Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.Vorsichtigkeit -- gespielt, und man hat Sie unglücklicher Weise gerät" Vorsichtigkeit — gespielt, und man hat Sie unglücklicher Weise gerät» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269601"/> <p xml:id="ID_500" prev="#ID_499" next="#ID_501"> Vorsichtigkeit — gespielt, und man hat Sie unglücklicher Weise gerät»<lb/> erwischen müssen! Sehen Sie, wir sind auch so unschuldig dazuge¬<lb/> kommen — wußte man, wie unschuldig wir sind!" — „Oder haben<lb/> Sie sich vergiften wollen?" fiel der Dritte ein — „Neulich haben<lb/> wir einen jungen Doktor hier gehabt, der hatte sich vergiften wollen."<lb/> — „Ich bitte Sie," — nahm, das Studentenkäppchen wieder lebhaft<lb/> daS Wort, — „was Sie auch gethan haben — nur lciugnen, nur<lb/> läugnen! Brauchen Sie sonst noch einen Rath, so sagen Sie uns<lb/> aufrichtig ..." Ich hatte mich von meiner ersten Ueberraschung<lb/> erholt und blieb so mit förmlichem Vergnügen mitten unter den drei<lb/> zudringlichen, pfiffigen Gaunern stehen. Als ich später diesen Vorfall<lb/> einer Dame erzählte, fing sie zu weinen all; es käme ihr so erschüt¬<lb/> ternd vor, meinte sie, mich in einer solchen Situation zu denken. Aber<lb/> für mich war sie von höchstem Interesse. Die drei Kerle müssen<lb/> einmal in einem Romane her; habe an ihnen ein wahres Natur¬<lb/> studium gemacht! Doch genug! Die drei Schelme plauderten noch<lb/> eine Weile in der Art fort und wollten dann wissen, ob ich gut<lb/> davon zu kommen hoffte? — „Jedenfalls ganz gut!" erwiederte ich<lb/> und ersuchte sie lächelnd, mir Platz zum Auf- und Abgehen zu ma¬<lb/> chen. „Wenn wir so glücklich sind, länger beisammen zu bleiben, so<lb/> werden wir uns schon näher kennen lernen. Sie werden mir erzäh¬<lb/> len und ich Ihnen; so wollen wir uns die Zeit schon vertreiben.<lb/> Lassen wir vor der Hand alles Nähere und Weitere." — DaS Stu¬<lb/> dentenkäppchen schwang sich auf die Holzpritsche und setzte sich wieder<lb/> wie ein Türk hin, indem er daumendrehte über den Knien: „Aber<lb/> Eins gefällt mir nicht an Ihnen," sagte er zu mir, „daß Sie so un¬<lb/> besorgt aussehen, als ob Sie sich daS Alles mit Freuden gefallen<lb/> ließen. Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß Sie gut wegkom¬<lb/> men werden. Wenn Sie nicht gespielt, nicht gestohlen haben, wenn<lb/> Sie nicht verbrüdert waren, wenn Sie sich nicht haben vergiften<lb/> wollen — so hoffen Sie nicht, daß Sie gut wegkommen werde»;<lb/> scholl das will mir nicht recht ein, daß Sie Quartier bei uns be¬<lb/> kamen." — „Freund," sagte ich mit viel Pathos, indem ich mitten<lb/> in der Stube stehen blieb, — „noch ist nicht Zeit, Alles zu sagen,<lb/> — aber die Zeit wird kommen! Vor der Hand lassen Sie uns fried¬<lb/> lich beisammen bleiben." — „Mit der Kost," meinte der Eine in<lb/> Ketten — „mit der Kost wird'S Ihnen anfangs nicht recht kratzen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Vorsichtigkeit — gespielt, und man hat Sie unglücklicher Weise gerät»
erwischen müssen! Sehen Sie, wir sind auch so unschuldig dazuge¬
kommen — wußte man, wie unschuldig wir sind!" — „Oder haben
Sie sich vergiften wollen?" fiel der Dritte ein — „Neulich haben
wir einen jungen Doktor hier gehabt, der hatte sich vergiften wollen."
— „Ich bitte Sie," — nahm, das Studentenkäppchen wieder lebhaft
daS Wort, — „was Sie auch gethan haben — nur lciugnen, nur
läugnen! Brauchen Sie sonst noch einen Rath, so sagen Sie uns
aufrichtig ..." Ich hatte mich von meiner ersten Ueberraschung
erholt und blieb so mit förmlichem Vergnügen mitten unter den drei
zudringlichen, pfiffigen Gaunern stehen. Als ich später diesen Vorfall
einer Dame erzählte, fing sie zu weinen all; es käme ihr so erschüt¬
ternd vor, meinte sie, mich in einer solchen Situation zu denken. Aber
für mich war sie von höchstem Interesse. Die drei Kerle müssen
einmal in einem Romane her; habe an ihnen ein wahres Natur¬
studium gemacht! Doch genug! Die drei Schelme plauderten noch
eine Weile in der Art fort und wollten dann wissen, ob ich gut
davon zu kommen hoffte? — „Jedenfalls ganz gut!" erwiederte ich
und ersuchte sie lächelnd, mir Platz zum Auf- und Abgehen zu ma¬
chen. „Wenn wir so glücklich sind, länger beisammen zu bleiben, so
werden wir uns schon näher kennen lernen. Sie werden mir erzäh¬
len und ich Ihnen; so wollen wir uns die Zeit schon vertreiben.
Lassen wir vor der Hand alles Nähere und Weitere." — DaS Stu¬
dentenkäppchen schwang sich auf die Holzpritsche und setzte sich wieder
wie ein Türk hin, indem er daumendrehte über den Knien: „Aber
Eins gefällt mir nicht an Ihnen," sagte er zu mir, „daß Sie so un¬
besorgt aussehen, als ob Sie sich daS Alles mit Freuden gefallen
ließen. Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß Sie gut wegkom¬
men werden. Wenn Sie nicht gespielt, nicht gestohlen haben, wenn
Sie nicht verbrüdert waren, wenn Sie sich nicht haben vergiften
wollen — so hoffen Sie nicht, daß Sie gut wegkommen werde»;
scholl das will mir nicht recht ein, daß Sie Quartier bei uns be¬
kamen." — „Freund," sagte ich mit viel Pathos, indem ich mitten
in der Stube stehen blieb, — „noch ist nicht Zeit, Alles zu sagen,
— aber die Zeit wird kommen! Vor der Hand lassen Sie uns fried¬
lich beisammen bleiben." — „Mit der Kost," meinte der Eine in
Ketten — „mit der Kost wird'S Ihnen anfangs nicht recht kratzen
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