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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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schwebend, leuchtete blos mit einem schwachen blassen schwankenden
Lichte, ähnlich dem schreckhaften Lächeln des Schicksals, das seine
Beute faßt, -- sie leuchtete wie der Schein der Lampe, von der Hand
eines Verfolgten in die tödtende Lust einer Schrcckenshöhle gesetzt,
wo faulende Leichen und hohnlachende Skelette ....

-- Was soll All dies bedeuten? rief Satanas erstaunt aus.

-- Das bedeutet ?!!!!?... daß ich den Schnupfen hatte,
antwortete Teufel Interpunktion.

-- Ach, du Vagabund! es ist höchste Zeit, daß du aufhörst,
leeres Stroh zu dreschen und mit mir nur in Frage- und Ausru-
fungszeichen zu sprechen. Um mich vor Langeweile zu schützen, sehe
ich mich gezwungen, eine große, wichtige Staatsmaßregel zu ergrei¬
sen. Von nun an sind in meinem Gebiete die Romantik und die
Klassizität förmlich aufgehoben, da beide Gattungen unsinnig, ge¬
schmacklos, lügenhaft, ja lügenhaft wie der Teufel selbst sind.

-- In welchem Style sollen wir nun mit Ew. Finsterniß reden,
da wir nur klassisch oder romantisch sprechen können? fragte der Li¬
teraturteufel.

-- Ich gründe selbst Kraft meiner Macht eine neue Schule der
Literatur, die Sachliche. Ihr sollt von nun an nur zur Sache
sprechen, d. h. einfach, vernünftig, natürlich, kräftig, ohne Schwulst,
originell ohne Leichen, Henker und Charlatanerie; angenehm ohne
Tituöperioden und Geschraubtheiten, vielseitig ohne mythologische oder
mittelalterliche Phrasen, verständig ohne veraltete Antithesen und ohne
die heutige Spitzbüberei in Worten und Gedanken. Verstanden? Das
ist meine Erfindung!

-- Einfach, natürlich, vernünftig reden, wiederholte der Litera¬
turteufel, das ist eine wahrhaft teuflische Erfindung. Wir können nur
klassisch oder romantisch schreiben, nach den bereits bestehenden For¬
men und Systemen. Anders läßt sich's auf Erden nicht ausführen.
Ew. Finsterniß glauben, daß die Menschen heut zu Tage eine so
höllische Einbildungskraft haben. Das ist durchaus nicht der Fall.
Sie können nur schlecht nachahmen, nachäffen . . . Früher ahmten
sie dem griechischen Alterthume nach und verdrehten es fürchterlich;
jetzt sind sie auf's Englische verfallen. Fangen die Menschen an, ein¬
fach und vernünftig zu schreiben, so sind wir Teufel alsogleich verbannt.


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schwebend, leuchtete blos mit einem schwachen blassen schwankenden
Lichte, ähnlich dem schreckhaften Lächeln des Schicksals, das seine
Beute faßt, — sie leuchtete wie der Schein der Lampe, von der Hand
eines Verfolgten in die tödtende Lust einer Schrcckenshöhle gesetzt,
wo faulende Leichen und hohnlachende Skelette ....

— Was soll All dies bedeuten? rief Satanas erstaunt aus.

— Das bedeutet ?!!!!?... daß ich den Schnupfen hatte,
antwortete Teufel Interpunktion.

— Ach, du Vagabund! es ist höchste Zeit, daß du aufhörst,
leeres Stroh zu dreschen und mit mir nur in Frage- und Ausru-
fungszeichen zu sprechen. Um mich vor Langeweile zu schützen, sehe
ich mich gezwungen, eine große, wichtige Staatsmaßregel zu ergrei¬
sen. Von nun an sind in meinem Gebiete die Romantik und die
Klassizität förmlich aufgehoben, da beide Gattungen unsinnig, ge¬
schmacklos, lügenhaft, ja lügenhaft wie der Teufel selbst sind.

— In welchem Style sollen wir nun mit Ew. Finsterniß reden,
da wir nur klassisch oder romantisch sprechen können? fragte der Li¬
teraturteufel.

— Ich gründe selbst Kraft meiner Macht eine neue Schule der
Literatur, die Sachliche. Ihr sollt von nun an nur zur Sache
sprechen, d. h. einfach, vernünftig, natürlich, kräftig, ohne Schwulst,
originell ohne Leichen, Henker und Charlatanerie; angenehm ohne
Tituöperioden und Geschraubtheiten, vielseitig ohne mythologische oder
mittelalterliche Phrasen, verständig ohne veraltete Antithesen und ohne
die heutige Spitzbüberei in Worten und Gedanken. Verstanden? Das
ist meine Erfindung!

— Einfach, natürlich, vernünftig reden, wiederholte der Litera¬
turteufel, das ist eine wahrhaft teuflische Erfindung. Wir können nur
klassisch oder romantisch schreiben, nach den bereits bestehenden For¬
men und Systemen. Anders läßt sich's auf Erden nicht ausführen.
Ew. Finsterniß glauben, daß die Menschen heut zu Tage eine so
höllische Einbildungskraft haben. Das ist durchaus nicht der Fall.
Sie können nur schlecht nachahmen, nachäffen . . . Früher ahmten
sie dem griechischen Alterthume nach und verdrehten es fürchterlich;
jetzt sind sie auf's Englische verfallen. Fangen die Menschen an, ein¬
fach und vernünftig zu schreiben, so sind wir Teufel alsogleich verbannt.


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[0237] schwebend, leuchtete blos mit einem schwachen blassen schwankenden Lichte, ähnlich dem schreckhaften Lächeln des Schicksals, das seine Beute faßt, — sie leuchtete wie der Schein der Lampe, von der Hand eines Verfolgten in die tödtende Lust einer Schrcckenshöhle gesetzt, wo faulende Leichen und hohnlachende Skelette .... — Was soll All dies bedeuten? rief Satanas erstaunt aus. — Das bedeutet ?!!!!?... daß ich den Schnupfen hatte, antwortete Teufel Interpunktion. — Ach, du Vagabund! es ist höchste Zeit, daß du aufhörst, leeres Stroh zu dreschen und mit mir nur in Frage- und Ausru- fungszeichen zu sprechen. Um mich vor Langeweile zu schützen, sehe ich mich gezwungen, eine große, wichtige Staatsmaßregel zu ergrei¬ sen. Von nun an sind in meinem Gebiete die Romantik und die Klassizität förmlich aufgehoben, da beide Gattungen unsinnig, ge¬ schmacklos, lügenhaft, ja lügenhaft wie der Teufel selbst sind. — In welchem Style sollen wir nun mit Ew. Finsterniß reden, da wir nur klassisch oder romantisch sprechen können? fragte der Li¬ teraturteufel. — Ich gründe selbst Kraft meiner Macht eine neue Schule der Literatur, die Sachliche. Ihr sollt von nun an nur zur Sache sprechen, d. h. einfach, vernünftig, natürlich, kräftig, ohne Schwulst, originell ohne Leichen, Henker und Charlatanerie; angenehm ohne Tituöperioden und Geschraubtheiten, vielseitig ohne mythologische oder mittelalterliche Phrasen, verständig ohne veraltete Antithesen und ohne die heutige Spitzbüberei in Worten und Gedanken. Verstanden? Das ist meine Erfindung! — Einfach, natürlich, vernünftig reden, wiederholte der Litera¬ turteufel, das ist eine wahrhaft teuflische Erfindung. Wir können nur klassisch oder romantisch schreiben, nach den bereits bestehenden For¬ men und Systemen. Anders läßt sich's auf Erden nicht ausführen. Ew. Finsterniß glauben, daß die Menschen heut zu Tage eine so höllische Einbildungskraft haben. Das ist durchaus nicht der Fall. Sie können nur schlecht nachahmen, nachäffen . . . Früher ahmten sie dem griechischen Alterthume nach und verdrehten es fürchterlich; jetzt sind sie auf's Englische verfallen. Fangen die Menschen an, ein¬ fach und vernünftig zu schreiben, so sind wir Teufel alsogleich verbannt. 30-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/237>, abgerufen am 23.07.2024.