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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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-- Mein lieber Bubantus, sagte Satanas, mach etwas rascher
aber nur kurz und deutlich, denn ich bin ärgerlich und habe Lange¬
weile. Dabei gähnte er fürchterlich, wobei sein Mund breiter wurde
als ein Krater des Vesuvs; Rauch und Flammen drängten sich aus
seinem Nachen hervor.

-- Ich habe meinen Rapport zu Papiere gebracht, antwortete
der unreine Geist der Journalistik. Wie ist's Ew. Finsterniß gefällig
daß ich ihn vortrage, romantisch oder klassisch? . . . Das heißt, von
unten nach oben, oder von oben nach unten?

-- Versteht sich von unten nach oben. Ich liebe die Roman¬
tik; da ist Alles finster und schrecklich, und jedes dritte Wort ist dun¬
kel oder düster: das ist mein Fach.

Bubantus setzte sich auf die Einladung des Satans in Ermang¬
lung eines Stuhls auf die Spitze seines Hutes, nahm ein Papier
aus dem Portefeuille, drehte es um, meßte, hustete, räusperte sich
und las:

"--- u. s. w. u. s. w. Euer Diener habe die Ehre zu verblei¬
ben. Die Menschen können nicht. . . .

-- Und das ist Romantik? Eine herrliche Erfindung.' . . .
Von nun an "vollen wir von Geschäften nur romantisch, d. i. um¬
gekehrt sprechen. Daß ich das früher nicht errathen! Ich war von
jeher ein großer Freund der Romantik.

-- Ew. Finsterniß haben immer einen feinen, echt teuflischen
Geschmack gehabt, bemerkte Beelzebub.

-- Doch sage mir, mein treuer Bubantus, sagte Satanas, war¬
um Du das Wort Diener so ganz ohne Beiwörter gebrauchst, Nichts
von Gehorsam, Unterthänigkeit u. tgi.?

-- Wir haben in Paris gegen alle diese Ausdrücke feierlich
protestirt; sie sind zu klassisch, mythologisch, griechisch, feudalistisch;
Herr Mauguin meint, sie wären unverträglich mit der Souverainetät
des Volkes. Ich meinerseits bin gesonnen, in den französischen Kam¬
mern nächstens die Motion zu stellen, daß Jedweder berechtigt
sei, sich Ihr verehrter Herr zu unterschreiben, und nur der König
Ihr unterthänigste r Diener zeichne.

-- Und das gehört Alles zur Romantik? Ich denke, wir kehren
zur Klassizität zurück. Wie ist Deine Meinung, Großvcsir?

-- Die Romantik ist ohne Zweifel die Sprache der Verschwö-


— Mein lieber Bubantus, sagte Satanas, mach etwas rascher
aber nur kurz und deutlich, denn ich bin ärgerlich und habe Lange¬
weile. Dabei gähnte er fürchterlich, wobei sein Mund breiter wurde
als ein Krater des Vesuvs; Rauch und Flammen drängten sich aus
seinem Nachen hervor.

— Ich habe meinen Rapport zu Papiere gebracht, antwortete
der unreine Geist der Journalistik. Wie ist's Ew. Finsterniß gefällig
daß ich ihn vortrage, romantisch oder klassisch? . . . Das heißt, von
unten nach oben, oder von oben nach unten?

— Versteht sich von unten nach oben. Ich liebe die Roman¬
tik; da ist Alles finster und schrecklich, und jedes dritte Wort ist dun¬
kel oder düster: das ist mein Fach.

Bubantus setzte sich auf die Einladung des Satans in Ermang¬
lung eines Stuhls auf die Spitze seines Hutes, nahm ein Papier
aus dem Portefeuille, drehte es um, meßte, hustete, räusperte sich
und las:

„-— u. s. w. u. s. w. Euer Diener habe die Ehre zu verblei¬
ben. Die Menschen können nicht. . . .

— Und das ist Romantik? Eine herrliche Erfindung.' . . .
Von nun an »vollen wir von Geschäften nur romantisch, d. i. um¬
gekehrt sprechen. Daß ich das früher nicht errathen! Ich war von
jeher ein großer Freund der Romantik.

— Ew. Finsterniß haben immer einen feinen, echt teuflischen
Geschmack gehabt, bemerkte Beelzebub.

— Doch sage mir, mein treuer Bubantus, sagte Satanas, war¬
um Du das Wort Diener so ganz ohne Beiwörter gebrauchst, Nichts
von Gehorsam, Unterthänigkeit u. tgi.?

— Wir haben in Paris gegen alle diese Ausdrücke feierlich
protestirt; sie sind zu klassisch, mythologisch, griechisch, feudalistisch;
Herr Mauguin meint, sie wären unverträglich mit der Souverainetät
des Volkes. Ich meinerseits bin gesonnen, in den französischen Kam¬
mern nächstens die Motion zu stellen, daß Jedweder berechtigt
sei, sich Ihr verehrter Herr zu unterschreiben, und nur der König
Ihr unterthänigste r Diener zeichne.

— Und das gehört Alles zur Romantik? Ich denke, wir kehren
zur Klassizität zurück. Wie ist Deine Meinung, Großvcsir?

— Die Romantik ist ohne Zweifel die Sprache der Verschwö-


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[0233] — Mein lieber Bubantus, sagte Satanas, mach etwas rascher aber nur kurz und deutlich, denn ich bin ärgerlich und habe Lange¬ weile. Dabei gähnte er fürchterlich, wobei sein Mund breiter wurde als ein Krater des Vesuvs; Rauch und Flammen drängten sich aus seinem Nachen hervor. — Ich habe meinen Rapport zu Papiere gebracht, antwortete der unreine Geist der Journalistik. Wie ist's Ew. Finsterniß gefällig daß ich ihn vortrage, romantisch oder klassisch? . . . Das heißt, von unten nach oben, oder von oben nach unten? — Versteht sich von unten nach oben. Ich liebe die Roman¬ tik; da ist Alles finster und schrecklich, und jedes dritte Wort ist dun¬ kel oder düster: das ist mein Fach. Bubantus setzte sich auf die Einladung des Satans in Ermang¬ lung eines Stuhls auf die Spitze seines Hutes, nahm ein Papier aus dem Portefeuille, drehte es um, meßte, hustete, räusperte sich und las: „-— u. s. w. u. s. w. Euer Diener habe die Ehre zu verblei¬ ben. Die Menschen können nicht. . . . — Und das ist Romantik? Eine herrliche Erfindung.' . . . Von nun an »vollen wir von Geschäften nur romantisch, d. i. um¬ gekehrt sprechen. Daß ich das früher nicht errathen! Ich war von jeher ein großer Freund der Romantik. — Ew. Finsterniß haben immer einen feinen, echt teuflischen Geschmack gehabt, bemerkte Beelzebub. — Doch sage mir, mein treuer Bubantus, sagte Satanas, war¬ um Du das Wort Diener so ganz ohne Beiwörter gebrauchst, Nichts von Gehorsam, Unterthänigkeit u. tgi.? — Wir haben in Paris gegen alle diese Ausdrücke feierlich protestirt; sie sind zu klassisch, mythologisch, griechisch, feudalistisch; Herr Mauguin meint, sie wären unverträglich mit der Souverainetät des Volkes. Ich meinerseits bin gesonnen, in den französischen Kam¬ mern nächstens die Motion zu stellen, daß Jedweder berechtigt sei, sich Ihr verehrter Herr zu unterschreiben, und nur der König Ihr unterthänigste r Diener zeichne. — Und das gehört Alles zur Romantik? Ich denke, wir kehren zur Klassizität zurück. Wie ist Deine Meinung, Großvcsir? — Die Romantik ist ohne Zweifel die Sprache der Verschwö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/233>, abgerufen am 25.08.2024.