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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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gleurkunftstücke angewendet und sich in coquetten Paradoxen gefallen;
das christlich-germanische Gemüth des Herrn Huber, als es die rothe
Farbe des Jacobinerthums nun von ferne gewittert, bekam sogleich
den Koller und da dieses edle Gemüth sich nicht an die Poliz i wen¬
den konnte, so hat es sich an die Deutsche Allgemeine Zeitung und
den Rheinischen Beobachter gewendet. Man glaube indeß auswärts
nicht, daß Herr Huber der große Mann ist, dem sich die preußische
Negierung zur Vertheidigung ihres Prinzipes in die Arme geworfen.
Herr Huber, der sich überall in Mißverhältnisse hineingebracht hat und
ver Nichts lieber wollte, als Marburg verlassen, hat sich der Regie¬
rung weit mehr angetragen, als daß sie ihn gesucht hat und sie wird
ihn jedenfalls, ihn, diesen Bavard des Conservatismus, bald wieder
fallen lassen, da er schon angefangen hat, in seinem Janus, der, bei¬
läufig gesagt, hier nirgend gehalten wird, Prinzipien zu vertheidigen und
Verdächtigungen auszustreuen, denen die preußische Regierung, der
Natur der Sache nach, ihre Beistimmung nothwendig wird versagen
müssen.

Obgleich Ihr Journal einen ausführlichen Bericht über die zweite
Generalversammlung des hiesigen Localvereines gebracht hat, so fühle
ich mich demungeachret nicht veranlaßt, eben so genau über die dritte
und vierte Generalversammlung zu referiren, welche in dieser Woche
stattfanden, und worin die Berathung der Statuten endlich geschlossen
wurde. Nur allgemeine Bemerkungen will ich mir erlauben; es sind
drei bedenkliche Elemente, zwischen denen die Zukunft des Localvereines
ruht, das Mißtrauen der arbeitenden Klassen selbst, das Mißtrauen
der hohen Industriellen, dann das Mißtrauen der Regierung. Wäh¬
rend man ihn in den untern Sphären, wo man vor Noth und Elend
den Glauben an Humanität verloren hat, verlacht und verspottet, hat
der hohe Jndustrialismus und die Regierung eine dumpfe Scheu, daß
er sich communistischen Tendenzen hingebe, ja sogar ein festes Wider¬
streben gegen den reinen Associationsgeist, diese edelste Blüthe der Ge¬
genwart, zu erkennen gegeben. Was kann unter solchen Bedingungen
werden? Die letzten Generalversammlungen haben uns gezeigt, wohin
man steuert, in der Besorgnis!, auf jene gefährlichen Prinzipien zu
stoßen. Die Arbeiter wollen eine That, sie glauben nicht mehr an
Worte, sie wollen eine Selbstbetheiligung bei dem großen Werke; diese
scheut man sich ihnen zu geben, man wird Nichts anderes einrichten,
als ein neues Bevormundungssystem. Bei der Fassung, welche man
den Statuten gegeben, ist an eine durchgreifende Wirksamkeit nicht zu
denken. Zwar war die Generalversammlung bemüht, in die büreau-
kratische Gliederung der Statuten ein volksthümliches Element zu
bringen, aber der große Jndustrialismus und das Eomitv, welches
von den Bedenklichkeiten der Negierung bestimmt worden, beide ver¬
eint, wußten der Generalversammlung solche Schläge in's Gesicht zu


gleurkunftstücke angewendet und sich in coquetten Paradoxen gefallen;
das christlich-germanische Gemüth des Herrn Huber, als es die rothe
Farbe des Jacobinerthums nun von ferne gewittert, bekam sogleich
den Koller und da dieses edle Gemüth sich nicht an die Poliz i wen¬
den konnte, so hat es sich an die Deutsche Allgemeine Zeitung und
den Rheinischen Beobachter gewendet. Man glaube indeß auswärts
nicht, daß Herr Huber der große Mann ist, dem sich die preußische
Negierung zur Vertheidigung ihres Prinzipes in die Arme geworfen.
Herr Huber, der sich überall in Mißverhältnisse hineingebracht hat und
ver Nichts lieber wollte, als Marburg verlassen, hat sich der Regie¬
rung weit mehr angetragen, als daß sie ihn gesucht hat und sie wird
ihn jedenfalls, ihn, diesen Bavard des Conservatismus, bald wieder
fallen lassen, da er schon angefangen hat, in seinem Janus, der, bei¬
läufig gesagt, hier nirgend gehalten wird, Prinzipien zu vertheidigen und
Verdächtigungen auszustreuen, denen die preußische Regierung, der
Natur der Sache nach, ihre Beistimmung nothwendig wird versagen
müssen.

Obgleich Ihr Journal einen ausführlichen Bericht über die zweite
Generalversammlung des hiesigen Localvereines gebracht hat, so fühle
ich mich demungeachret nicht veranlaßt, eben so genau über die dritte
und vierte Generalversammlung zu referiren, welche in dieser Woche
stattfanden, und worin die Berathung der Statuten endlich geschlossen
wurde. Nur allgemeine Bemerkungen will ich mir erlauben; es sind
drei bedenkliche Elemente, zwischen denen die Zukunft des Localvereines
ruht, das Mißtrauen der arbeitenden Klassen selbst, das Mißtrauen
der hohen Industriellen, dann das Mißtrauen der Regierung. Wäh¬
rend man ihn in den untern Sphären, wo man vor Noth und Elend
den Glauben an Humanität verloren hat, verlacht und verspottet, hat
der hohe Jndustrialismus und die Regierung eine dumpfe Scheu, daß
er sich communistischen Tendenzen hingebe, ja sogar ein festes Wider¬
streben gegen den reinen Associationsgeist, diese edelste Blüthe der Ge¬
genwart, zu erkennen gegeben. Was kann unter solchen Bedingungen
werden? Die letzten Generalversammlungen haben uns gezeigt, wohin
man steuert, in der Besorgnis!, auf jene gefährlichen Prinzipien zu
stoßen. Die Arbeiter wollen eine That, sie glauben nicht mehr an
Worte, sie wollen eine Selbstbetheiligung bei dem großen Werke; diese
scheut man sich ihnen zu geben, man wird Nichts anderes einrichten,
als ein neues Bevormundungssystem. Bei der Fassung, welche man
den Statuten gegeben, ist an eine durchgreifende Wirksamkeit nicht zu
denken. Zwar war die Generalversammlung bemüht, in die büreau-
kratische Gliederung der Statuten ein volksthümliches Element zu
bringen, aber der große Jndustrialismus und das Eomitv, welches
von den Bedenklichkeiten der Negierung bestimmt worden, beide ver¬
eint, wußten der Generalversammlung solche Schläge in's Gesicht zu


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[0286] gleurkunftstücke angewendet und sich in coquetten Paradoxen gefallen; das christlich-germanische Gemüth des Herrn Huber, als es die rothe Farbe des Jacobinerthums nun von ferne gewittert, bekam sogleich den Koller und da dieses edle Gemüth sich nicht an die Poliz i wen¬ den konnte, so hat es sich an die Deutsche Allgemeine Zeitung und den Rheinischen Beobachter gewendet. Man glaube indeß auswärts nicht, daß Herr Huber der große Mann ist, dem sich die preußische Negierung zur Vertheidigung ihres Prinzipes in die Arme geworfen. Herr Huber, der sich überall in Mißverhältnisse hineingebracht hat und ver Nichts lieber wollte, als Marburg verlassen, hat sich der Regie¬ rung weit mehr angetragen, als daß sie ihn gesucht hat und sie wird ihn jedenfalls, ihn, diesen Bavard des Conservatismus, bald wieder fallen lassen, da er schon angefangen hat, in seinem Janus, der, bei¬ läufig gesagt, hier nirgend gehalten wird, Prinzipien zu vertheidigen und Verdächtigungen auszustreuen, denen die preußische Regierung, der Natur der Sache nach, ihre Beistimmung nothwendig wird versagen müssen. Obgleich Ihr Journal einen ausführlichen Bericht über die zweite Generalversammlung des hiesigen Localvereines gebracht hat, so fühle ich mich demungeachret nicht veranlaßt, eben so genau über die dritte und vierte Generalversammlung zu referiren, welche in dieser Woche stattfanden, und worin die Berathung der Statuten endlich geschlossen wurde. Nur allgemeine Bemerkungen will ich mir erlauben; es sind drei bedenkliche Elemente, zwischen denen die Zukunft des Localvereines ruht, das Mißtrauen der arbeitenden Klassen selbst, das Mißtrauen der hohen Industriellen, dann das Mißtrauen der Regierung. Wäh¬ rend man ihn in den untern Sphären, wo man vor Noth und Elend den Glauben an Humanität verloren hat, verlacht und verspottet, hat der hohe Jndustrialismus und die Regierung eine dumpfe Scheu, daß er sich communistischen Tendenzen hingebe, ja sogar ein festes Wider¬ streben gegen den reinen Associationsgeist, diese edelste Blüthe der Ge¬ genwart, zu erkennen gegeben. Was kann unter solchen Bedingungen werden? Die letzten Generalversammlungen haben uns gezeigt, wohin man steuert, in der Besorgnis!, auf jene gefährlichen Prinzipien zu stoßen. Die Arbeiter wollen eine That, sie glauben nicht mehr an Worte, sie wollen eine Selbstbetheiligung bei dem großen Werke; diese scheut man sich ihnen zu geben, man wird Nichts anderes einrichten, als ein neues Bevormundungssystem. Bei der Fassung, welche man den Statuten gegeben, ist an eine durchgreifende Wirksamkeit nicht zu denken. Zwar war die Generalversammlung bemüht, in die büreau- kratische Gliederung der Statuten ein volksthümliches Element zu bringen, aber der große Jndustrialismus und das Eomitv, welches von den Bedenklichkeiten der Negierung bestimmt worden, beide ver¬ eint, wußten der Generalversammlung solche Schläge in's Gesicht zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/286>, abgerufen am 22.07.2024.