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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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bin ich." -- "Sie verzeihen, daß ich Sie früh Morgens schon rufen
lasse; aber es liegt daran, Ihnen bei Zeiten etwas Unangenehmes
mitzutheilen. . . Sie haben doch einen Paß, nicht wahr?" -- "Wohl,
Herr Commissär." -- "Schon. . . Dürft' ich bitten. . ." -- "Hier
ist er." -- "Schon. . . Sehen Sie -- da ist mir dieses zugekom¬
men. . . (er ging zu seinem Schreibtische hin, nahm ein langes
Papier, las es stillschweigend ab und kam zurück). . . "Sie haben
sich eines Prcßvergehens schuldig gemacht, haben sich diesen Winter
einer Untersuchung in Wien entzogen. ..." -- "Wie?" fiel ich ihm
in die Rede. -- "Ich mich einer Untersuchung entzogen? Ich bin
letzten Winter von Wien nach Ungarn abgereist, ja; ich wollte einige
Monate in Preßburg verleben, davon weiß ich; aber ich kann nicht
zugeben, daß ich mich dadurch einer Untersuchung habe entziehen
wollen. Als ich abreiste, war ich noch zu keiner solchen vorgeladen;
imm Buch war vierzehn Tage im Buchhandel, ich in Wien, aber
ich wußte Nichts von einer Untersuchung. Wie sollte ich auch eine
solche noch zu befürchten haben, wenn ich den Behörden die ersten
gefährlichsten vierzehn Tage zur Verfügung zu Wien blieb, ohne daß
ich vvrbelangt wurde, mich zu rechtfertigen?" -- "Kann sein, wie
Sie sagen . . . aber darüber wollen w!r ja hier nicht entscheiden.
Mir ist leid . . . Diesen Ihren Paß müssen Sie mir hier lassen.
Dafür erhalten Sie eine Marschroute nach Prag zurück. Sie müs¬
sen Teplitz binnen vierundzwanzig Stunden verlassen haben." --
"Wie, Herr Commissär? Das ist sonderbar. Ich komme ja eben von
Prag; ich war ja einen ganzen langen Tag in Prag; sehen Sie
meinen Paß an, was soll ich Ihnen lange betheuern?" . . . -- "Ja,
ja; ein Versehen. Aber ich erzuche Sie selbst -- eS ist nur zu Ih¬
rem wirklichen Besten; verlassen Sie Teplitz, wie ich Ihnen sage."
-- "Kann ich nicht wenigstens achtundvierzig Stunden?" ... --
-- "Erinnern Sie sich, was Amtspflicht ist; Sie dürfen nicht länger
bleiben; ja, wenn Sie früher abreisen wollten, so würden Sie sehr
weise daran thun, indem ^ le das Uebel nur erleichtern müßten." --
"Gut . . ." -- "Was werden Sie also thun, Herr Rank?" ---"Schil-
ler Sie mir -- die Marschroute." -- "Reisen Sie glücklich, wenn
ich Sie nicht mehr sehen sollte." -- "Ich danke, Herr Commissär."
-- " . . . Und trösten Sie sich," rief er mir freundlich nach -- "in
diesem Leben geht ja am Ende Alles vorüber . . . auch das Schlimm-


bin ich." — „Sie verzeihen, daß ich Sie früh Morgens schon rufen
lasse; aber es liegt daran, Ihnen bei Zeiten etwas Unangenehmes
mitzutheilen. . . Sie haben doch einen Paß, nicht wahr?" — „Wohl,
Herr Commissär." — „Schon. . . Dürft' ich bitten. . ." — „Hier
ist er." — „Schon. . . Sehen Sie — da ist mir dieses zugekom¬
men. . . (er ging zu seinem Schreibtische hin, nahm ein langes
Papier, las es stillschweigend ab und kam zurück). . . „Sie haben
sich eines Prcßvergehens schuldig gemacht, haben sich diesen Winter
einer Untersuchung in Wien entzogen. ..." — „Wie?" fiel ich ihm
in die Rede. — „Ich mich einer Untersuchung entzogen? Ich bin
letzten Winter von Wien nach Ungarn abgereist, ja; ich wollte einige
Monate in Preßburg verleben, davon weiß ich; aber ich kann nicht
zugeben, daß ich mich dadurch einer Untersuchung habe entziehen
wollen. Als ich abreiste, war ich noch zu keiner solchen vorgeladen;
imm Buch war vierzehn Tage im Buchhandel, ich in Wien, aber
ich wußte Nichts von einer Untersuchung. Wie sollte ich auch eine
solche noch zu befürchten haben, wenn ich den Behörden die ersten
gefährlichsten vierzehn Tage zur Verfügung zu Wien blieb, ohne daß
ich vvrbelangt wurde, mich zu rechtfertigen?" — „Kann sein, wie
Sie sagen . . . aber darüber wollen w!r ja hier nicht entscheiden.
Mir ist leid . . . Diesen Ihren Paß müssen Sie mir hier lassen.
Dafür erhalten Sie eine Marschroute nach Prag zurück. Sie müs¬
sen Teplitz binnen vierundzwanzig Stunden verlassen haben." —
„Wie, Herr Commissär? Das ist sonderbar. Ich komme ja eben von
Prag; ich war ja einen ganzen langen Tag in Prag; sehen Sie
meinen Paß an, was soll ich Ihnen lange betheuern?" . . . — „Ja,
ja; ein Versehen. Aber ich erzuche Sie selbst — eS ist nur zu Ih¬
rem wirklichen Besten; verlassen Sie Teplitz, wie ich Ihnen sage."
— „Kann ich nicht wenigstens achtundvierzig Stunden?" ... —
— „Erinnern Sie sich, was Amtspflicht ist; Sie dürfen nicht länger
bleiben; ja, wenn Sie früher abreisen wollten, so würden Sie sehr
weise daran thun, indem ^ le das Uebel nur erleichtern müßten." —
„Gut . . ." — „Was werden Sie also thun, Herr Rank?" —-„Schil-
ler Sie mir — die Marschroute." — „Reisen Sie glücklich, wenn
ich Sie nicht mehr sehen sollte." — „Ich danke, Herr Commissär."
— „ . . . Und trösten Sie sich," rief er mir freundlich nach — „in
diesem Leben geht ja am Ende Alles vorüber . . . auch das Schlimm-


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[0167] bin ich." — „Sie verzeihen, daß ich Sie früh Morgens schon rufen lasse; aber es liegt daran, Ihnen bei Zeiten etwas Unangenehmes mitzutheilen. . . Sie haben doch einen Paß, nicht wahr?" — „Wohl, Herr Commissär." — „Schon. . . Dürft' ich bitten. . ." — „Hier ist er." — „Schon. . . Sehen Sie — da ist mir dieses zugekom¬ men. . . (er ging zu seinem Schreibtische hin, nahm ein langes Papier, las es stillschweigend ab und kam zurück). . . „Sie haben sich eines Prcßvergehens schuldig gemacht, haben sich diesen Winter einer Untersuchung in Wien entzogen. ..." — „Wie?" fiel ich ihm in die Rede. — „Ich mich einer Untersuchung entzogen? Ich bin letzten Winter von Wien nach Ungarn abgereist, ja; ich wollte einige Monate in Preßburg verleben, davon weiß ich; aber ich kann nicht zugeben, daß ich mich dadurch einer Untersuchung habe entziehen wollen. Als ich abreiste, war ich noch zu keiner solchen vorgeladen; imm Buch war vierzehn Tage im Buchhandel, ich in Wien, aber ich wußte Nichts von einer Untersuchung. Wie sollte ich auch eine solche noch zu befürchten haben, wenn ich den Behörden die ersten gefährlichsten vierzehn Tage zur Verfügung zu Wien blieb, ohne daß ich vvrbelangt wurde, mich zu rechtfertigen?" — „Kann sein, wie Sie sagen . . . aber darüber wollen w!r ja hier nicht entscheiden. Mir ist leid . . . Diesen Ihren Paß müssen Sie mir hier lassen. Dafür erhalten Sie eine Marschroute nach Prag zurück. Sie müs¬ sen Teplitz binnen vierundzwanzig Stunden verlassen haben." — „Wie, Herr Commissär? Das ist sonderbar. Ich komme ja eben von Prag; ich war ja einen ganzen langen Tag in Prag; sehen Sie meinen Paß an, was soll ich Ihnen lange betheuern?" . . . — „Ja, ja; ein Versehen. Aber ich erzuche Sie selbst — eS ist nur zu Ih¬ rem wirklichen Besten; verlassen Sie Teplitz, wie ich Ihnen sage." — „Kann ich nicht wenigstens achtundvierzig Stunden?" ... — — „Erinnern Sie sich, was Amtspflicht ist; Sie dürfen nicht länger bleiben; ja, wenn Sie früher abreisen wollten, so würden Sie sehr weise daran thun, indem ^ le das Uebel nur erleichtern müßten." — „Gut . . ." — „Was werden Sie also thun, Herr Rank?" —-„Schil- ler Sie mir — die Marschroute." — „Reisen Sie glücklich, wenn ich Sie nicht mehr sehen sollte." — „Ich danke, Herr Commissär." — „ . . . Und trösten Sie sich," rief er mir freundlich nach — „in diesem Leben geht ja am Ende Alles vorüber . . . auch das Schlimm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/167>, abgerufen am 22.07.2024.