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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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oder vielmehr allgemeinmenschliche Privilegium besitzt, närrische Strei¬
che zu begehen und ausgelacht zu werden. Darüber kann man in
des Münchner Aurbachers sehr lesenswerthen "Volksbüchlein" gelegent¬
lich Mehreres nachlesen, obgleich Aurbacher sagt: daß auch in Mün¬
chen, "dem Sitz aller Weisheit", Weilheimer Streiche genug verübt
würden. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich Aurbacher'S "Volks¬
büchlein" (München, zweite Auflage 1839, zwei Bände) auch den
Norddeutschen als eine sehr gesunde Speise, die durch den süddeut¬
schen Volkshumor trefflich angewürzt ist. Im Grunde ist auch Weil¬
heim nicht so klein, als es in der Ferne erscheint; in der Nähe be¬
trachtet, füllt es die ganze Welt aus, und es möchte daher doch das
Gerathenste sein, den Macht- und Machlustigen in menschlichen Angelegen¬
heiten wie Aurbacher als Lustigmacher gegenüberzutreten. Mir scheint dies
in der gegenwärtigen Zeit die beneidenswertheste Stellung zu sein, lä¬
chelnd, wenn auch und einer Thräne in dem einen Auge, mitten
durch die sonderbaren Gegensätze der Zeit hindurchzuschreiten. Viel¬
leicht bringt uns irgend ein lustiger Polckwitzer oder nachdrücklicher
Schwabenstreich aus diesem grämlichen Wirrsal wieder heraus.

Das wichtigste Bauwerk, welches unter Manmilian I. zur Aus¬
führung kam, war die alte Residenz, von Schriftstellern der damali¬
gen Zeit das achte Wunder der Welt genannt, obgleich dies kur¬
fürstliche Palais an mächtiger und geschlossener Gesammtwirkung mit
dem etwa hundert Jahre später erbauten königlichen Schlosse zu Ber¬
lin eben so wenig als mit den Zusätzen der neueren Zeit: dem neuen
Königsbau und dem Saalbau zu vergleichen ist. Die vor und an
der Front angebrachten Erzbilder zeigen allerdings von großer tech¬
nischer Vollendung; auch waren die inneren Höfe, Gemächer, Gale¬
rien, besonders der ungemein große, durch Freskomalereien reich ver¬
zierte Kaisersaal u. s. w. mit einem großen Aufwande von Pracht
eingerichtet. Bekanntlich fragte Gustav Adolph den Kastellan, der
ihn in den Zimmern umherführte, wer der Urheber des herrlichen
Gebäudes sei. Auf die Antwort des Kastellans: Kein Anderer als
der Kurfürst selbst, äußerte der König: Ich wünschte diesen Baumei¬
ster zu haben, ich wollte ihn nach Stockholm schicken. Hierauf nahm
sich der Kastellan die Freiheit zu bemerken: daß sich der Baumeister
davor wohl zu hüten wissen werde. -- Auf den an Schwedens
sparsame Einfachheit gewöhnten Gustav Adolph mußte freilich die


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oder vielmehr allgemeinmenschliche Privilegium besitzt, närrische Strei¬
che zu begehen und ausgelacht zu werden. Darüber kann man in
des Münchner Aurbachers sehr lesenswerthen „Volksbüchlein" gelegent¬
lich Mehreres nachlesen, obgleich Aurbacher sagt: daß auch in Mün¬
chen, „dem Sitz aller Weisheit", Weilheimer Streiche genug verübt
würden. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich Aurbacher'S „Volks¬
büchlein" (München, zweite Auflage 1839, zwei Bände) auch den
Norddeutschen als eine sehr gesunde Speise, die durch den süddeut¬
schen Volkshumor trefflich angewürzt ist. Im Grunde ist auch Weil¬
heim nicht so klein, als es in der Ferne erscheint; in der Nähe be¬
trachtet, füllt es die ganze Welt aus, und es möchte daher doch das
Gerathenste sein, den Macht- und Machlustigen in menschlichen Angelegen¬
heiten wie Aurbacher als Lustigmacher gegenüberzutreten. Mir scheint dies
in der gegenwärtigen Zeit die beneidenswertheste Stellung zu sein, lä¬
chelnd, wenn auch und einer Thräne in dem einen Auge, mitten
durch die sonderbaren Gegensätze der Zeit hindurchzuschreiten. Viel¬
leicht bringt uns irgend ein lustiger Polckwitzer oder nachdrücklicher
Schwabenstreich aus diesem grämlichen Wirrsal wieder heraus.

Das wichtigste Bauwerk, welches unter Manmilian I. zur Aus¬
führung kam, war die alte Residenz, von Schriftstellern der damali¬
gen Zeit das achte Wunder der Welt genannt, obgleich dies kur¬
fürstliche Palais an mächtiger und geschlossener Gesammtwirkung mit
dem etwa hundert Jahre später erbauten königlichen Schlosse zu Ber¬
lin eben so wenig als mit den Zusätzen der neueren Zeit: dem neuen
Königsbau und dem Saalbau zu vergleichen ist. Die vor und an
der Front angebrachten Erzbilder zeigen allerdings von großer tech¬
nischer Vollendung; auch waren die inneren Höfe, Gemächer, Gale¬
rien, besonders der ungemein große, durch Freskomalereien reich ver¬
zierte Kaisersaal u. s. w. mit einem großen Aufwande von Pracht
eingerichtet. Bekanntlich fragte Gustav Adolph den Kastellan, der
ihn in den Zimmern umherführte, wer der Urheber des herrlichen
Gebäudes sei. Auf die Antwort des Kastellans: Kein Anderer als
der Kurfürst selbst, äußerte der König: Ich wünschte diesen Baumei¬
ster zu haben, ich wollte ihn nach Stockholm schicken. Hierauf nahm
sich der Kastellan die Freiheit zu bemerken: daß sich der Baumeister
davor wohl zu hüten wissen werde. — Auf den an Schwedens
sparsame Einfachheit gewöhnten Gustav Adolph mußte freilich die


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[0211] oder vielmehr allgemeinmenschliche Privilegium besitzt, närrische Strei¬ che zu begehen und ausgelacht zu werden. Darüber kann man in des Münchner Aurbachers sehr lesenswerthen „Volksbüchlein" gelegent¬ lich Mehreres nachlesen, obgleich Aurbacher sagt: daß auch in Mün¬ chen, „dem Sitz aller Weisheit", Weilheimer Streiche genug verübt würden. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich Aurbacher'S „Volks¬ büchlein" (München, zweite Auflage 1839, zwei Bände) auch den Norddeutschen als eine sehr gesunde Speise, die durch den süddeut¬ schen Volkshumor trefflich angewürzt ist. Im Grunde ist auch Weil¬ heim nicht so klein, als es in der Ferne erscheint; in der Nähe be¬ trachtet, füllt es die ganze Welt aus, und es möchte daher doch das Gerathenste sein, den Macht- und Machlustigen in menschlichen Angelegen¬ heiten wie Aurbacher als Lustigmacher gegenüberzutreten. Mir scheint dies in der gegenwärtigen Zeit die beneidenswertheste Stellung zu sein, lä¬ chelnd, wenn auch und einer Thräne in dem einen Auge, mitten durch die sonderbaren Gegensätze der Zeit hindurchzuschreiten. Viel¬ leicht bringt uns irgend ein lustiger Polckwitzer oder nachdrücklicher Schwabenstreich aus diesem grämlichen Wirrsal wieder heraus. Das wichtigste Bauwerk, welches unter Manmilian I. zur Aus¬ führung kam, war die alte Residenz, von Schriftstellern der damali¬ gen Zeit das achte Wunder der Welt genannt, obgleich dies kur¬ fürstliche Palais an mächtiger und geschlossener Gesammtwirkung mit dem etwa hundert Jahre später erbauten königlichen Schlosse zu Ber¬ lin eben so wenig als mit den Zusätzen der neueren Zeit: dem neuen Königsbau und dem Saalbau zu vergleichen ist. Die vor und an der Front angebrachten Erzbilder zeigen allerdings von großer tech¬ nischer Vollendung; auch waren die inneren Höfe, Gemächer, Gale¬ rien, besonders der ungemein große, durch Freskomalereien reich ver¬ zierte Kaisersaal u. s. w. mit einem großen Aufwande von Pracht eingerichtet. Bekanntlich fragte Gustav Adolph den Kastellan, der ihn in den Zimmern umherführte, wer der Urheber des herrlichen Gebäudes sei. Auf die Antwort des Kastellans: Kein Anderer als der Kurfürst selbst, äußerte der König: Ich wünschte diesen Baumei¬ ster zu haben, ich wollte ihn nach Stockholm schicken. Hierauf nahm sich der Kastellan die Freiheit zu bemerken: daß sich der Baumeister davor wohl zu hüten wissen werde. — Auf den an Schwedens sparsame Einfachheit gewöhnten Gustav Adolph mußte freilich die Grciizbvtm I84S. I. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/211>, abgerufen am 22.07.2024.