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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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das beste Zeugniß. Hatten sie gleich ein heidnisches Maul, so wa¬
ren sie doch beim Löschen in ihrer Christenpflicht nicht faul gewesen.
Alsbald schoben sie Tisch und Bänke bei Seite, um zu einem Tänz¬
chen den Raum zu gewinnen. Die grämlichen Alten von der Dorf¬
gemeinde schlichen bei Seite, muntere Dirnen waren bald genug bei
der Hand, während die Bauernbursche das Glück der Soldaten mit
neidischen Augen duldeten.

Der Hufschlag von Pferden unterbrach die Scene. Einige Män¬
ner in Jagdkleidern, ganz durchnäßt, traten mit Geräusch in's Zim¬
mer. Eine hohe, bevorzugte Gestalt, um welche sich die andern dräng¬
ten, stand mitten im Raum und schien nicht ohne Wohlgefallen die
Haufen fröhlicher Leute zu mustern. "Der Herr Reichsgraf!" schrie
der Wirth wie vor Entsetzen und stürzte auf die Musikanten ein, die
für die Husaren so eben einen frischen Walzer begannen. Bei der
plötzlichen Stille im Saale waren Aller Augen auf den gestrengen
Herrn gerichtet, der nur ungern das lustige Gesindel störte. So gra¬
vitätisch ehrbar die struppigen Brauen über den tiefliegenden forschen¬
den Augen hingen, so gutmüthig schien doch der lächelnde Zug um
seine Lippen. "Ich hab' es gern," nahm er das Wort, "wenn es nach
gethaner Arbeit lustig hergeht im Volk. Aber da Ihr mich einmal
erkannt habt," rief er dem Wirth zu und schlug ihm mit der flachen
Hand derb auf die Schulter, "so will ich Euch Allen hier eine gute
Lehre geben. Ruft mir die Aeltesten von der Dochchaft zusammen.
-- Und Ihr da, Schnauzbärte Sr. Majestät von Preußen, ein Wort
mit Euch! ^

Die Soldaten hatten sich bei der Erscheinung des Reichsgrafen
in den Hintergrund zurückgezogen und bezeigten wenig Lust, seiner
Anrede Gehör zu schenken. Einige zogen rasch die grauen Kittel über
die Uniform.

"Achtung! Front gemacht!" rief der Fürst jetzt mit starker Com-
mandvstimme, und die Husaren standen plötzlich wie eine Mauer vor
ihm, "Meint Ihr, Kerle, hier wie die Wölfe in Schafskleidern um¬
zuwandeln?" herrschte er ihnen zu, nachdem er jeden Einzelnen von
Kopf zu Fuß gemustert. "Ihr habt drüben im Dorf löschen helfen,
dafür sollt Ihr heute meine Gäste sein und die Zeche frei haben,
Ich kann heut noch aus das Wohl Eures Königs trinken, denn noch
ist er nicht nach der Form Rechtens in römisch-deutschen Landen zum


das beste Zeugniß. Hatten sie gleich ein heidnisches Maul, so wa¬
ren sie doch beim Löschen in ihrer Christenpflicht nicht faul gewesen.
Alsbald schoben sie Tisch und Bänke bei Seite, um zu einem Tänz¬
chen den Raum zu gewinnen. Die grämlichen Alten von der Dorf¬
gemeinde schlichen bei Seite, muntere Dirnen waren bald genug bei
der Hand, während die Bauernbursche das Glück der Soldaten mit
neidischen Augen duldeten.

Der Hufschlag von Pferden unterbrach die Scene. Einige Män¬
ner in Jagdkleidern, ganz durchnäßt, traten mit Geräusch in's Zim¬
mer. Eine hohe, bevorzugte Gestalt, um welche sich die andern dräng¬
ten, stand mitten im Raum und schien nicht ohne Wohlgefallen die
Haufen fröhlicher Leute zu mustern. „Der Herr Reichsgraf!" schrie
der Wirth wie vor Entsetzen und stürzte auf die Musikanten ein, die
für die Husaren so eben einen frischen Walzer begannen. Bei der
plötzlichen Stille im Saale waren Aller Augen auf den gestrengen
Herrn gerichtet, der nur ungern das lustige Gesindel störte. So gra¬
vitätisch ehrbar die struppigen Brauen über den tiefliegenden forschen¬
den Augen hingen, so gutmüthig schien doch der lächelnde Zug um
seine Lippen. „Ich hab' es gern," nahm er das Wort, „wenn es nach
gethaner Arbeit lustig hergeht im Volk. Aber da Ihr mich einmal
erkannt habt," rief er dem Wirth zu und schlug ihm mit der flachen
Hand derb auf die Schulter, „so will ich Euch Allen hier eine gute
Lehre geben. Ruft mir die Aeltesten von der Dochchaft zusammen.
— Und Ihr da, Schnauzbärte Sr. Majestät von Preußen, ein Wort
mit Euch! ^

Die Soldaten hatten sich bei der Erscheinung des Reichsgrafen
in den Hintergrund zurückgezogen und bezeigten wenig Lust, seiner
Anrede Gehör zu schenken. Einige zogen rasch die grauen Kittel über
die Uniform.

„Achtung! Front gemacht!" rief der Fürst jetzt mit starker Com-
mandvstimme, und die Husaren standen plötzlich wie eine Mauer vor
ihm, „Meint Ihr, Kerle, hier wie die Wölfe in Schafskleidern um¬
zuwandeln?" herrschte er ihnen zu, nachdem er jeden Einzelnen von
Kopf zu Fuß gemustert. „Ihr habt drüben im Dorf löschen helfen,
dafür sollt Ihr heute meine Gäste sein und die Zeche frei haben,
Ich kann heut noch aus das Wohl Eures Königs trinken, denn noch
ist er nicht nach der Form Rechtens in römisch-deutschen Landen zum


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[0263] das beste Zeugniß. Hatten sie gleich ein heidnisches Maul, so wa¬ ren sie doch beim Löschen in ihrer Christenpflicht nicht faul gewesen. Alsbald schoben sie Tisch und Bänke bei Seite, um zu einem Tänz¬ chen den Raum zu gewinnen. Die grämlichen Alten von der Dorf¬ gemeinde schlichen bei Seite, muntere Dirnen waren bald genug bei der Hand, während die Bauernbursche das Glück der Soldaten mit neidischen Augen duldeten. Der Hufschlag von Pferden unterbrach die Scene. Einige Män¬ ner in Jagdkleidern, ganz durchnäßt, traten mit Geräusch in's Zim¬ mer. Eine hohe, bevorzugte Gestalt, um welche sich die andern dräng¬ ten, stand mitten im Raum und schien nicht ohne Wohlgefallen die Haufen fröhlicher Leute zu mustern. „Der Herr Reichsgraf!" schrie der Wirth wie vor Entsetzen und stürzte auf die Musikanten ein, die für die Husaren so eben einen frischen Walzer begannen. Bei der plötzlichen Stille im Saale waren Aller Augen auf den gestrengen Herrn gerichtet, der nur ungern das lustige Gesindel störte. So gra¬ vitätisch ehrbar die struppigen Brauen über den tiefliegenden forschen¬ den Augen hingen, so gutmüthig schien doch der lächelnde Zug um seine Lippen. „Ich hab' es gern," nahm er das Wort, „wenn es nach gethaner Arbeit lustig hergeht im Volk. Aber da Ihr mich einmal erkannt habt," rief er dem Wirth zu und schlug ihm mit der flachen Hand derb auf die Schulter, „so will ich Euch Allen hier eine gute Lehre geben. Ruft mir die Aeltesten von der Dochchaft zusammen. — Und Ihr da, Schnauzbärte Sr. Majestät von Preußen, ein Wort mit Euch! ^ Die Soldaten hatten sich bei der Erscheinung des Reichsgrafen in den Hintergrund zurückgezogen und bezeigten wenig Lust, seiner Anrede Gehör zu schenken. Einige zogen rasch die grauen Kittel über die Uniform. „Achtung! Front gemacht!" rief der Fürst jetzt mit starker Com- mandvstimme, und die Husaren standen plötzlich wie eine Mauer vor ihm, „Meint Ihr, Kerle, hier wie die Wölfe in Schafskleidern um¬ zuwandeln?" herrschte er ihnen zu, nachdem er jeden Einzelnen von Kopf zu Fuß gemustert. „Ihr habt drüben im Dorf löschen helfen, dafür sollt Ihr heute meine Gäste sein und die Zeche frei haben, Ich kann heut noch aus das Wohl Eures Königs trinken, denn noch ist er nicht nach der Form Rechtens in römisch-deutschen Landen zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/263>, abgerufen am 23.07.2024.