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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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nahm sie und einer Hand und ergriff mit der andern einen nahe¬
stehenden Verdammten, einen Herausgeber fremder Werke mit Va¬
rianten und einem Kommentar, der beim Vergleiche der verschiedenen
Terte ausgetrocknet war, und endlich über ein Fragezeichen, das in einer
Handschrift irrthümlich statt eines Strichpunktes gehest worden, den
Verstand verlor. Diesen Verdammte!! hielt Satanas an die Nase
und nießte; Funken sprühten aus seinen Nüstern. Der trockene
Kommentator fremder Idee" stand sogleich in Flammen, und Sata¬
nas verrauchte mit ihm seine Pfeife, den Rest warf er auf den Boden
und löschte ihn mit dem Fuße aus. Der nicht verbrannte Theil deS
gelehrten Wortklaubers stellte das Bild eines Strichpunktes dar(;)!...
Alle Verdammten waren über sein schreckliches Schicksal sehr betrübt
und besonders von dem grausamen Despotismus ihres Gebieters er¬
griffen. Satanas rauchte ruhig sein Heu und sprach: der Gro߬
teufel der Literatur erscheine!




Er gleicht durchaus nicht den andern Teufeln: er ist ein Teufel
von guter Erziehung, in, all-edle Ix", lui; hoch, dünn, hager, sehr
schwarz und doch sehr blaß: er leidet an einer Modekrankheit und
sein Gesicht ist in einem Backenbartrahmen eingefaßt. Er trägt gelbe
Handschuhe und eine Atlaskravate. Trotz der Gegenwart des Höl¬
lenfürsten summte er doch eine Arie aus der neuesten Oper und
schlug mit dem Schwänze den Takt auf dem Boden. Er hatte das
Aussehen eines gelehrten Stutzers, und man erkannte in ihm beim
ersten Blicke den Romantiker, und zwar höherer Art, den Roman¬
tiker in vier Bänden, mit einem Prologe, Epiloge und einer eng¬
lischen Vignette.

-- Wie ist das Befinden, Teufel Jnterpunction? fragte Satanas.

-- !!....!! Unterthänigster Diener ....!!!...?!!
Euere höllische Finsterniß !!!....!!... Ach! . . ! ! Ich
habe gelitten ! ? ! -- Ich war sehr leidend ! ! !..... Eine
düstere Feuchtigkeit drang in die Wände meiner Seele: eine GrabeS-
kühle schlich sich wie der Verrath in mein Gehirn, und meine Phan¬
tasie, in diesem schweren kalten feuchten Nebel der Kränklichkeit


nahm sie und einer Hand und ergriff mit der andern einen nahe¬
stehenden Verdammten, einen Herausgeber fremder Werke mit Va¬
rianten und einem Kommentar, der beim Vergleiche der verschiedenen
Terte ausgetrocknet war, und endlich über ein Fragezeichen, das in einer
Handschrift irrthümlich statt eines Strichpunktes gehest worden, den
Verstand verlor. Diesen Verdammte!! hielt Satanas an die Nase
und nießte; Funken sprühten aus seinen Nüstern. Der trockene
Kommentator fremder Idee» stand sogleich in Flammen, und Sata¬
nas verrauchte mit ihm seine Pfeife, den Rest warf er auf den Boden
und löschte ihn mit dem Fuße aus. Der nicht verbrannte Theil deS
gelehrten Wortklaubers stellte das Bild eines Strichpunktes dar(;)!...
Alle Verdammten waren über sein schreckliches Schicksal sehr betrübt
und besonders von dem grausamen Despotismus ihres Gebieters er¬
griffen. Satanas rauchte ruhig sein Heu und sprach: der Gro߬
teufel der Literatur erscheine!




Er gleicht durchaus nicht den andern Teufeln: er ist ein Teufel
von guter Erziehung, in, all-edle Ix», lui; hoch, dünn, hager, sehr
schwarz und doch sehr blaß: er leidet an einer Modekrankheit und
sein Gesicht ist in einem Backenbartrahmen eingefaßt. Er trägt gelbe
Handschuhe und eine Atlaskravate. Trotz der Gegenwart des Höl¬
lenfürsten summte er doch eine Arie aus der neuesten Oper und
schlug mit dem Schwänze den Takt auf dem Boden. Er hatte das
Aussehen eines gelehrten Stutzers, und man erkannte in ihm beim
ersten Blicke den Romantiker, und zwar höherer Art, den Roman¬
tiker in vier Bänden, mit einem Prologe, Epiloge und einer eng¬
lischen Vignette.

— Wie ist das Befinden, Teufel Jnterpunction? fragte Satanas.

— !!....!! Unterthänigster Diener ....!!!...?!!
Euere höllische Finsterniß !!!....!!... Ach! . . ! ! Ich
habe gelitten ! ? ! — Ich war sehr leidend ! ! !..... Eine
düstere Feuchtigkeit drang in die Wände meiner Seele: eine GrabeS-
kühle schlich sich wie der Verrath in mein Gehirn, und meine Phan¬
tasie, in diesem schweren kalten feuchten Nebel der Kränklichkeit


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[0236] nahm sie und einer Hand und ergriff mit der andern einen nahe¬ stehenden Verdammten, einen Herausgeber fremder Werke mit Va¬ rianten und einem Kommentar, der beim Vergleiche der verschiedenen Terte ausgetrocknet war, und endlich über ein Fragezeichen, das in einer Handschrift irrthümlich statt eines Strichpunktes gehest worden, den Verstand verlor. Diesen Verdammte!! hielt Satanas an die Nase und nießte; Funken sprühten aus seinen Nüstern. Der trockene Kommentator fremder Idee» stand sogleich in Flammen, und Sata¬ nas verrauchte mit ihm seine Pfeife, den Rest warf er auf den Boden und löschte ihn mit dem Fuße aus. Der nicht verbrannte Theil deS gelehrten Wortklaubers stellte das Bild eines Strichpunktes dar(;)!... Alle Verdammten waren über sein schreckliches Schicksal sehr betrübt und besonders von dem grausamen Despotismus ihres Gebieters er¬ griffen. Satanas rauchte ruhig sein Heu und sprach: der Gro߬ teufel der Literatur erscheine! Er gleicht durchaus nicht den andern Teufeln: er ist ein Teufel von guter Erziehung, in, all-edle Ix», lui; hoch, dünn, hager, sehr schwarz und doch sehr blaß: er leidet an einer Modekrankheit und sein Gesicht ist in einem Backenbartrahmen eingefaßt. Er trägt gelbe Handschuhe und eine Atlaskravate. Trotz der Gegenwart des Höl¬ lenfürsten summte er doch eine Arie aus der neuesten Oper und schlug mit dem Schwänze den Takt auf dem Boden. Er hatte das Aussehen eines gelehrten Stutzers, und man erkannte in ihm beim ersten Blicke den Romantiker, und zwar höherer Art, den Roman¬ tiker in vier Bänden, mit einem Prologe, Epiloge und einer eng¬ lischen Vignette. — Wie ist das Befinden, Teufel Jnterpunction? fragte Satanas. — !!....!! Unterthänigster Diener ....!!!...?!! Euere höllische Finsterniß !!!....!!... Ach! . . ! ! Ich habe gelitten ! ? ! — Ich war sehr leidend ! ! !..... Eine düstere Feuchtigkeit drang in die Wände meiner Seele: eine GrabeS- kühle schlich sich wie der Verrath in mein Gehirn, und meine Phan¬ tasie, in diesem schweren kalten feuchten Nebel der Kränklichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/236>, abgerufen am 23.07.2024.