Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.Deutsche Scenen ans dem vorigen Jahrhundert. Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne. 3. Der Neichograf. Der Fürst saß schon bei der Suppe und empfing uns mit einer Wir hatten uns kaum gesetzt, als er uns aufforderte, ihm über -- Monseigneur! sagt'ich, halten ihn für keinen ehrlichen Men¬ -- Doch, doch! rief er; aber er war nur ein Genie und von Deutsche Scenen ans dem vorigen Jahrhundert. Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne. 3. Der Neichograf. Der Fürst saß schon bei der Suppe und empfing uns mit einer Wir hatten uns kaum gesetzt, als er uns aufforderte, ihm über — Monseigneur! sagt'ich, halten ihn für keinen ehrlichen Men¬ — Doch, doch! rief er; aber er war nur ein Genie und von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269719"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Deutsche Scenen ans dem vorigen Jahrhundert.<lb/><note type="byline"> Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne.</note></head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> 3.<lb/> Der Neichograf.</head><lb/> <p xml:id="ID_837"> Der Fürst saß schon bei der Suppe und empfing uns mit einer<lb/> gravitätischen Schwenkung des Vorlegelöffels. Er hatte seine Jagd¬<lb/> kleider mit einem alten Schafpelz vertauscht und gewährte uns in<lb/> der seltsamen Zipfelmütze, die er von irgend einem Bauern geborgt<lb/> zu haben schien, den Anblick eines Häuptlings jener nordischen<lb/> Barbaren, die wir in ein fernes Thule versetzen. Sehr will¬<lb/> kommen! sagte er in seiner polternden Vertraulichkeit. Geistliche<lb/> sind mir immer sehr lieb und werth. — Aus Genf? soso! aus der<lb/> Heimath jenes famosen Sonderlings, Jean Jacques Rousseau, der<lb/> sein Neligionsbekenntniß wie einen alten Rock wechselte. Den einen<lb/> Rock hielt er sich zum Spazierengehen, den andern zog er Abends<lb/> an, wenn er schläfrig wurde. Er machte in Sachen unseres Herrn<lb/> und Heilands so rasch, wie man die Hand umdreht, den Ueber¬<lb/> läufer !</p><lb/> <p xml:id="ID_838"> Wir hatten uns kaum gesetzt, als er uns aufforderte, ihm über<lb/> Rousseau unsere Meinung in die Suppe zu brocken!</p><lb/> <p xml:id="ID_839"> — Monseigneur! sagt'ich, halten ihn für keinen ehrlichen Men¬<lb/> schen?</p><lb/> <p xml:id="ID_840" next="#ID_841"> — Doch, doch! rief er; aber er war nur ein Genie und von<lb/> Genies halt' ich mir am liebsten, um sie studiren zu können, eine<lb/> Galerie in meinem Tollhause. Ehrlich? Wen der Voltaire hinter¬<lb/> listig mit seinem Geifer beschmutzt, der muß von Hause aus ehrlich<lb/> sein, und ich wünschte nur, daß der preußische Friedrich, der sich nun</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Deutsche Scenen ans dem vorigen Jahrhundert.
Nach italienischen Familienpapieren von F. Gustav Kühne.
3.
Der Neichograf.
Der Fürst saß schon bei der Suppe und empfing uns mit einer
gravitätischen Schwenkung des Vorlegelöffels. Er hatte seine Jagd¬
kleider mit einem alten Schafpelz vertauscht und gewährte uns in
der seltsamen Zipfelmütze, die er von irgend einem Bauern geborgt
zu haben schien, den Anblick eines Häuptlings jener nordischen
Barbaren, die wir in ein fernes Thule versetzen. Sehr will¬
kommen! sagte er in seiner polternden Vertraulichkeit. Geistliche
sind mir immer sehr lieb und werth. — Aus Genf? soso! aus der
Heimath jenes famosen Sonderlings, Jean Jacques Rousseau, der
sein Neligionsbekenntniß wie einen alten Rock wechselte. Den einen
Rock hielt er sich zum Spazierengehen, den andern zog er Abends
an, wenn er schläfrig wurde. Er machte in Sachen unseres Herrn
und Heilands so rasch, wie man die Hand umdreht, den Ueber¬
läufer !
Wir hatten uns kaum gesetzt, als er uns aufforderte, ihm über
Rousseau unsere Meinung in die Suppe zu brocken!
— Monseigneur! sagt'ich, halten ihn für keinen ehrlichen Men¬
schen?
— Doch, doch! rief er; aber er war nur ein Genie und von
Genies halt' ich mir am liebsten, um sie studiren zu können, eine
Galerie in meinem Tollhause. Ehrlich? Wen der Voltaire hinter¬
listig mit seinem Geifer beschmutzt, der muß von Hause aus ehrlich
sein, und ich wünschte nur, daß der preußische Friedrich, der sich nun
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |