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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Kaste" und schleuderte seinen Kirchenbann und seine Blitze. Aber
sein Mund verstummte plötzlich und es schien ihn selbst zu überraschen,
als der Donner des Himmels, den er auf die Uebelthäter herabrief,
ihm wirklich Red' und Antwort stand. Wie eine Lawine sich von
den Bergen lost, so hatte sich aus der Ferne ein dunkles Gemurmel
immer näher herangewälzt, bis es sich mit Sturmesgehcul in einem
lauten Krachen entlud. Auf einen Augenblick stand die Kirche in
Flammen; rasch folgten dann hinter einander mehrere gewaltige
Schläge; Alles schrie laut auf in der Angst, das Gebäude mochte
bersten und in Trümmern über die ganze Gemeinde zusammenstürzen.
Die Menge brach tumultuarisch aus einander, Jeder drängte in'ö
Freie hinaus; man kam erst draußen wieder zur Besinnung. "In
der Nähe hat es eingeschlagen, trans, trans!" schrien die Husaren,
die den Pfarrer suchten. Dieser ließ sich aber nirgends erblicken.
Wir eilten nach der nahen Anhöhe, von wo man die Gegend über¬
blicken konnte. Links und rechts, vor und hinter uns stiegen Flammen¬
säulen auf. Der Blitz hatte auf verschiedenen Punkten in der Nach¬
barschaft gezündet. Jung und Alt war jetzt bereit, dem nächsten Orte
zu Hilfe zu eilen. Spritzen und Leitern wurden hervorgesucht und
der prasselnde Negen, der sich plötzlich in Strömen ergoß, hielt uns
nicht ab, den Zug zu begleiten.

Erst in der Nacht kehrten wir heim; das Feuer schien auf allen
Punkten glücklich gelöscht! Die Schenke wimmelte von Leuten, die
auf die verschiedenste Weise von dem Unglück berichteten, das, seltsam
genug, sechs bambergische Dorfkirchen getroffen, während sämmtliche
protestantische Kirchthürme, die ganz dicht und zerstreut dazwischen
liegen, verschont blieben. Die preußischen Werber, die sich auch hier
wieder eingefunden, saßen am runden Tisch mitten in der Stube,
zechten und lachten über den Fluch, den der Herr Pfarrer auf sie
herabgedonnert. "Unser Herrgott," schrien sie, die Mützen schwen¬
kend, "weiß besser, wen er treffen soll!" Ein Theil der Bauern be¬
kreuzte sich vor ihnen, andere beriethen sich, um die frechen Gesellen
hinauszuwerfen; aber Niemand wagte sich an sie. Sie hatten ohne¬
dies beim Brande im nächsten Dorf wacker Hand angelegt und sich
das trockne Plätzchen in der Schenke gar wohl verdient. Sie saßen
jetzt frei und frank in ihren Pelzjacken da, und die abgeworfenen nas¬
sen Bauernkittel, die am Ofen zum Trocknen hingen, lieferten ihnen


Kaste» und schleuderte seinen Kirchenbann und seine Blitze. Aber
sein Mund verstummte plötzlich und es schien ihn selbst zu überraschen,
als der Donner des Himmels, den er auf die Uebelthäter herabrief,
ihm wirklich Red' und Antwort stand. Wie eine Lawine sich von
den Bergen lost, so hatte sich aus der Ferne ein dunkles Gemurmel
immer näher herangewälzt, bis es sich mit Sturmesgehcul in einem
lauten Krachen entlud. Auf einen Augenblick stand die Kirche in
Flammen; rasch folgten dann hinter einander mehrere gewaltige
Schläge; Alles schrie laut auf in der Angst, das Gebäude mochte
bersten und in Trümmern über die ganze Gemeinde zusammenstürzen.
Die Menge brach tumultuarisch aus einander, Jeder drängte in'ö
Freie hinaus; man kam erst draußen wieder zur Besinnung. „In
der Nähe hat es eingeschlagen, trans, trans!" schrien die Husaren,
die den Pfarrer suchten. Dieser ließ sich aber nirgends erblicken.
Wir eilten nach der nahen Anhöhe, von wo man die Gegend über¬
blicken konnte. Links und rechts, vor und hinter uns stiegen Flammen¬
säulen auf. Der Blitz hatte auf verschiedenen Punkten in der Nach¬
barschaft gezündet. Jung und Alt war jetzt bereit, dem nächsten Orte
zu Hilfe zu eilen. Spritzen und Leitern wurden hervorgesucht und
der prasselnde Negen, der sich plötzlich in Strömen ergoß, hielt uns
nicht ab, den Zug zu begleiten.

Erst in der Nacht kehrten wir heim; das Feuer schien auf allen
Punkten glücklich gelöscht! Die Schenke wimmelte von Leuten, die
auf die verschiedenste Weise von dem Unglück berichteten, das, seltsam
genug, sechs bambergische Dorfkirchen getroffen, während sämmtliche
protestantische Kirchthürme, die ganz dicht und zerstreut dazwischen
liegen, verschont blieben. Die preußischen Werber, die sich auch hier
wieder eingefunden, saßen am runden Tisch mitten in der Stube,
zechten und lachten über den Fluch, den der Herr Pfarrer auf sie
herabgedonnert. „Unser Herrgott," schrien sie, die Mützen schwen¬
kend, „weiß besser, wen er treffen soll!" Ein Theil der Bauern be¬
kreuzte sich vor ihnen, andere beriethen sich, um die frechen Gesellen
hinauszuwerfen; aber Niemand wagte sich an sie. Sie hatten ohne¬
dies beim Brande im nächsten Dorf wacker Hand angelegt und sich
das trockne Plätzchen in der Schenke gar wohl verdient. Sie saßen
jetzt frei und frank in ihren Pelzjacken da, und die abgeworfenen nas¬
sen Bauernkittel, die am Ofen zum Trocknen hingen, lieferten ihnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/262>, abgerufen am 22.07.2024.