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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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neue der Statuten, rückgängig zu machen, sonst meinte es "werde
der Verein zu Grabe getragen." Nachdem die Berathung der Sta¬
tuten vollendet war, erklärte der Präsident, daß das Comitv, bliebe
der § 12 beibehalten, seine Functionen als beendigt ansehen werde
und die Generalversammlung widerrief ihren Beschluß. Um das Co¬
mite zu behalten, gab sie sich selber auf; dieselben Redner, welche am
vorigen Abende lebhaft und feurig für den § geredet hatten, sprachen
heute gegen ihn, von den 249 Stimmen, die gestern seine Annahme
herbeigeführt, waren kaum 2l) desselben Sinnes geblieben. Die Gene¬
ralversammlung war deutschsentimental geworden, die Drohung des
Comites, abzutreten, hatte 5W Männer im tiefsten ihrer Seele erschüt¬
tert und fügsam gemacht, man wollte einen Verein Pinna nome, man
hat nicht bedacht, daß es einem so großen Zwecke gegenüber, wie er
in den Worten des Statutes: "das Entstehen der Noth mehr zu ver¬
hüten, als bestehendes Elend zu beschwichtigen," ausgedrückt ist, weit
vernünftiger ist, die Unmöglichkeit des Erreichcns unter gewissen Hem¬
mungen und Hindernissen offen einzugestehen, als die große Idee
durch eine Mißgeburt ohne Kraft und Inhalt lächerlich zu machen
und das Vertrauen des Volkes nur noch mehr zu schwächen. Nach¬
dem die Generalversammlung dem Comite, auf Kosten ihres Charak¬
ters, auf Kosten ihrer Würde "Vertrauen" bewiesen, hat dieses die
Einrcichung der Statuten bei der Regierung übernommen und es ist
möglich, daß diese dieselben bestätigt, daß wir einen Verein, daß wir
Vorstand, Ausschuß, Bezirksvertretcr, ein ganzes Heer neuer Beam¬
ten erhalten, aber es täusche sich Niemand darüber, daß trotz des Ver¬
eines der Pauperismus alle Schranken der Gesellschaft durchbrechen
wird. Eben die, welche sich auf ihren praktischen Sinn beriefen, wer¬
den sich als unpraktisch beweisen. Dem Kampf der Debatten, der
Erwachung der Geister haben wir Interesse abgewonnen, von den
praktischen Resultaten, welche man, mit Concessionen rechts und links
gegen alles Bestehende, erzielen will, erwarten wir Nichts.

Hatte indeß die ganze Bewegung gar keine anderen Folgen,
als daß durch sie der Regierung sowohl als dem aufmerksamen Pu-
blicum gewisse Parteiungen und publizistische Persönlichkeiten klar ge¬
macht und verschiedene Illusionen zerstört worden sind, so wären diese
noch immer bedeutend genug. Was die Parteiungen betrifft, so ha¬
ben das Prinzip des Jndustrialismus und das der humanen Associa¬
tion ihre Kräfte an einander abgewogen und gesehen, was sie von
einander zu erwarten haben. Was die Persönlichkeiten betrifft, so
wollen wir hier noch einiger kurz erwähnen und ein verschiedenartiges
Dreiblatt zusammenstellen: Hermes, Brüggemann, Nauwerk, die sich
alle drei inmitten der allgemeinen Bewegung auf verschiedenartige
Weise dargestellt haben. Hr. Hermes ist durch seinen verschiedenar¬
tigen Farbenwechsel schon zur Genüge bekannt, er stand auf der Seite


neue der Statuten, rückgängig zu machen, sonst meinte es „werde
der Verein zu Grabe getragen." Nachdem die Berathung der Sta¬
tuten vollendet war, erklärte der Präsident, daß das Comitv, bliebe
der § 12 beibehalten, seine Functionen als beendigt ansehen werde
und die Generalversammlung widerrief ihren Beschluß. Um das Co¬
mite zu behalten, gab sie sich selber auf; dieselben Redner, welche am
vorigen Abende lebhaft und feurig für den § geredet hatten, sprachen
heute gegen ihn, von den 249 Stimmen, die gestern seine Annahme
herbeigeführt, waren kaum 2l) desselben Sinnes geblieben. Die Gene¬
ralversammlung war deutschsentimental geworden, die Drohung des
Comites, abzutreten, hatte 5W Männer im tiefsten ihrer Seele erschüt¬
tert und fügsam gemacht, man wollte einen Verein Pinna nome, man
hat nicht bedacht, daß es einem so großen Zwecke gegenüber, wie er
in den Worten des Statutes: „das Entstehen der Noth mehr zu ver¬
hüten, als bestehendes Elend zu beschwichtigen," ausgedrückt ist, weit
vernünftiger ist, die Unmöglichkeit des Erreichcns unter gewissen Hem¬
mungen und Hindernissen offen einzugestehen, als die große Idee
durch eine Mißgeburt ohne Kraft und Inhalt lächerlich zu machen
und das Vertrauen des Volkes nur noch mehr zu schwächen. Nach¬
dem die Generalversammlung dem Comite, auf Kosten ihres Charak¬
ters, auf Kosten ihrer Würde „Vertrauen" bewiesen, hat dieses die
Einrcichung der Statuten bei der Regierung übernommen und es ist
möglich, daß diese dieselben bestätigt, daß wir einen Verein, daß wir
Vorstand, Ausschuß, Bezirksvertretcr, ein ganzes Heer neuer Beam¬
ten erhalten, aber es täusche sich Niemand darüber, daß trotz des Ver¬
eines der Pauperismus alle Schranken der Gesellschaft durchbrechen
wird. Eben die, welche sich auf ihren praktischen Sinn beriefen, wer¬
den sich als unpraktisch beweisen. Dem Kampf der Debatten, der
Erwachung der Geister haben wir Interesse abgewonnen, von den
praktischen Resultaten, welche man, mit Concessionen rechts und links
gegen alles Bestehende, erzielen will, erwarten wir Nichts.

Hatte indeß die ganze Bewegung gar keine anderen Folgen,
als daß durch sie der Regierung sowohl als dem aufmerksamen Pu-
blicum gewisse Parteiungen und publizistische Persönlichkeiten klar ge¬
macht und verschiedene Illusionen zerstört worden sind, so wären diese
noch immer bedeutend genug. Was die Parteiungen betrifft, so ha¬
ben das Prinzip des Jndustrialismus und das der humanen Associa¬
tion ihre Kräfte an einander abgewogen und gesehen, was sie von
einander zu erwarten haben. Was die Persönlichkeiten betrifft, so
wollen wir hier noch einiger kurz erwähnen und ein verschiedenartiges
Dreiblatt zusammenstellen: Hermes, Brüggemann, Nauwerk, die sich
alle drei inmitten der allgemeinen Bewegung auf verschiedenartige
Weise dargestellt haben. Hr. Hermes ist durch seinen verschiedenar¬
tigen Farbenwechsel schon zur Genüge bekannt, er stand auf der Seite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/288>, abgerufen am 28.09.2024.