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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Trotzdem fällt es auf, daß, wenn wir die Gebnrtsliften der
Künstler zu Grunde legen wollen, Düsseldorf eine verhältnißmäßig
größere Zahl bedeutender Künstler erzeugt und an München abgelie¬
fert zu haben scheint, als München selbst. Unter denen, welche sich
in jüngster Zeit in München als Maler ausgezeichnet haben oder
noch auszeichnen, sind geborene Düsseldorfer: Cornelius, der eigent¬
liche Schöpfer der Münchner Kunstrichtung, die drei Brüder Heß'
hierunter namentlich Heinrich Heß, der Freskomaler für die Aller¬
heiligenkirche und die Basilika, und Peter Heß, der Genre- und
Schlachtenmaler, ferner Professor Zimmermann, welcher den Speise¬
saal in der neuen Residenz mit anmuthigen Darstellungen nach Ana-
kreon schmückte, Robert Langer, gegenwärtig Director der königlichen
Central-Gemäldegalerie und der bekannte Schlachtenmaler Monden.
Unter den in München geborenen Künstlern sind zu nennen: Vor
allen der berühmte Ludwig Schwanthaler, der Bildhauer Hautmann,
der Genremaler Petzl, die Architekturmaler Gail und Quaglio, der
geistreiche Arabeskenzeichner Neureuther, Schlotthauer und Andere.
Die Kunst in München rekrutirt sich, wie es scheint, überhaupt viel
mehr aus dem übrigen Baiern und dem nichtbaierischen Auslande
als aus München selbst und ist, wie die Literatur i" Leipzig, aus
aller Herren Ländern zusammenqeblasen. Daß aber die deutsche Kunst¬
thätigkeit sich gegenwärtig hauptsächlich in München und Düsseldorf
zu erhöhterer Thätigkeit gesammelt und concentrirt hat, dazu gibt es
eben so viele geschichtliche als locale, ich möchte sagen, atmosphärische
Gründe und Anlässe, eben so wie es seine ganz eigenen natürlichen
Motive hat, daß sich das lyrische Element mehr bei den Düsseldor¬
fern, das epische bei den Münchnern entwickelt hat.

Uebrigens hängen beide Kunstschulen, wie wir gleich sehen wer¬
den, geschichtlich eng zusammen wie die Siamesischen Zwillinge, ob¬
gleich das Band, welches sie verknüpfte, durch einen künstlichen Schnitt
jetzt vollkommen gelöst zu sein scheint.

Schon die baierischen, von Kaiser Ludwig direct herstammenden
Fürsten zeichneten sich durch Geschmack und Kunstpflege vortheilhaft
aus, unter ihnen namentlich Herzog Albrecht V. (1550--1579), der
Großmüthige, der Lorenzo Medici von Baiern, der Vater der Mu¬
sen, der Prächtige genannt. Unter ihm schrieb Aventin sein Geschichts¬
buch von Baiern, Haus Fugger seinen Ehrenspiegel. Er berief den


Trotzdem fällt es auf, daß, wenn wir die Gebnrtsliften der
Künstler zu Grunde legen wollen, Düsseldorf eine verhältnißmäßig
größere Zahl bedeutender Künstler erzeugt und an München abgelie¬
fert zu haben scheint, als München selbst. Unter denen, welche sich
in jüngster Zeit in München als Maler ausgezeichnet haben oder
noch auszeichnen, sind geborene Düsseldorfer: Cornelius, der eigent¬
liche Schöpfer der Münchner Kunstrichtung, die drei Brüder Heß'
hierunter namentlich Heinrich Heß, der Freskomaler für die Aller¬
heiligenkirche und die Basilika, und Peter Heß, der Genre- und
Schlachtenmaler, ferner Professor Zimmermann, welcher den Speise¬
saal in der neuen Residenz mit anmuthigen Darstellungen nach Ana-
kreon schmückte, Robert Langer, gegenwärtig Director der königlichen
Central-Gemäldegalerie und der bekannte Schlachtenmaler Monden.
Unter den in München geborenen Künstlern sind zu nennen: Vor
allen der berühmte Ludwig Schwanthaler, der Bildhauer Hautmann,
der Genremaler Petzl, die Architekturmaler Gail und Quaglio, der
geistreiche Arabeskenzeichner Neureuther, Schlotthauer und Andere.
Die Kunst in München rekrutirt sich, wie es scheint, überhaupt viel
mehr aus dem übrigen Baiern und dem nichtbaierischen Auslande
als aus München selbst und ist, wie die Literatur i» Leipzig, aus
aller Herren Ländern zusammenqeblasen. Daß aber die deutsche Kunst¬
thätigkeit sich gegenwärtig hauptsächlich in München und Düsseldorf
zu erhöhterer Thätigkeit gesammelt und concentrirt hat, dazu gibt es
eben so viele geschichtliche als locale, ich möchte sagen, atmosphärische
Gründe und Anlässe, eben so wie es seine ganz eigenen natürlichen
Motive hat, daß sich das lyrische Element mehr bei den Düsseldor¬
fern, das epische bei den Münchnern entwickelt hat.

Uebrigens hängen beide Kunstschulen, wie wir gleich sehen wer¬
den, geschichtlich eng zusammen wie die Siamesischen Zwillinge, ob¬
gleich das Band, welches sie verknüpfte, durch einen künstlichen Schnitt
jetzt vollkommen gelöst zu sein scheint.

Schon die baierischen, von Kaiser Ludwig direct herstammenden
Fürsten zeichneten sich durch Geschmack und Kunstpflege vortheilhaft
aus, unter ihnen namentlich Herzog Albrecht V. (1550—1579), der
Großmüthige, der Lorenzo Medici von Baiern, der Vater der Mu¬
sen, der Prächtige genannt. Unter ihm schrieb Aventin sein Geschichts¬
buch von Baiern, Haus Fugger seinen Ehrenspiegel. Er berief den


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[0215] Trotzdem fällt es auf, daß, wenn wir die Gebnrtsliften der Künstler zu Grunde legen wollen, Düsseldorf eine verhältnißmäßig größere Zahl bedeutender Künstler erzeugt und an München abgelie¬ fert zu haben scheint, als München selbst. Unter denen, welche sich in jüngster Zeit in München als Maler ausgezeichnet haben oder noch auszeichnen, sind geborene Düsseldorfer: Cornelius, der eigent¬ liche Schöpfer der Münchner Kunstrichtung, die drei Brüder Heß' hierunter namentlich Heinrich Heß, der Freskomaler für die Aller¬ heiligenkirche und die Basilika, und Peter Heß, der Genre- und Schlachtenmaler, ferner Professor Zimmermann, welcher den Speise¬ saal in der neuen Residenz mit anmuthigen Darstellungen nach Ana- kreon schmückte, Robert Langer, gegenwärtig Director der königlichen Central-Gemäldegalerie und der bekannte Schlachtenmaler Monden. Unter den in München geborenen Künstlern sind zu nennen: Vor allen der berühmte Ludwig Schwanthaler, der Bildhauer Hautmann, der Genremaler Petzl, die Architekturmaler Gail und Quaglio, der geistreiche Arabeskenzeichner Neureuther, Schlotthauer und Andere. Die Kunst in München rekrutirt sich, wie es scheint, überhaupt viel mehr aus dem übrigen Baiern und dem nichtbaierischen Auslande als aus München selbst und ist, wie die Literatur i» Leipzig, aus aller Herren Ländern zusammenqeblasen. Daß aber die deutsche Kunst¬ thätigkeit sich gegenwärtig hauptsächlich in München und Düsseldorf zu erhöhterer Thätigkeit gesammelt und concentrirt hat, dazu gibt es eben so viele geschichtliche als locale, ich möchte sagen, atmosphärische Gründe und Anlässe, eben so wie es seine ganz eigenen natürlichen Motive hat, daß sich das lyrische Element mehr bei den Düsseldor¬ fern, das epische bei den Münchnern entwickelt hat. Uebrigens hängen beide Kunstschulen, wie wir gleich sehen wer¬ den, geschichtlich eng zusammen wie die Siamesischen Zwillinge, ob¬ gleich das Band, welches sie verknüpfte, durch einen künstlichen Schnitt jetzt vollkommen gelöst zu sein scheint. Schon die baierischen, von Kaiser Ludwig direct herstammenden Fürsten zeichneten sich durch Geschmack und Kunstpflege vortheilhaft aus, unter ihnen namentlich Herzog Albrecht V. (1550—1579), der Großmüthige, der Lorenzo Medici von Baiern, der Vater der Mu¬ sen, der Prächtige genannt. Unter ihm schrieb Aventin sein Geschichts¬ buch von Baiern, Haus Fugger seinen Ehrenspiegel. Er berief den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/215>, abgerufen am 03.07.2024.