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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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einmal zum Augustus dieser französischen Schöngeister aufgeworfen
hat, in seiner Wahl lieber auf den tollen Bürger von Genf gestoßen
wäre. Da wär' er doch am Ende auf Quellwasser statt in Sümpfe
gerathen. Hat Rousseau recht, so sind alle Menschen Narren, hat
Voltaire Recht, dann sind wir alle lauter Schurken. Und das ist,
sag' ich, der Sumpf, in den man bei ihm geräth. Ja, mit den
elenden, wüsten und doch immer lächelnden Spöttern des Heiligsten
gibt sich dieser Friedrich ab, duldet sie in seiner Nähe, gefällt sich in
ihrem Umgang und läßt durch den Secretär der Berliner Akademie
Lobreden auf sie halten, die er selbst verfertigt, aber die ihm sein bos-
haftes Waschweib Voltaire erst säubern muß. Deutsche Schriften,
die mit den Waffen der Vernunft die Wundertheorien des alten
Glaubens bekämpfen, läßt er verbieten, schickt die Drucker nach Span-
dau!

-- Vielleicht, nahm ich das Wort, null die Majestät von Preu¬
ßen gewisse Aufklärungen über das Christenthum nur innerhalb der
Kreise einer gewissen bevorzugten Bildung zulassen; gewisse Ueber¬
zeugungen sind vielleicht nur für das Volk verderblich.

-- Volk, Volk! rief der Fürst, wer will da die Grenze ziehen!
Ich selbst bin vom Volk und die fürstlichen Liebhabereien von Sans-
souci fressen sich wie ein schleichendes Gift bis in'S Mark des Vol¬
kes. Guter Freund, was die Fürsten in Deutschland privatim trei¬
ben, das hat der große Haufe noch allezeit nachgeäfft! Laufen sie
doch gleich hin, gaffen und sind außer sich, wenn sich Einer mit 'nem
Bischen Witz und Scharfsinn geltend macht! Und so wird immer
ihr bestes Gefühl, das Gefühl der Hingebung, zur Narrheit und
Egoisten füttern sich mit der Liebe des Volkes. Dieser Friedrich ist
ein ungewöhnlicher Mensch, weil ihn die Schwäche und Erbärmlich¬
keit seiner Mitmenschen bedeutend macht; ein Spiegel deutscher
Fürstentugend wird nimmermehr aus ihm. Im Grunde paßt er auch
zu diesem boshaften Pavian Voltaire. Voltaire hat das Christenthum
in Fetzen gerissen, damit er witzig sein kann, und Friedrich stürzt im
Interesse seiner Hausmacht das deutsche Reich über den Haufen.
Beide haben die Lacher auf ihrer Seite, daß Gott erbarm!

Er hatte während dessen mit der Gabel einen Fasan gespießt,
hielt ihn in freier Luft vor sich hin und fabelte links und rechts die
Stücke herunter. Hier ein Flügel und da eine Keule! sagte er


einmal zum Augustus dieser französischen Schöngeister aufgeworfen
hat, in seiner Wahl lieber auf den tollen Bürger von Genf gestoßen
wäre. Da wär' er doch am Ende auf Quellwasser statt in Sümpfe
gerathen. Hat Rousseau recht, so sind alle Menschen Narren, hat
Voltaire Recht, dann sind wir alle lauter Schurken. Und das ist,
sag' ich, der Sumpf, in den man bei ihm geräth. Ja, mit den
elenden, wüsten und doch immer lächelnden Spöttern des Heiligsten
gibt sich dieser Friedrich ab, duldet sie in seiner Nähe, gefällt sich in
ihrem Umgang und läßt durch den Secretär der Berliner Akademie
Lobreden auf sie halten, die er selbst verfertigt, aber die ihm sein bos-
haftes Waschweib Voltaire erst säubern muß. Deutsche Schriften,
die mit den Waffen der Vernunft die Wundertheorien des alten
Glaubens bekämpfen, läßt er verbieten, schickt die Drucker nach Span-
dau!

— Vielleicht, nahm ich das Wort, null die Majestät von Preu¬
ßen gewisse Aufklärungen über das Christenthum nur innerhalb der
Kreise einer gewissen bevorzugten Bildung zulassen; gewisse Ueber¬
zeugungen sind vielleicht nur für das Volk verderblich.

— Volk, Volk! rief der Fürst, wer will da die Grenze ziehen!
Ich selbst bin vom Volk und die fürstlichen Liebhabereien von Sans-
souci fressen sich wie ein schleichendes Gift bis in'S Mark des Vol¬
kes. Guter Freund, was die Fürsten in Deutschland privatim trei¬
ben, das hat der große Haufe noch allezeit nachgeäfft! Laufen sie
doch gleich hin, gaffen und sind außer sich, wenn sich Einer mit 'nem
Bischen Witz und Scharfsinn geltend macht! Und so wird immer
ihr bestes Gefühl, das Gefühl der Hingebung, zur Narrheit und
Egoisten füttern sich mit der Liebe des Volkes. Dieser Friedrich ist
ein ungewöhnlicher Mensch, weil ihn die Schwäche und Erbärmlich¬
keit seiner Mitmenschen bedeutend macht; ein Spiegel deutscher
Fürstentugend wird nimmermehr aus ihm. Im Grunde paßt er auch
zu diesem boshaften Pavian Voltaire. Voltaire hat das Christenthum
in Fetzen gerissen, damit er witzig sein kann, und Friedrich stürzt im
Interesse seiner Hausmacht das deutsche Reich über den Haufen.
Beide haben die Lacher auf ihrer Seite, daß Gott erbarm!

Er hatte während dessen mit der Gabel einen Fasan gespießt,
hielt ihn in freier Luft vor sich hin und fabelte links und rechts die
Stücke herunter. Hier ein Flügel und da eine Keule! sagte er


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[0305] einmal zum Augustus dieser französischen Schöngeister aufgeworfen hat, in seiner Wahl lieber auf den tollen Bürger von Genf gestoßen wäre. Da wär' er doch am Ende auf Quellwasser statt in Sümpfe gerathen. Hat Rousseau recht, so sind alle Menschen Narren, hat Voltaire Recht, dann sind wir alle lauter Schurken. Und das ist, sag' ich, der Sumpf, in den man bei ihm geräth. Ja, mit den elenden, wüsten und doch immer lächelnden Spöttern des Heiligsten gibt sich dieser Friedrich ab, duldet sie in seiner Nähe, gefällt sich in ihrem Umgang und läßt durch den Secretär der Berliner Akademie Lobreden auf sie halten, die er selbst verfertigt, aber die ihm sein bos- haftes Waschweib Voltaire erst säubern muß. Deutsche Schriften, die mit den Waffen der Vernunft die Wundertheorien des alten Glaubens bekämpfen, läßt er verbieten, schickt die Drucker nach Span- dau! — Vielleicht, nahm ich das Wort, null die Majestät von Preu¬ ßen gewisse Aufklärungen über das Christenthum nur innerhalb der Kreise einer gewissen bevorzugten Bildung zulassen; gewisse Ueber¬ zeugungen sind vielleicht nur für das Volk verderblich. — Volk, Volk! rief der Fürst, wer will da die Grenze ziehen! Ich selbst bin vom Volk und die fürstlichen Liebhabereien von Sans- souci fressen sich wie ein schleichendes Gift bis in'S Mark des Vol¬ kes. Guter Freund, was die Fürsten in Deutschland privatim trei¬ ben, das hat der große Haufe noch allezeit nachgeäfft! Laufen sie doch gleich hin, gaffen und sind außer sich, wenn sich Einer mit 'nem Bischen Witz und Scharfsinn geltend macht! Und so wird immer ihr bestes Gefühl, das Gefühl der Hingebung, zur Narrheit und Egoisten füttern sich mit der Liebe des Volkes. Dieser Friedrich ist ein ungewöhnlicher Mensch, weil ihn die Schwäche und Erbärmlich¬ keit seiner Mitmenschen bedeutend macht; ein Spiegel deutscher Fürstentugend wird nimmermehr aus ihm. Im Grunde paßt er auch zu diesem boshaften Pavian Voltaire. Voltaire hat das Christenthum in Fetzen gerissen, damit er witzig sein kann, und Friedrich stürzt im Interesse seiner Hausmacht das deutsche Reich über den Haufen. Beide haben die Lacher auf ihrer Seite, daß Gott erbarm! Er hatte während dessen mit der Gabel einen Fasan gespießt, hielt ihn in freier Luft vor sich hin und fabelte links und rechts die Stücke herunter. Hier ein Flügel und da eine Keule! sagte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/305>, abgerufen am 22.07.2024.