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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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eine solche Reform höchst mangelhaft und müßte den entschiedenste"
Tadel herausfordern, da sie allzusehr das Gepräge des Zufalls und
der Willkür an sich trüge, um derlei Anfeindungen nach allen Seiten
hin gewappnet begegnen zu können, indem nicht einmal die sämmt¬
lichen Colonialproducte vorerst mit einbegriffen sind, sondern versuchs¬
weise blos jene, von welchen man eine bedeutende Steigerung des
Verbrauchs hoffen zu dürfen glaubt.

Die mittelst der genannten Hofkami^erverordnung im Zoll er¬
mäßigten Gegenstände sind: Baumwollengarn, Baumwollenzwirn und
selbst Baumwollenwaaren, Kaffee und dessen Surrogate, Kupferzünd¬
hütchen, Ammoniak und Salmiak, Natron und Salpeter, alle Salze
und Säuren, dann Uhren aller Art mit Ausnahme der Holzuhren,
welche einen Nahrungszweig armer Gebirgsbewohner bilden und
darum ausgeschlossen bleiben mußten, und endlich auch Uhrenbe¬
standtheile.

Was nun die Baumwolle betrifft, die gegenwärtig der wichtigste
Industrieartikel ist und allein in Oesterreich über siebzigtausend
Spindeln beschäftigt, so muß es Jedermann auffallen, daß der Roh¬
stoff belastet bleibt, während die stufenweisen Producte befreit wer¬
den. Zwar hat die Regierung das Versprechen hinzugefügt, daß in
Hinsicht der rohen Baumwolle im Nächsten das Erforderliche verfügt
werden solle, allein sür jetzt ist in der Sache Nichts geschehen, und
man scheint den plötzlichen Ausfall in den Zolleinkünften zu scheuen.
Wie dem auch sei, man wird sich trotzdem zu dieser, von der Ver¬
nunft gebotenen Maßregel bequemen müssen, und je länger man da¬
mit zaudert, desto mehr wüchet man nur im eigenen Fleisch. Die
blutige Lehre, welche die Arbeiteremeuten in Böhmen enthalten, wird
sicherlich nicht verloren gehen und der Fabrikherr in den Stand gesetzt
werden, durch den Bezug wohlfeileren Materials viele Menschen be¬
schäftigen und ihnen einen ausreichenden Taglohn zahlen zu können.
Man sucht die Ursache solcher bedauerlicher Vorfälle nur zu gern in
den Individuen, gegen die sich die blinde Wuth der urtheilslosen
Menge unmittelbar richtet, und scheint nicht bemerken zu wollen, wie
der eigentliche Grund des Uebels häufig in der Art der Besteuerung
und in den Zollsätzen zu finden ist. Es unterliegt gar keinem Zwei¬
fel, daß nur die gänzlich zollfreie Einfuhr der rohen Baumwolle das
Endziel aller probeweise,: Zollerlcichterungen sein kann und nur sie


eine solche Reform höchst mangelhaft und müßte den entschiedenste»
Tadel herausfordern, da sie allzusehr das Gepräge des Zufalls und
der Willkür an sich trüge, um derlei Anfeindungen nach allen Seiten
hin gewappnet begegnen zu können, indem nicht einmal die sämmt¬
lichen Colonialproducte vorerst mit einbegriffen sind, sondern versuchs¬
weise blos jene, von welchen man eine bedeutende Steigerung des
Verbrauchs hoffen zu dürfen glaubt.

Die mittelst der genannten Hofkami^erverordnung im Zoll er¬
mäßigten Gegenstände sind: Baumwollengarn, Baumwollenzwirn und
selbst Baumwollenwaaren, Kaffee und dessen Surrogate, Kupferzünd¬
hütchen, Ammoniak und Salmiak, Natron und Salpeter, alle Salze
und Säuren, dann Uhren aller Art mit Ausnahme der Holzuhren,
welche einen Nahrungszweig armer Gebirgsbewohner bilden und
darum ausgeschlossen bleiben mußten, und endlich auch Uhrenbe¬
standtheile.

Was nun die Baumwolle betrifft, die gegenwärtig der wichtigste
Industrieartikel ist und allein in Oesterreich über siebzigtausend
Spindeln beschäftigt, so muß es Jedermann auffallen, daß der Roh¬
stoff belastet bleibt, während die stufenweisen Producte befreit wer¬
den. Zwar hat die Regierung das Versprechen hinzugefügt, daß in
Hinsicht der rohen Baumwolle im Nächsten das Erforderliche verfügt
werden solle, allein sür jetzt ist in der Sache Nichts geschehen, und
man scheint den plötzlichen Ausfall in den Zolleinkünften zu scheuen.
Wie dem auch sei, man wird sich trotzdem zu dieser, von der Ver¬
nunft gebotenen Maßregel bequemen müssen, und je länger man da¬
mit zaudert, desto mehr wüchet man nur im eigenen Fleisch. Die
blutige Lehre, welche die Arbeiteremeuten in Böhmen enthalten, wird
sicherlich nicht verloren gehen und der Fabrikherr in den Stand gesetzt
werden, durch den Bezug wohlfeileren Materials viele Menschen be¬
schäftigen und ihnen einen ausreichenden Taglohn zahlen zu können.
Man sucht die Ursache solcher bedauerlicher Vorfälle nur zu gern in
den Individuen, gegen die sich die blinde Wuth der urtheilslosen
Menge unmittelbar richtet, und scheint nicht bemerken zu wollen, wie
der eigentliche Grund des Uebels häufig in der Art der Besteuerung
und in den Zollsätzen zu finden ist. Es unterliegt gar keinem Zwei¬
fel, daß nur die gänzlich zollfreie Einfuhr der rohen Baumwolle das
Endziel aller probeweise,: Zollerlcichterungen sein kann und nur sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/28>, abgerufen am 22.07.2024.