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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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versetzen, daß der wichtigste 8, welcher an dem einen Abend mit ent¬
schiedener Majorität angenommen und in dem zwei Bezirksberathungen
für jedes Bierteljahr festgesetzt worden, von derselben Majorität schon
an dem folgenden Abend wieder verworfen wurde. Dergleichen ist
nicht geeignet, Vertrauen einzuflößen. Der Jndustrialismus, welchem
die tiefe Ergründung der Armenfrage zuwider ist, da seine Stellun¬
gen und seine Verhältnisse bei einer solchen Gelegenheit, mehr als ihm
lieb und vortheilhaft, beleuchtet würden, suchte geradewegs für sich
besondere Vorrechte in Anspruch zu nehmen und den Verein ganz und
gar in seine Gewalt zu bekommen, indem er behauptete, er kenne die
Bedürfnisse und Bedrängnisse des Volkes am besten. Natürlich machte
sich eine entschiedene Opposition gegen solche Anmaßungen geltend.
Der Jndustrialismus hat allerdings die großen Bedrängnisse mehr¬
fach herbeigeführt und er muß sie demnach schön kennen, aber eine
andere Frage ist es, ob er redlich entschlossen ist, sie aufzuheben. Die¬
ses bezweifeln wir entschieden, der Jndustriealismus, selbst wenn er
es wollte, würde eine solche That nicht vermögen oder er müßte denn
sein eignes Wesen aufgeben. Daran denkt er bekanntlich nicht; er
will keine gründliche Erörterung der Frage, keine Leitung von innen
heraus, er will, um seinen studiis <mo zu erhalten, kleine Concessionen
machen, Spar- und Prämicnkassen errichten, und wenn er verlangt,
daß ihm die Rettung des Volkes besonders anvertraut werde, ihm,
der zu dem Volke in keiner humanen, sondern nur in einer rein und
kalt geschäftlichen Verbindung steht, so ist das, als wenn die Katze
sich um die Krankenpflege der Mäuse bemühen würde. Der große
Jndustrialismus ist der entschiedenste Feind des Berliner Localvercins.
Anders ist die Stellung des provisorischen Comites zu beachten. In
ihm ist wirklich guter Wille vorhanden gewesen, allein es hatte sich
von vorn herein die Absicht gesetzt, den großen Zweck, den es gilt, im
engen Kreise der bestehenden Austande zu erreichen, deshalb die Furcht
vor einem Verbote der Negierung, deshalb zuweilen die Herrschsucht
und Eigenmächtigkeit, mit der es der Generalversammlung gegenüber
trat, deshalb die Ueberschreitung aller parlamentarischen Formen, die
der Präsident sich mehrfach zu Schulden kommen ließ. Das Somit"',
fürchtete den Machtspruch der Negierung, indem es vergaß, daß dieser
selbst daran liegen muß, eine Constituirung der Vereine herbeizuführen
und dem Pauperismus gegenüber nicht die ausschließliche Verantwort¬
lichkeit zu tragen, es wollte eine Bestätigung des Vereins u, tont piix
und als es zu seinem Entsetzen bemerkte, daß die Generalversamm¬
lung sich über die kleinen Bedenklichkeiten des preußischen Beamten¬
staatslebens hinwegzusetzen begann, sing es an, als in der Minorität
gebliebene Partei gegen den entschiedenen Willen der Generalver¬
sammlung zu intriguiren. Es lag ihm alles daran, die zwei Be-
zirksberathungen jedes Vierteljahres, dieses einzige volksthümliche Cle-


versetzen, daß der wichtigste 8, welcher an dem einen Abend mit ent¬
schiedener Majorität angenommen und in dem zwei Bezirksberathungen
für jedes Bierteljahr festgesetzt worden, von derselben Majorität schon
an dem folgenden Abend wieder verworfen wurde. Dergleichen ist
nicht geeignet, Vertrauen einzuflößen. Der Jndustrialismus, welchem
die tiefe Ergründung der Armenfrage zuwider ist, da seine Stellun¬
gen und seine Verhältnisse bei einer solchen Gelegenheit, mehr als ihm
lieb und vortheilhaft, beleuchtet würden, suchte geradewegs für sich
besondere Vorrechte in Anspruch zu nehmen und den Verein ganz und
gar in seine Gewalt zu bekommen, indem er behauptete, er kenne die
Bedürfnisse und Bedrängnisse des Volkes am besten. Natürlich machte
sich eine entschiedene Opposition gegen solche Anmaßungen geltend.
Der Jndustrialismus hat allerdings die großen Bedrängnisse mehr¬
fach herbeigeführt und er muß sie demnach schön kennen, aber eine
andere Frage ist es, ob er redlich entschlossen ist, sie aufzuheben. Die¬
ses bezweifeln wir entschieden, der Jndustriealismus, selbst wenn er
es wollte, würde eine solche That nicht vermögen oder er müßte denn
sein eignes Wesen aufgeben. Daran denkt er bekanntlich nicht; er
will keine gründliche Erörterung der Frage, keine Leitung von innen
heraus, er will, um seinen studiis <mo zu erhalten, kleine Concessionen
machen, Spar- und Prämicnkassen errichten, und wenn er verlangt,
daß ihm die Rettung des Volkes besonders anvertraut werde, ihm,
der zu dem Volke in keiner humanen, sondern nur in einer rein und
kalt geschäftlichen Verbindung steht, so ist das, als wenn die Katze
sich um die Krankenpflege der Mäuse bemühen würde. Der große
Jndustrialismus ist der entschiedenste Feind des Berliner Localvercins.
Anders ist die Stellung des provisorischen Comites zu beachten. In
ihm ist wirklich guter Wille vorhanden gewesen, allein es hatte sich
von vorn herein die Absicht gesetzt, den großen Zweck, den es gilt, im
engen Kreise der bestehenden Austande zu erreichen, deshalb die Furcht
vor einem Verbote der Negierung, deshalb zuweilen die Herrschsucht
und Eigenmächtigkeit, mit der es der Generalversammlung gegenüber
trat, deshalb die Ueberschreitung aller parlamentarischen Formen, die
der Präsident sich mehrfach zu Schulden kommen ließ. Das Somit«',
fürchtete den Machtspruch der Negierung, indem es vergaß, daß dieser
selbst daran liegen muß, eine Constituirung der Vereine herbeizuführen
und dem Pauperismus gegenüber nicht die ausschließliche Verantwort¬
lichkeit zu tragen, es wollte eine Bestätigung des Vereins u, tont piix
und als es zu seinem Entsetzen bemerkte, daß die Generalversamm¬
lung sich über die kleinen Bedenklichkeiten des preußischen Beamten¬
staatslebens hinwegzusetzen begann, sing es an, als in der Minorität
gebliebene Partei gegen den entschiedenen Willen der Generalver¬
sammlung zu intriguiren. Es lag ihm alles daran, die zwei Be-
zirksberathungen jedes Vierteljahres, dieses einzige volksthümliche Cle-


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[0287] versetzen, daß der wichtigste 8, welcher an dem einen Abend mit ent¬ schiedener Majorität angenommen und in dem zwei Bezirksberathungen für jedes Bierteljahr festgesetzt worden, von derselben Majorität schon an dem folgenden Abend wieder verworfen wurde. Dergleichen ist nicht geeignet, Vertrauen einzuflößen. Der Jndustrialismus, welchem die tiefe Ergründung der Armenfrage zuwider ist, da seine Stellun¬ gen und seine Verhältnisse bei einer solchen Gelegenheit, mehr als ihm lieb und vortheilhaft, beleuchtet würden, suchte geradewegs für sich besondere Vorrechte in Anspruch zu nehmen und den Verein ganz und gar in seine Gewalt zu bekommen, indem er behauptete, er kenne die Bedürfnisse und Bedrängnisse des Volkes am besten. Natürlich machte sich eine entschiedene Opposition gegen solche Anmaßungen geltend. Der Jndustrialismus hat allerdings die großen Bedrängnisse mehr¬ fach herbeigeführt und er muß sie demnach schön kennen, aber eine andere Frage ist es, ob er redlich entschlossen ist, sie aufzuheben. Die¬ ses bezweifeln wir entschieden, der Jndustriealismus, selbst wenn er es wollte, würde eine solche That nicht vermögen oder er müßte denn sein eignes Wesen aufgeben. Daran denkt er bekanntlich nicht; er will keine gründliche Erörterung der Frage, keine Leitung von innen heraus, er will, um seinen studiis <mo zu erhalten, kleine Concessionen machen, Spar- und Prämicnkassen errichten, und wenn er verlangt, daß ihm die Rettung des Volkes besonders anvertraut werde, ihm, der zu dem Volke in keiner humanen, sondern nur in einer rein und kalt geschäftlichen Verbindung steht, so ist das, als wenn die Katze sich um die Krankenpflege der Mäuse bemühen würde. Der große Jndustrialismus ist der entschiedenste Feind des Berliner Localvercins. Anders ist die Stellung des provisorischen Comites zu beachten. In ihm ist wirklich guter Wille vorhanden gewesen, allein es hatte sich von vorn herein die Absicht gesetzt, den großen Zweck, den es gilt, im engen Kreise der bestehenden Austande zu erreichen, deshalb die Furcht vor einem Verbote der Negierung, deshalb zuweilen die Herrschsucht und Eigenmächtigkeit, mit der es der Generalversammlung gegenüber trat, deshalb die Ueberschreitung aller parlamentarischen Formen, die der Präsident sich mehrfach zu Schulden kommen ließ. Das Somit«', fürchtete den Machtspruch der Negierung, indem es vergaß, daß dieser selbst daran liegen muß, eine Constituirung der Vereine herbeizuführen und dem Pauperismus gegenüber nicht die ausschließliche Verantwort¬ lichkeit zu tragen, es wollte eine Bestätigung des Vereins u, tont piix und als es zu seinem Entsetzen bemerkte, daß die Generalversamm¬ lung sich über die kleinen Bedenklichkeiten des preußischen Beamten¬ staatslebens hinwegzusetzen begann, sing es an, als in der Minorität gebliebene Partei gegen den entschiedenen Willen der Generalver¬ sammlung zu intriguiren. Es lag ihm alles daran, die zwei Be- zirksberathungen jedes Vierteljahres, dieses einzige volksthümliche Cle-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/287>, abgerufen am 22.07.2024.