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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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der Wehmuth fallen und ging. Wir stiegen eine Treppe hinab, ein
Soldat im Leinenkittel und mit einem Schlüsselbunde voran, der
freundliche, aber nun auch schweigsame Commissär des Hauses nach.
Unten schloß der Soldat eine Eisenthüre aus; wir traten ein und
von da einige modrige Stufen aufwärts. Hier öffnete sich wieder
eine Thüre; wir waren nun in einer dumpfen Küche, die zugleich zur
Schlafkammer diente, von da führte eine Thüre in einen Hofraum
links und rechts in das Zimmer des Hauöprofoßen. In letzterem
verließ mich der freundliche Commissär; der Soldat mit dem Schlüs¬
selbunde blieb an der Thüre stehen, der bejahrte HauSprofoß mit
einer schwerfälligen Brille auf der Nase empfing mich mit langen,
bedächtigen, von oben bis unten messenden Blicken, durch seine un¬
behilfliche, abgedumpfte Geschäftsmiene blickte einige Neugierde. Dann
schnitt er sich langsam eine Feder, ließ sich Namen, Charakter :c.
vorsagen, die er niederschrieb, kam endlich auf mich zu und-wollte
Alles wegnehmen, was ich in Rock- und Hosensäcken bei mir hatte.
Ich trat einen Schritt zurück und sagte, als er sich anschickte, mir
selbst die Säcke auszumausen -- "Das ist keine Art, mit mir um¬
zugehen... Bleiben Sie, ich werde Ihnen Nichts vorenthalten." --
Aber mit der Ungenirtheit eines sieggewohnten Mannes und mit dem
Bewußtsein, daß ihm Gewalt im Nothfall zu Handen stehe, trat er
mir den Schritt nach und, bevor ich mich n>)es recht versah, hatte er
mir alle Säcke geplündert. Zum Ueberflusse betastete er mich noch
eine Weile vom Hals bis zu den Stiefelsohlen, ob ich etwa einge¬
nähte Geheimnisse bei mir trage, und seine Frage: "Haben Sie sonst
noch Preziosen, Papiere bei sich?" bestätigte unverholen, was ersuchte.
Er ließ nun Licht bringen, setzte sich wieder zum Schreibtisch und
schrieb nieder: "Schwarzen Frack und schwarze Hosen von Tuch,
lichtgelbe Weste, Halsbinde mit Blümchen, Hut von schwarzer Farbe..."
Ein Wink setzte jetzt den Soldaten in Bewegung, wir gingen durch
die Küche zurück, traten auf die Treppe hinaus und nun viele Stu¬
fen aufwärts; es war fast finster in den engen Winkelgängen und
außer dem Schlüsselgeklirre und unsern unsichern Tritten Nichts zu
hören. Endlich fuhr der Soldat mit einem Schlüssel klirrend in das
Schloß einer Thüre, sie ging auf und eine Zelle empfing mich mit
ihren engen Wänden. Kaum stand ich drinnen, so flog die Thüre
hinter mir wieder zu und der Hausprofoß entfernte sich mit dem


der Wehmuth fallen und ging. Wir stiegen eine Treppe hinab, ein
Soldat im Leinenkittel und mit einem Schlüsselbunde voran, der
freundliche, aber nun auch schweigsame Commissär des Hauses nach.
Unten schloß der Soldat eine Eisenthüre aus; wir traten ein und
von da einige modrige Stufen aufwärts. Hier öffnete sich wieder
eine Thüre; wir waren nun in einer dumpfen Küche, die zugleich zur
Schlafkammer diente, von da führte eine Thüre in einen Hofraum
links und rechts in das Zimmer des Hauöprofoßen. In letzterem
verließ mich der freundliche Commissär; der Soldat mit dem Schlüs¬
selbunde blieb an der Thüre stehen, der bejahrte HauSprofoß mit
einer schwerfälligen Brille auf der Nase empfing mich mit langen,
bedächtigen, von oben bis unten messenden Blicken, durch seine un¬
behilfliche, abgedumpfte Geschäftsmiene blickte einige Neugierde. Dann
schnitt er sich langsam eine Feder, ließ sich Namen, Charakter :c.
vorsagen, die er niederschrieb, kam endlich auf mich zu und-wollte
Alles wegnehmen, was ich in Rock- und Hosensäcken bei mir hatte.
Ich trat einen Schritt zurück und sagte, als er sich anschickte, mir
selbst die Säcke auszumausen — „Das ist keine Art, mit mir um¬
zugehen... Bleiben Sie, ich werde Ihnen Nichts vorenthalten." —
Aber mit der Ungenirtheit eines sieggewohnten Mannes und mit dem
Bewußtsein, daß ihm Gewalt im Nothfall zu Handen stehe, trat er
mir den Schritt nach und, bevor ich mich n>)es recht versah, hatte er
mir alle Säcke geplündert. Zum Ueberflusse betastete er mich noch
eine Weile vom Hals bis zu den Stiefelsohlen, ob ich etwa einge¬
nähte Geheimnisse bei mir trage, und seine Frage: „Haben Sie sonst
noch Preziosen, Papiere bei sich?" bestätigte unverholen, was ersuchte.
Er ließ nun Licht bringen, setzte sich wieder zum Schreibtisch und
schrieb nieder: „Schwarzen Frack und schwarze Hosen von Tuch,
lichtgelbe Weste, Halsbinde mit Blümchen, Hut von schwarzer Farbe..."
Ein Wink setzte jetzt den Soldaten in Bewegung, wir gingen durch
die Küche zurück, traten auf die Treppe hinaus und nun viele Stu¬
fen aufwärts; es war fast finster in den engen Winkelgängen und
außer dem Schlüsselgeklirre und unsern unsichern Tritten Nichts zu
hören. Endlich fuhr der Soldat mit einem Schlüssel klirrend in das
Schloß einer Thüre, sie ging auf und eine Zelle empfing mich mit
ihren engen Wänden. Kaum stand ich drinnen, so flog die Thüre
hinter mir wieder zu und der Hausprofoß entfernte sich mit dem


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[0176] der Wehmuth fallen und ging. Wir stiegen eine Treppe hinab, ein Soldat im Leinenkittel und mit einem Schlüsselbunde voran, der freundliche, aber nun auch schweigsame Commissär des Hauses nach. Unten schloß der Soldat eine Eisenthüre aus; wir traten ein und von da einige modrige Stufen aufwärts. Hier öffnete sich wieder eine Thüre; wir waren nun in einer dumpfen Küche, die zugleich zur Schlafkammer diente, von da führte eine Thüre in einen Hofraum links und rechts in das Zimmer des Hauöprofoßen. In letzterem verließ mich der freundliche Commissär; der Soldat mit dem Schlüs¬ selbunde blieb an der Thüre stehen, der bejahrte HauSprofoß mit einer schwerfälligen Brille auf der Nase empfing mich mit langen, bedächtigen, von oben bis unten messenden Blicken, durch seine un¬ behilfliche, abgedumpfte Geschäftsmiene blickte einige Neugierde. Dann schnitt er sich langsam eine Feder, ließ sich Namen, Charakter :c. vorsagen, die er niederschrieb, kam endlich auf mich zu und-wollte Alles wegnehmen, was ich in Rock- und Hosensäcken bei mir hatte. Ich trat einen Schritt zurück und sagte, als er sich anschickte, mir selbst die Säcke auszumausen — „Das ist keine Art, mit mir um¬ zugehen... Bleiben Sie, ich werde Ihnen Nichts vorenthalten." — Aber mit der Ungenirtheit eines sieggewohnten Mannes und mit dem Bewußtsein, daß ihm Gewalt im Nothfall zu Handen stehe, trat er mir den Schritt nach und, bevor ich mich n>)es recht versah, hatte er mir alle Säcke geplündert. Zum Ueberflusse betastete er mich noch eine Weile vom Hals bis zu den Stiefelsohlen, ob ich etwa einge¬ nähte Geheimnisse bei mir trage, und seine Frage: „Haben Sie sonst noch Preziosen, Papiere bei sich?" bestätigte unverholen, was ersuchte. Er ließ nun Licht bringen, setzte sich wieder zum Schreibtisch und schrieb nieder: „Schwarzen Frack und schwarze Hosen von Tuch, lichtgelbe Weste, Halsbinde mit Blümchen, Hut von schwarzer Farbe..." Ein Wink setzte jetzt den Soldaten in Bewegung, wir gingen durch die Küche zurück, traten auf die Treppe hinaus und nun viele Stu¬ fen aufwärts; es war fast finster in den engen Winkelgängen und außer dem Schlüsselgeklirre und unsern unsichern Tritten Nichts zu hören. Endlich fuhr der Soldat mit einem Schlüssel klirrend in das Schloß einer Thüre, sie ging auf und eine Zelle empfing mich mit ihren engen Wänden. Kaum stand ich drinnen, so flog die Thüre hinter mir wieder zu und der Hausprofoß entfernte sich mit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/176>, abgerufen am 22.07.2024.