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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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abgenommenen Gelde die Auslagssumme ab; nebstdem ließ ich dem
Soldaten einen Gulden Conv. Münze zurück. Der Hausprofoß hatte
den Auftrag, mich zu begleiten, aber in Civilklcidung und mit der
Weisung, daß er nicht auffallend neben mir gehe. So
wanderten wir dem entfernten Neustädter Magistrate zu, einer Kri--
minaluntersuchung entgegen. Ich unterließ mit Absicht, den Weg im
Fiaker zu machen; ich wollte meinem festen Plane nicht untreu wer¬
den, Alles von Grund aus durchzukosten, was auch komme . . .
Aus dem Neustädter Magistrate -- nun gieb Acht! -- wurde ich
denn ohne Umstände zwei Treppen hoch herauf geführt und da in
einer kleinen Küche zu warten beauftragt. Ich wartete also. Ein
gemeines dickes Weib saß da und kochte und verzog etwas verächt¬
lich den Mund, als ich sie freundlich ansprach; das Ding gefiel mir
nicht übel -- da war's also das zweite Mal, daß ich durch meine
Situation ehrsam bürgerlichen Augen ein verdächtiger deutscher Bursche
schien. Ein kleines Mädchen, welches der dicken Köchin gegenüber
saß, wechselte mit dieser ganz verständliche, unbehagliche Blicke. Na¬
türlich. Es mußte den ehrsamen Dingern eine grenzenlose Keckheit
scheinen, daß ich, eben erst hergebracht, um in Leinwand und Ketten
zu kommen, so ungenirt, unbesorgt, gar freundlich mit ihnen zu plau¬
dern anfangen wollte. Wahrscheinlich sind sie gewohnt, täglich Zit¬
ternde und Weinende kommen zu sehen; meine Sorglosigkeit wollte
ihnen halt durchaus nicht gefallen. Als ich diese Mienen bemerkte,
war ich so frei, es noch ärger, fast lustig zu treiben. DaS vertrieb
den wackelnden böhmischen Küchenteufel. Zum Glück kam der Ge-
fangenwärter gleich darauf, dem das Weib mit stolzhöhnischer Hef¬
tigkeit entgegen rief: . . . "Jarku -- Ter labi poeta (Sag ich --
Der da wartet!) Ein flüchtiger, hochmüthiger Wink hieß mich ihm
folgen ... ich jauchzte im Innern vor romantischer Freude, -- so
was erlebt man nicht alle Tage ich sah mich schon im Geiste
das niederschreiben. Im anstoßenden Wohnzimmer des Gefangen¬
wärters hieß es vor einem großen runden Tisch Halt machen; ich
machte Halt. Dem Kerl war ich zu gut gekleidet, denn ich sah aus,
als wollte ich eine Staatsvisite machen; indem er mich maß von
Kopf bis zu den Füßen, konnte ich seine gemeine Neugier in den
Augen lesen; auch ihm sah ich zu heiter aus. "Was haben Sie
bei sich von Preziosen, Geld, Papieren u. tgi.?" Bei dieser Frage


abgenommenen Gelde die Auslagssumme ab; nebstdem ließ ich dem
Soldaten einen Gulden Conv. Münze zurück. Der Hausprofoß hatte
den Auftrag, mich zu begleiten, aber in Civilklcidung und mit der
Weisung, daß er nicht auffallend neben mir gehe. So
wanderten wir dem entfernten Neustädter Magistrate zu, einer Kri--
minaluntersuchung entgegen. Ich unterließ mit Absicht, den Weg im
Fiaker zu machen; ich wollte meinem festen Plane nicht untreu wer¬
den, Alles von Grund aus durchzukosten, was auch komme . . .
Aus dem Neustädter Magistrate — nun gieb Acht! — wurde ich
denn ohne Umstände zwei Treppen hoch herauf geführt und da in
einer kleinen Küche zu warten beauftragt. Ich wartete also. Ein
gemeines dickes Weib saß da und kochte und verzog etwas verächt¬
lich den Mund, als ich sie freundlich ansprach; das Ding gefiel mir
nicht übel — da war's also das zweite Mal, daß ich durch meine
Situation ehrsam bürgerlichen Augen ein verdächtiger deutscher Bursche
schien. Ein kleines Mädchen, welches der dicken Köchin gegenüber
saß, wechselte mit dieser ganz verständliche, unbehagliche Blicke. Na¬
türlich. Es mußte den ehrsamen Dingern eine grenzenlose Keckheit
scheinen, daß ich, eben erst hergebracht, um in Leinwand und Ketten
zu kommen, so ungenirt, unbesorgt, gar freundlich mit ihnen zu plau¬
dern anfangen wollte. Wahrscheinlich sind sie gewohnt, täglich Zit¬
ternde und Weinende kommen zu sehen; meine Sorglosigkeit wollte
ihnen halt durchaus nicht gefallen. Als ich diese Mienen bemerkte,
war ich so frei, es noch ärger, fast lustig zu treiben. DaS vertrieb
den wackelnden böhmischen Küchenteufel. Zum Glück kam der Ge-
fangenwärter gleich darauf, dem das Weib mit stolzhöhnischer Hef¬
tigkeit entgegen rief: . . . „Jarku — Ter labi poeta (Sag ich —
Der da wartet!) Ein flüchtiger, hochmüthiger Wink hieß mich ihm
folgen ... ich jauchzte im Innern vor romantischer Freude, — so
was erlebt man nicht alle Tage ich sah mich schon im Geiste
das niederschreiben. Im anstoßenden Wohnzimmer des Gefangen¬
wärters hieß es vor einem großen runden Tisch Halt machen; ich
machte Halt. Dem Kerl war ich zu gut gekleidet, denn ich sah aus,
als wollte ich eine Staatsvisite machen; indem er mich maß von
Kopf bis zu den Füßen, konnte ich seine gemeine Neugier in den
Augen lesen; auch ihm sah ich zu heiter aus. „Was haben Sie
bei sich von Preziosen, Geld, Papieren u. tgi.?" Bei dieser Frage


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[0182] abgenommenen Gelde die Auslagssumme ab; nebstdem ließ ich dem Soldaten einen Gulden Conv. Münze zurück. Der Hausprofoß hatte den Auftrag, mich zu begleiten, aber in Civilklcidung und mit der Weisung, daß er nicht auffallend neben mir gehe. So wanderten wir dem entfernten Neustädter Magistrate zu, einer Kri-- minaluntersuchung entgegen. Ich unterließ mit Absicht, den Weg im Fiaker zu machen; ich wollte meinem festen Plane nicht untreu wer¬ den, Alles von Grund aus durchzukosten, was auch komme . . . Aus dem Neustädter Magistrate — nun gieb Acht! — wurde ich denn ohne Umstände zwei Treppen hoch herauf geführt und da in einer kleinen Küche zu warten beauftragt. Ich wartete also. Ein gemeines dickes Weib saß da und kochte und verzog etwas verächt¬ lich den Mund, als ich sie freundlich ansprach; das Ding gefiel mir nicht übel — da war's also das zweite Mal, daß ich durch meine Situation ehrsam bürgerlichen Augen ein verdächtiger deutscher Bursche schien. Ein kleines Mädchen, welches der dicken Köchin gegenüber saß, wechselte mit dieser ganz verständliche, unbehagliche Blicke. Na¬ türlich. Es mußte den ehrsamen Dingern eine grenzenlose Keckheit scheinen, daß ich, eben erst hergebracht, um in Leinwand und Ketten zu kommen, so ungenirt, unbesorgt, gar freundlich mit ihnen zu plau¬ dern anfangen wollte. Wahrscheinlich sind sie gewohnt, täglich Zit¬ ternde und Weinende kommen zu sehen; meine Sorglosigkeit wollte ihnen halt durchaus nicht gefallen. Als ich diese Mienen bemerkte, war ich so frei, es noch ärger, fast lustig zu treiben. DaS vertrieb den wackelnden böhmischen Küchenteufel. Zum Glück kam der Ge- fangenwärter gleich darauf, dem das Weib mit stolzhöhnischer Hef¬ tigkeit entgegen rief: . . . „Jarku — Ter labi poeta (Sag ich — Der da wartet!) Ein flüchtiger, hochmüthiger Wink hieß mich ihm folgen ... ich jauchzte im Innern vor romantischer Freude, — so was erlebt man nicht alle Tage ich sah mich schon im Geiste das niederschreiben. Im anstoßenden Wohnzimmer des Gefangen¬ wärters hieß es vor einem großen runden Tisch Halt machen; ich machte Halt. Dem Kerl war ich zu gut gekleidet, denn ich sah aus, als wollte ich eine Staatsvisite machen; indem er mich maß von Kopf bis zu den Füßen, konnte ich seine gemeine Neugier in den Augen lesen; auch ihm sah ich zu heiter aus. „Was haben Sie bei sich von Preziosen, Geld, Papieren u. tgi.?" Bei dieser Frage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/182>, abgerufen am 22.07.2024.