Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

rer, Rebellen, Mondsüchtigcnsnnd lüderlicher Gesellen, sagte Beelzebub.
Für so vornehme Herren wie Ew. Finsterniß ist der klassische Styl
gewiß bequemer und anständiger: er strengt wenigstens nicht den
Kopf an und überspannt nicht die Phantasie.

-- Mein Großvesir urtheilt sehr richtig. Ein so vornehmer
Herr, wie ich, muß alle Anstrengungen meiden. Also lies' klassisch.

,, BubantuS drehte das Papier wieder um und las den Rapport:
" Allerfinsterstcr Satan!

"Ich habe die Ehre zu berichten, daß ich zur Verbreitung unseres
Reiches auf Erden die mir untergebenen Journalisten in verschie¬
dene Farben und Coterien getheilt habe. In Frankreich allein habe ich
fünf Klassen eingeführt, Journalisten der Bewegung, der Opposition,
deö Hin- und Herschwankcns und deö Rückschrittes. Die fünfte
Klasse bildet die mittlere Mitte. Die Einen ziehen den Geist vor-,
die Andern rückwärts, die Einen rechts, die Andern links, und die
Anhänger der mittlern Mitte drehen sich zwischen ihnen wie Füchse
ohne Schwänze herum, -- und alle schreien, lärmen, brüllen, schimp¬
fen, drohen, ärgern sich, schmeicheln, verleumden, verheißen; alle sa¬
gen Verschwörungen, Armuth, Elend, Blut, Thränen voraus; es ist
ein wahrer Ohrenschmaus! Die Zeitungsleser sind in tausend Aeng¬
sten, wissen nicht, wem sie glauben, an wen sie sich halten sollen:
sie sind in täglicher Erwartung von fürchterlichen Begebenheiten, ken¬
nen aber weder Freund noch Feind: mit einem Worte, eine uner¬
hörte Verwirrung, ein Drängen und Stoßen der Hoffnungen und
Wünsche, ein Stürmen der Leidenschaften und Begierden -- und Alles
dieses durch die von mir gegründeten und geleiteten Journale!

"Ich kann, ohne mich zu rühmen, mit Stolz behaupten, daß ich
mehr Menschen zu Grunde gerichtet als meine Genossen. Früher
hatten die Menschen nur ihr kurzes, alles Sündenregister, die Zei¬
tungen haben es unendlich vergrößert; Lüge, Raub, Verleumdung,
Gotteslästerung, Ehrlosigkeit sind an der Tagesordnung. Meine ge¬
druckten Bogen stoßen sie fortwährend in die Seiten, setzen ihr Herz
in Flammen, verwirren ihnen den Verstand durch Verheißungen
von Ruhm und Glanz, Hetzen sie gegen einander und werfen ihnen
Koth in die Augen; wecken ihre Thätigkeit und nehmen ihnen die
Lust zu vortheilhaften Unternehmungen. So habe ich ein eigenes
Element der politischen Schwärmerei geschaffen, -- ein bitteres, gif-


rer, Rebellen, Mondsüchtigcnsnnd lüderlicher Gesellen, sagte Beelzebub.
Für so vornehme Herren wie Ew. Finsterniß ist der klassische Styl
gewiß bequemer und anständiger: er strengt wenigstens nicht den
Kopf an und überspannt nicht die Phantasie.

— Mein Großvesir urtheilt sehr richtig. Ein so vornehmer
Herr, wie ich, muß alle Anstrengungen meiden. Also lies' klassisch.

,, BubantuS drehte das Papier wieder um und las den Rapport:
„ Allerfinsterstcr Satan!

„Ich habe die Ehre zu berichten, daß ich zur Verbreitung unseres
Reiches auf Erden die mir untergebenen Journalisten in verschie¬
dene Farben und Coterien getheilt habe. In Frankreich allein habe ich
fünf Klassen eingeführt, Journalisten der Bewegung, der Opposition,
deö Hin- und Herschwankcns und deö Rückschrittes. Die fünfte
Klasse bildet die mittlere Mitte. Die Einen ziehen den Geist vor-,
die Andern rückwärts, die Einen rechts, die Andern links, und die
Anhänger der mittlern Mitte drehen sich zwischen ihnen wie Füchse
ohne Schwänze herum, — und alle schreien, lärmen, brüllen, schimp¬
fen, drohen, ärgern sich, schmeicheln, verleumden, verheißen; alle sa¬
gen Verschwörungen, Armuth, Elend, Blut, Thränen voraus; es ist
ein wahrer Ohrenschmaus! Die Zeitungsleser sind in tausend Aeng¬
sten, wissen nicht, wem sie glauben, an wen sie sich halten sollen:
sie sind in täglicher Erwartung von fürchterlichen Begebenheiten, ken¬
nen aber weder Freund noch Feind: mit einem Worte, eine uner¬
hörte Verwirrung, ein Drängen und Stoßen der Hoffnungen und
Wünsche, ein Stürmen der Leidenschaften und Begierden — und Alles
dieses durch die von mir gegründeten und geleiteten Journale!

„Ich kann, ohne mich zu rühmen, mit Stolz behaupten, daß ich
mehr Menschen zu Grunde gerichtet als meine Genossen. Früher
hatten die Menschen nur ihr kurzes, alles Sündenregister, die Zei¬
tungen haben es unendlich vergrößert; Lüge, Raub, Verleumdung,
Gotteslästerung, Ehrlosigkeit sind an der Tagesordnung. Meine ge¬
druckten Bogen stoßen sie fortwährend in die Seiten, setzen ihr Herz
in Flammen, verwirren ihnen den Verstand durch Verheißungen
von Ruhm und Glanz, Hetzen sie gegen einander und werfen ihnen
Koth in die Augen; wecken ihre Thätigkeit und nehmen ihnen die
Lust zu vortheilhaften Unternehmungen. So habe ich ein eigenes
Element der politischen Schwärmerei geschaffen, — ein bitteres, gif-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269651"/>
          <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678"> rer, Rebellen, Mondsüchtigcnsnnd lüderlicher Gesellen, sagte Beelzebub.<lb/>
Für so vornehme Herren wie Ew. Finsterniß ist der klassische Styl<lb/>
gewiß bequemer und anständiger: er strengt wenigstens nicht den<lb/>
Kopf an und überspannt nicht die Phantasie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_680"> &#x2014; Mein Großvesir urtheilt sehr richtig.  Ein so vornehmer<lb/>
Herr, wie ich, muß alle Anstrengungen meiden. Also lies' klassisch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_681"> ,, BubantuS drehte das Papier wieder um und las den Rapport:<lb/>
&#x201E; Allerfinsterstcr Satan!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_682"> &#x201E;Ich habe die Ehre zu berichten, daß ich zur Verbreitung unseres<lb/>
Reiches auf Erden die mir untergebenen Journalisten in verschie¬<lb/>
dene Farben und Coterien getheilt habe. In Frankreich allein habe ich<lb/>
fünf Klassen eingeführt, Journalisten der Bewegung, der Opposition,<lb/>
deö Hin- und Herschwankcns und deö Rückschrittes. Die fünfte<lb/>
Klasse bildet die mittlere Mitte. Die Einen ziehen den Geist vor-,<lb/>
die Andern rückwärts, die Einen rechts, die Andern links, und die<lb/>
Anhänger der mittlern Mitte drehen sich zwischen ihnen wie Füchse<lb/>
ohne Schwänze herum, &#x2014; und alle schreien, lärmen, brüllen, schimp¬<lb/>
fen, drohen, ärgern sich, schmeicheln, verleumden, verheißen; alle sa¬<lb/>
gen Verschwörungen, Armuth, Elend, Blut, Thränen voraus; es ist<lb/>
ein wahrer Ohrenschmaus! Die Zeitungsleser sind in tausend Aeng¬<lb/>
sten, wissen nicht, wem sie glauben, an wen sie sich halten sollen:<lb/>
sie sind in täglicher Erwartung von fürchterlichen Begebenheiten, ken¬<lb/>
nen aber weder Freund noch Feind: mit einem Worte, eine uner¬<lb/>
hörte Verwirrung, ein Drängen und Stoßen der Hoffnungen und<lb/>
Wünsche, ein Stürmen der Leidenschaften und Begierden &#x2014; und Alles<lb/>
dieses durch die von mir gegründeten und geleiteten Journale!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_683" next="#ID_684"> &#x201E;Ich kann, ohne mich zu rühmen, mit Stolz behaupten, daß ich<lb/>
mehr Menschen zu Grunde gerichtet als meine Genossen. Früher<lb/>
hatten die Menschen nur ihr kurzes, alles Sündenregister, die Zei¬<lb/>
tungen haben es unendlich vergrößert; Lüge, Raub, Verleumdung,<lb/>
Gotteslästerung, Ehrlosigkeit sind an der Tagesordnung. Meine ge¬<lb/>
druckten Bogen stoßen sie fortwährend in die Seiten, setzen ihr Herz<lb/>
in Flammen, verwirren ihnen den Verstand durch Verheißungen<lb/>
von Ruhm und Glanz, Hetzen sie gegen einander und werfen ihnen<lb/>
Koth in die Augen; wecken ihre Thätigkeit und nehmen ihnen die<lb/>
Lust zu vortheilhaften Unternehmungen. So habe ich ein eigenes<lb/>
Element der politischen Schwärmerei geschaffen, &#x2014; ein bitteres, gif-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] rer, Rebellen, Mondsüchtigcnsnnd lüderlicher Gesellen, sagte Beelzebub. Für so vornehme Herren wie Ew. Finsterniß ist der klassische Styl gewiß bequemer und anständiger: er strengt wenigstens nicht den Kopf an und überspannt nicht die Phantasie. — Mein Großvesir urtheilt sehr richtig. Ein so vornehmer Herr, wie ich, muß alle Anstrengungen meiden. Also lies' klassisch. ,, BubantuS drehte das Papier wieder um und las den Rapport: „ Allerfinsterstcr Satan! „Ich habe die Ehre zu berichten, daß ich zur Verbreitung unseres Reiches auf Erden die mir untergebenen Journalisten in verschie¬ dene Farben und Coterien getheilt habe. In Frankreich allein habe ich fünf Klassen eingeführt, Journalisten der Bewegung, der Opposition, deö Hin- und Herschwankcns und deö Rückschrittes. Die fünfte Klasse bildet die mittlere Mitte. Die Einen ziehen den Geist vor-, die Andern rückwärts, die Einen rechts, die Andern links, und die Anhänger der mittlern Mitte drehen sich zwischen ihnen wie Füchse ohne Schwänze herum, — und alle schreien, lärmen, brüllen, schimp¬ fen, drohen, ärgern sich, schmeicheln, verleumden, verheißen; alle sa¬ gen Verschwörungen, Armuth, Elend, Blut, Thränen voraus; es ist ein wahrer Ohrenschmaus! Die Zeitungsleser sind in tausend Aeng¬ sten, wissen nicht, wem sie glauben, an wen sie sich halten sollen: sie sind in täglicher Erwartung von fürchterlichen Begebenheiten, ken¬ nen aber weder Freund noch Feind: mit einem Worte, eine uner¬ hörte Verwirrung, ein Drängen und Stoßen der Hoffnungen und Wünsche, ein Stürmen der Leidenschaften und Begierden — und Alles dieses durch die von mir gegründeten und geleiteten Journale! „Ich kann, ohne mich zu rühmen, mit Stolz behaupten, daß ich mehr Menschen zu Grunde gerichtet als meine Genossen. Früher hatten die Menschen nur ihr kurzes, alles Sündenregister, die Zei¬ tungen haben es unendlich vergrößert; Lüge, Raub, Verleumdung, Gotteslästerung, Ehrlosigkeit sind an der Tagesordnung. Meine ge¬ druckten Bogen stoßen sie fortwährend in die Seiten, setzen ihr Herz in Flammen, verwirren ihnen den Verstand durch Verheißungen von Ruhm und Glanz, Hetzen sie gegen einander und werfen ihnen Koth in die Augen; wecken ihre Thätigkeit und nehmen ihnen die Lust zu vortheilhaften Unternehmungen. So habe ich ein eigenes Element der politischen Schwärmerei geschaffen, — ein bitteres, gif-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/234>, abgerufen am 25.08.2024.