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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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bischöfliche Dorfkirchen hat das Wetter eingeschlagen, weil sie den
Blitzableiter für eine verruchte gottlose Neuerung halten. Ich hab'
meinen Kirchthürmen die gottgefällige und segensreiche Erfindung des
großen Franklin in Amerika aufgefetzt, und siehe da, wir sind alle -
verschont geblieben. Wo ist nun da Gottes Hand sichtbar, und wo
liegt der Hund begraben? Wenn es noch in der Welt einen Teufel
gibt, so steckt er in Eurer Verschlossenheit, Schwerköpfigkeit, Hart¬
näckigkeit! -- Aber kommen Sie her, Herr Pfarrer, und trinken Sie,
das Bier ist gut. Ew. Ehrwürden werden es nicht verschmähen,
mit einem lutherischen Ketzer anzustoßen. Setzen wir uns, Herr Pfar¬
rer, weil wir doch allzumal Sünder sind, und unser Herr und Hei¬
land saß ja selbst mit den Zöllnern zu Tische.

Pater Sebaldus hatte wieder sein geheimnißvolles Lächeln, das
zwischen Demuth, Weisheit und Dummheit schwankte. Ew. Erlaucht
hätten nur, sagte er, indem er nach dem Fasanflügcl in der Schüssel
griff, uns nicht das Glockengeläute verbieten sollen.

-- So! fuhr der Reichsgraf heraus. Also in ^Il^finis un--
turillilni" wollt Ihr kein r-üsvn annehmen! Herr Pfarrer, unsere
Thürme sind vom Wetter verschont, weil die Glocken still hingen und
nicht durch die Schwingung der Luft die elektrische Entladung an
sich zogen. Nimm doch nur ein Bischen Vernunft an, alter Knabe,
und erkläre Dich nicht so breitstirnig gegen alle Naturgeschichte!

Der Pfarrer arbeitete eifrig an seinem Bratenstück und erklärte
sich nicht weiter gegen die Naturgeschichte.
'

-- Sehen Sie, so geht mirs mit meinen geistlichen Herrn, sagte
der Reichsgraf, indem er sich an uns wandle. Mit meinen evan¬
gelischen nicht besser! Hab' ich mir da ganz frisch von der Mutter
fort einen funkelnagelneuen Hofpreviger verschrieben. Er hat in Tü¬
bingen studirt, er hat die besten Zeugnisse und ich zahle ihm, was
nur Gottes Wort an einem kleinen Hof verlangen kann. Aber glau¬
ben Sie wohl, daß der Mann im Stande ist, mich von der Unsterb¬
lichkeit der Seele zu überzeugen? Ich meine, so was man aus dem
Grunde hieb- und stichfest überzeugen nennt. Wir debattiren stun¬
denlang hin und her und wenn ich alle seine Argumente aufgezehrt
habe, kommt er immer wieder auf den verzweifelten Schlußpunkt:
Wenn es keine Unsterblichkeit gäbe, -- dann müßte es ja gescheidter
sein, wir lebten wie das liebe Vieh. Und ich zweifle denn wirklich


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bischöfliche Dorfkirchen hat das Wetter eingeschlagen, weil sie den
Blitzableiter für eine verruchte gottlose Neuerung halten. Ich hab'
meinen Kirchthürmen die gottgefällige und segensreiche Erfindung des
großen Franklin in Amerika aufgefetzt, und siehe da, wir sind alle -
verschont geblieben. Wo ist nun da Gottes Hand sichtbar, und wo
liegt der Hund begraben? Wenn es noch in der Welt einen Teufel
gibt, so steckt er in Eurer Verschlossenheit, Schwerköpfigkeit, Hart¬
näckigkeit! — Aber kommen Sie her, Herr Pfarrer, und trinken Sie,
das Bier ist gut. Ew. Ehrwürden werden es nicht verschmähen,
mit einem lutherischen Ketzer anzustoßen. Setzen wir uns, Herr Pfar¬
rer, weil wir doch allzumal Sünder sind, und unser Herr und Hei¬
land saß ja selbst mit den Zöllnern zu Tische.

Pater Sebaldus hatte wieder sein geheimnißvolles Lächeln, das
zwischen Demuth, Weisheit und Dummheit schwankte. Ew. Erlaucht
hätten nur, sagte er, indem er nach dem Fasanflügcl in der Schüssel
griff, uns nicht das Glockengeläute verbieten sollen.

— So! fuhr der Reichsgraf heraus. Also in ^Il^finis un--
turillilni« wollt Ihr kein r-üsvn annehmen! Herr Pfarrer, unsere
Thürme sind vom Wetter verschont, weil die Glocken still hingen und
nicht durch die Schwingung der Luft die elektrische Entladung an
sich zogen. Nimm doch nur ein Bischen Vernunft an, alter Knabe,
und erkläre Dich nicht so breitstirnig gegen alle Naturgeschichte!

Der Pfarrer arbeitete eifrig an seinem Bratenstück und erklärte
sich nicht weiter gegen die Naturgeschichte.
'

— Sehen Sie, so geht mirs mit meinen geistlichen Herrn, sagte
der Reichsgraf, indem er sich an uns wandle. Mit meinen evan¬
gelischen nicht besser! Hab' ich mir da ganz frisch von der Mutter
fort einen funkelnagelneuen Hofpreviger verschrieben. Er hat in Tü¬
bingen studirt, er hat die besten Zeugnisse und ich zahle ihm, was
nur Gottes Wort an einem kleinen Hof verlangen kann. Aber glau¬
ben Sie wohl, daß der Mann im Stande ist, mich von der Unsterb¬
lichkeit der Seele zu überzeugen? Ich meine, so was man aus dem
Grunde hieb- und stichfest überzeugen nennt. Wir debattiren stun¬
denlang hin und her und wenn ich alle seine Argumente aufgezehrt
habe, kommt er immer wieder auf den verzweifelten Schlußpunkt:
Wenn es keine Unsterblichkeit gäbe, — dann müßte es ja gescheidter
sein, wir lebten wie das liebe Vieh. Und ich zweifle denn wirklich


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[0307] bischöfliche Dorfkirchen hat das Wetter eingeschlagen, weil sie den Blitzableiter für eine verruchte gottlose Neuerung halten. Ich hab' meinen Kirchthürmen die gottgefällige und segensreiche Erfindung des großen Franklin in Amerika aufgefetzt, und siehe da, wir sind alle - verschont geblieben. Wo ist nun da Gottes Hand sichtbar, und wo liegt der Hund begraben? Wenn es noch in der Welt einen Teufel gibt, so steckt er in Eurer Verschlossenheit, Schwerköpfigkeit, Hart¬ näckigkeit! — Aber kommen Sie her, Herr Pfarrer, und trinken Sie, das Bier ist gut. Ew. Ehrwürden werden es nicht verschmähen, mit einem lutherischen Ketzer anzustoßen. Setzen wir uns, Herr Pfar¬ rer, weil wir doch allzumal Sünder sind, und unser Herr und Hei¬ land saß ja selbst mit den Zöllnern zu Tische. Pater Sebaldus hatte wieder sein geheimnißvolles Lächeln, das zwischen Demuth, Weisheit und Dummheit schwankte. Ew. Erlaucht hätten nur, sagte er, indem er nach dem Fasanflügcl in der Schüssel griff, uns nicht das Glockengeläute verbieten sollen. — So! fuhr der Reichsgraf heraus. Also in ^Il^finis un-- turillilni« wollt Ihr kein r-üsvn annehmen! Herr Pfarrer, unsere Thürme sind vom Wetter verschont, weil die Glocken still hingen und nicht durch die Schwingung der Luft die elektrische Entladung an sich zogen. Nimm doch nur ein Bischen Vernunft an, alter Knabe, und erkläre Dich nicht so breitstirnig gegen alle Naturgeschichte! Der Pfarrer arbeitete eifrig an seinem Bratenstück und erklärte sich nicht weiter gegen die Naturgeschichte. ' — Sehen Sie, so geht mirs mit meinen geistlichen Herrn, sagte der Reichsgraf, indem er sich an uns wandle. Mit meinen evan¬ gelischen nicht besser! Hab' ich mir da ganz frisch von der Mutter fort einen funkelnagelneuen Hofpreviger verschrieben. Er hat in Tü¬ bingen studirt, er hat die besten Zeugnisse und ich zahle ihm, was nur Gottes Wort an einem kleinen Hof verlangen kann. Aber glau¬ ben Sie wohl, daß der Mann im Stande ist, mich von der Unsterb¬ lichkeit der Seele zu überzeugen? Ich meine, so was man aus dem Grunde hieb- und stichfest überzeugen nennt. Wir debattiren stun¬ denlang hin und her und wenn ich alle seine Argumente aufgezehrt habe, kommt er immer wieder auf den verzweifelten Schlußpunkt: Wenn es keine Unsterblichkeit gäbe, — dann müßte es ja gescheidter sein, wir lebten wie das liebe Vieh. Und ich zweifle denn wirklich Grcnzbotc» 1t>4S. I. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/307>, abgerufen am 23.07.2024.