich glaube, es gibt gar keinen Teufel mehr in der
Welt, wohl aber allerhand kleine Teufeleien unter den Menschenkin¬
dern. Ihr habt mir die Aeltesten im Dorfe aufgewiegelt, daß sie sich
zusammenthaten und bei Eurem Bischof gegen meinen Blitzableiter
einen rechtgläubig christlichen Protest einlegten. Hör' Er mal, Herr
Pfarrer, ich bitte, wo sitzt da bei Euch das Christenthum? In sechs


eben so zornig als wohlgemut!). Schlesien ist ein fetter Bissen! hol'S
der Kuckuk! was bleibt am Ende vom heiligen römischen Reich
übrig?

Er hatte das Geripp des Vogels in der Hand, drehte es nach
allen Seiten und warf es den Doggen zu, die im Halbkreise um
seinen Stuhl lauerten und über die Beute herfielen.

— Aber wo bleibt nur der Herr Pfarrer, unser Sanct Sebaldus?
fragte der Fürst, indem er uns die Schüssel reichte. Dieser wackere
Kämpe gegen Preußenthum und Blitzableiter, gegen Aufklärung und
alle Naturgeschichte, er wird sich doch nicht vor mir fürchten? Ich
kanzele ihn herunter und dazu trinkt er ein Glas Bier. Wenn ich
fort bin, kann er wieder kanzeln! Basta!

In dem Augenblick führte der Kammerherr den Gerufenen in's
Zimmer. Pater Sebaldus hatte ohne Begleitung einiger Diener des
Reichsgrafen seine Wohnung nicht verlassen mögen. Haha! sagte
dieser, Ihr habt den Blitz auf die preußischen Werber herabrufen
wollen, und da er ganz wo anders eingeschlagen, so meint Ihr, jene
Kerle seien mit dein Teufel im Bunde?

Der Pfarrer, ein runder, feister Mann, der von sehr gutem
Bier und seinem überlieferten Christenthum lebte, schien auf eine De¬
batte, wie sie jetzt über ihn ergehen sollte, nicht eingerichtet. Er legte
sein vollwangiges Angesicht bald auf die eine, bald auf die andere
Schulter, blickte mit schrägen Augen in die Welt hinein und besaß
als die beste Waffe zur Entgegnung jenes überwache Lächeln, das
selbst der Weisheit einen zu hochmüthigen Anstrich gibt. Es quälte
ihn offenbar, über geistliche Dinge hier ganz weltlich verhandeln zu
sollen. Er drehte sich furchtsam hin und her, als suchte er im Noth¬
falle nach dem Loche, das der Zimmmnann offen zu lassen pflegt.
Vielleicht war er nur auf der Kanzel muthig, wo er von Sodom
und Gomorrha sprechen durste und Gott und Teufel dicht bei¬
sammen in der Sacktasche hatte. Lieber Herr Pfarrer, sagte der
Reichsgraf, ich glaube, es gibt gar keinen Teufel mehr in der
Welt, wohl aber allerhand kleine Teufeleien unter den Menschenkin¬
dern. Ihr habt mir die Aeltesten im Dorfe aufgewiegelt, daß sie sich
zusammenthaten und bei Eurem Bischof gegen meinen Blitzableiter
einen rechtgläubig christlichen Protest einlegten. Hör' Er mal, Herr
Pfarrer, ich bitte, wo sitzt da bei Euch das Christenthum? In sechs


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[0306] eben so zornig als wohlgemut!). Schlesien ist ein fetter Bissen! hol'S der Kuckuk! was bleibt am Ende vom heiligen römischen Reich übrig? Er hatte das Geripp des Vogels in der Hand, drehte es nach allen Seiten und warf es den Doggen zu, die im Halbkreise um seinen Stuhl lauerten und über die Beute herfielen. — Aber wo bleibt nur der Herr Pfarrer, unser Sanct Sebaldus? fragte der Fürst, indem er uns die Schüssel reichte. Dieser wackere Kämpe gegen Preußenthum und Blitzableiter, gegen Aufklärung und alle Naturgeschichte, er wird sich doch nicht vor mir fürchten? Ich kanzele ihn herunter und dazu trinkt er ein Glas Bier. Wenn ich fort bin, kann er wieder kanzeln! Basta! In dem Augenblick führte der Kammerherr den Gerufenen in's Zimmer. Pater Sebaldus hatte ohne Begleitung einiger Diener des Reichsgrafen seine Wohnung nicht verlassen mögen. Haha! sagte dieser, Ihr habt den Blitz auf die preußischen Werber herabrufen wollen, und da er ganz wo anders eingeschlagen, so meint Ihr, jene Kerle seien mit dein Teufel im Bunde? Der Pfarrer, ein runder, feister Mann, der von sehr gutem Bier und seinem überlieferten Christenthum lebte, schien auf eine De¬ batte, wie sie jetzt über ihn ergehen sollte, nicht eingerichtet. Er legte sein vollwangiges Angesicht bald auf die eine, bald auf die andere Schulter, blickte mit schrägen Augen in die Welt hinein und besaß als die beste Waffe zur Entgegnung jenes überwache Lächeln, das selbst der Weisheit einen zu hochmüthigen Anstrich gibt. Es quälte ihn offenbar, über geistliche Dinge hier ganz weltlich verhandeln zu sollen. Er drehte sich furchtsam hin und her, als suchte er im Noth¬ falle nach dem Loche, das der Zimmmnann offen zu lassen pflegt. Vielleicht war er nur auf der Kanzel muthig, wo er von Sodom und Gomorrha sprechen durste und Gott und Teufel dicht bei¬ sammen in der Sacktasche hatte. Lieber Herr Pfarrer, sagte der Reichsgraf, ich glaube, es gibt gar keinen Teufel mehr in der Welt, wohl aber allerhand kleine Teufeleien unter den Menschenkin¬ dern. Ihr habt mir die Aeltesten im Dorfe aufgewiegelt, daß sie sich zusammenthaten und bei Eurem Bischof gegen meinen Blitzableiter einen rechtgläubig christlichen Protest einlegten. Hör' Er mal, Herr Pfarrer, ich bitte, wo sitzt da bei Euch das Christenthum? In sechs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/306>, abgerufen am 22.07.2024.