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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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rischen Arbeiten einmal versäumt, Geld war ausgegeben . . . es war
nicht zu verwerfen, etwas Abenteuerliches, wenn auch mit einigen
Beschwerlichkeiten, für all jene Opfer von Grund aus durchzukosten.
Ich wollte einmal sehen, wie weit man gehen, wie weit man's trei¬
ben werde. In diesem Sinne trat ich beim Verhöre mäßig und be¬
scheiden auf, welches am zweiten Vormittage stattfand, und wo au¬
ßer dem freundlichen Hauscommissär und einem jungen Schreiber
Niemand zugegen war. Ob eS wohl gerade diese Mäßigung, diese
Bescheidenheit war, daß ich meinen Roman im Gefängnisse, in der
liebenswürdigen Gesellschaft von Gaunern, Falschspielern und Schuld¬
nern beschließen mußte? Um diesen Roman wäre jedenfalls aus wich¬
tigen Gründen Schade gewesen. Er laßt nicht unbedeutende Blicke
auf die Prvvinzialjustizverwaltung fallen, die in vieler Hinsicht durch
Rohheit und Willkürlichkeit rein des Teufels ist . . . Aber, daß ich
Dir nur einfach weiter erzähle. Nach dem Verhöre sing man an,
mir zu gestatten, daß ich gegen Bezahlung etwas Besseres, als Ge¬
fangenwärterkost verlangen dürfe. Nun gut, so ließ ich mir was
Besseres kommen; es hatte also wenigstens die Hungersnot!) el"
Ende. Diese Verbesserung erhielt meinen Humor hübsch lebendig,
die vielen anderen Beschwerlichkeiten ertrugen sich mit heiterer Seele
auch nicht übel; es ging! eS ging! Nur die ewigen Nachmittags-
stunden brachten mich immer ein wenig außer Geduld, bis der gute
Freund, ein Glas Bier, auf Besuch kam und alle Seligkeiten des
Lebens wieder auferstanden in meinem Herzen. So ging es noch
zwei volle Tage hin. Von dem freundlichen Hauscommissär muß ich
rühmen, daß er mir während dieser letzten Tage darin eine Erleich¬
terung zukommen ließ, daß er mir auf einige Augenblicke freiere Pro¬
menade im nächsten Kanzleizimmer erlaubte, theils um die
Mittagsstunde, theils gegen Abend. Hätte der Mann freiere
Hand gehabt, der hätte besser mit mir umzugehen gewußt,
er liest und kennt sich aus, was an der Zeit ist, nicht so
der Stadthauptmann . . . Vier volle, lange, lange Tage waren
fo vorüber, da kam der Hansprofofi des fünften Morgens und sagte,
ich möchte ihm folgen, möchte Alles mitnehmen, was ich in der Zelle
hätte, -- ich käme hinaus! Ich folgte ihm die Treppe hinun¬
ter, durch die Küche, in sein Wohn- und Vureauzimmer. Hier zeigte
er mir, was für mich ausgegeben worden war, und zog von meinem


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rischen Arbeiten einmal versäumt, Geld war ausgegeben . . . es war
nicht zu verwerfen, etwas Abenteuerliches, wenn auch mit einigen
Beschwerlichkeiten, für all jene Opfer von Grund aus durchzukosten.
Ich wollte einmal sehen, wie weit man gehen, wie weit man's trei¬
ben werde. In diesem Sinne trat ich beim Verhöre mäßig und be¬
scheiden auf, welches am zweiten Vormittage stattfand, und wo au¬
ßer dem freundlichen Hauscommissär und einem jungen Schreiber
Niemand zugegen war. Ob eS wohl gerade diese Mäßigung, diese
Bescheidenheit war, daß ich meinen Roman im Gefängnisse, in der
liebenswürdigen Gesellschaft von Gaunern, Falschspielern und Schuld¬
nern beschließen mußte? Um diesen Roman wäre jedenfalls aus wich¬
tigen Gründen Schade gewesen. Er laßt nicht unbedeutende Blicke
auf die Prvvinzialjustizverwaltung fallen, die in vieler Hinsicht durch
Rohheit und Willkürlichkeit rein des Teufels ist . . . Aber, daß ich
Dir nur einfach weiter erzähle. Nach dem Verhöre sing man an,
mir zu gestatten, daß ich gegen Bezahlung etwas Besseres, als Ge¬
fangenwärterkost verlangen dürfe. Nun gut, so ließ ich mir was
Besseres kommen; es hatte also wenigstens die Hungersnot!) el»
Ende. Diese Verbesserung erhielt meinen Humor hübsch lebendig,
die vielen anderen Beschwerlichkeiten ertrugen sich mit heiterer Seele
auch nicht übel; es ging! eS ging! Nur die ewigen Nachmittags-
stunden brachten mich immer ein wenig außer Geduld, bis der gute
Freund, ein Glas Bier, auf Besuch kam und alle Seligkeiten des
Lebens wieder auferstanden in meinem Herzen. So ging es noch
zwei volle Tage hin. Von dem freundlichen Hauscommissär muß ich
rühmen, daß er mir während dieser letzten Tage darin eine Erleich¬
terung zukommen ließ, daß er mir auf einige Augenblicke freiere Pro¬
menade im nächsten Kanzleizimmer erlaubte, theils um die
Mittagsstunde, theils gegen Abend. Hätte der Mann freiere
Hand gehabt, der hätte besser mit mir umzugehen gewußt,
er liest und kennt sich aus, was an der Zeit ist, nicht so
der Stadthauptmann . . . Vier volle, lange, lange Tage waren
fo vorüber, da kam der Hansprofofi des fünften Morgens und sagte,
ich möchte ihm folgen, möchte Alles mitnehmen, was ich in der Zelle
hätte, — ich käme hinaus! Ich folgte ihm die Treppe hinun¬
ter, durch die Küche, in sein Wohn- und Vureauzimmer. Hier zeigte
er mir, was für mich ausgegeben worden war, und zog von meinem


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[0181] rischen Arbeiten einmal versäumt, Geld war ausgegeben . . . es war nicht zu verwerfen, etwas Abenteuerliches, wenn auch mit einigen Beschwerlichkeiten, für all jene Opfer von Grund aus durchzukosten. Ich wollte einmal sehen, wie weit man gehen, wie weit man's trei¬ ben werde. In diesem Sinne trat ich beim Verhöre mäßig und be¬ scheiden auf, welches am zweiten Vormittage stattfand, und wo au¬ ßer dem freundlichen Hauscommissär und einem jungen Schreiber Niemand zugegen war. Ob eS wohl gerade diese Mäßigung, diese Bescheidenheit war, daß ich meinen Roman im Gefängnisse, in der liebenswürdigen Gesellschaft von Gaunern, Falschspielern und Schuld¬ nern beschließen mußte? Um diesen Roman wäre jedenfalls aus wich¬ tigen Gründen Schade gewesen. Er laßt nicht unbedeutende Blicke auf die Prvvinzialjustizverwaltung fallen, die in vieler Hinsicht durch Rohheit und Willkürlichkeit rein des Teufels ist . . . Aber, daß ich Dir nur einfach weiter erzähle. Nach dem Verhöre sing man an, mir zu gestatten, daß ich gegen Bezahlung etwas Besseres, als Ge¬ fangenwärterkost verlangen dürfe. Nun gut, so ließ ich mir was Besseres kommen; es hatte also wenigstens die Hungersnot!) el» Ende. Diese Verbesserung erhielt meinen Humor hübsch lebendig, die vielen anderen Beschwerlichkeiten ertrugen sich mit heiterer Seele auch nicht übel; es ging! eS ging! Nur die ewigen Nachmittags- stunden brachten mich immer ein wenig außer Geduld, bis der gute Freund, ein Glas Bier, auf Besuch kam und alle Seligkeiten des Lebens wieder auferstanden in meinem Herzen. So ging es noch zwei volle Tage hin. Von dem freundlichen Hauscommissär muß ich rühmen, daß er mir während dieser letzten Tage darin eine Erleich¬ terung zukommen ließ, daß er mir auf einige Augenblicke freiere Pro¬ menade im nächsten Kanzleizimmer erlaubte, theils um die Mittagsstunde, theils gegen Abend. Hätte der Mann freiere Hand gehabt, der hätte besser mit mir umzugehen gewußt, er liest und kennt sich aus, was an der Zeit ist, nicht so der Stadthauptmann . . . Vier volle, lange, lange Tage waren fo vorüber, da kam der Hansprofofi des fünften Morgens und sagte, ich möchte ihm folgen, möchte Alles mitnehmen, was ich in der Zelle hätte, — ich käme hinaus! Ich folgte ihm die Treppe hinun¬ ter, durch die Küche, in sein Wohn- und Vureauzimmer. Hier zeigte er mir, was für mich ausgegeben worden war, und zog von meinem W »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/181>, abgerufen am 22.07.2024.