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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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um ein präciseres Censurgesetz zu bitten. Die Kölnische Zeitung trägt
kein Bedenken, dem beizupflichten. Die Kölnische Zeitung, ein Organ
jener Provinz, wo auf dem letzten Landtage die Sache der Pre߬
freiheit eine glänzende Majorität von 46 gegen 26 für sich hatte,
schämt sich nicht, muthlos das Prinzip der Preßfreiheit aufzugeben
und auf das zunächst Erreichbare genügsam und in aller Bescheidenheit
hinzuweisen. Das erinnert an die Taktik des Herold, der bekannt¬
lich immer das zunächst Erreichbare im Auge hat, der in seiner
Genügsamkeit, indem er die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen
d. h. Oeffentlichkeit der Sitzungen behandelt, die Preußen dahin
belehrt, daß "doch immer schon Viel erreicht wäre, wenn die Verhand¬
lungen wortgetreu, mit Namhaftmachung der Redner und ohne eine
andere, als die von den Ständen selbst geübte Censur veröffentlicht
werden dürsten." Eine alte Wahrheit, daß Etwas besser ist als
gar Nichts. Wozu vor der Zeit Beruhigungspulver verschreiben,
Resignation predigen und die hausbürgerliche Tugend der Beschei¬
denheit anpreisen? Ist es der Presse würdig, die Erwartungen her¬
abzustimmen, oder ist es ihrer würdig, höhere Saiten anzuschlagen?
Geziemt es nicht der Presse, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen?
Wollen wir unbedingte Oeffentlichkeit und Freiheit der Presse, so
haben wir unablässig dafür zu petitionircn. Die öffentliche Meinung
muß sich, ohne auf das Getute der unpolitischen Nachtwächter zu hö¬
ren, fest und bestimmt kundgeben.

"So unerläßlich es für den Begriff eines monarchischen Staates
ist, daß Landstände in demselben seien, so wäre gar keine zu ha¬
ben doch besser, als die Fortdauer jener Privilegien, jener Bedrüc¬
kung, Täuschung und Verdumpfung des Volkes zu dulden, ohnehin
besser, als Landstände zu haben, welche die Vertreter der Privilegien
der Aristokratie sind," versichert Hegel. "Demgemäß dürfte mindestens
ein Gleichgewicht in der Vertretung zu erzielen sein, indem die Ver¬
treter der Städte durch stärkere Vertretung der großen Städte, die
der Sitz der Intelligenz, -- verdoppelt, die der Landgemeinden ver¬
dreifacht würden. Der Grundbesitz ist Bedingung der Standschaft,
aber er dient nicht, wie man erwarten sollte, als Maßstab der Ver¬
tretung, indem in den östlichen Provinzen, mit Ausnahme Preußens,
die Herren und Ritter dreimal so viel Stimmen haben als die Land¬
gemeinden, in deren Händen der größte Theil des Grundeigenthums.


um ein präciseres Censurgesetz zu bitten. Die Kölnische Zeitung trägt
kein Bedenken, dem beizupflichten. Die Kölnische Zeitung, ein Organ
jener Provinz, wo auf dem letzten Landtage die Sache der Pre߬
freiheit eine glänzende Majorität von 46 gegen 26 für sich hatte,
schämt sich nicht, muthlos das Prinzip der Preßfreiheit aufzugeben
und auf das zunächst Erreichbare genügsam und in aller Bescheidenheit
hinzuweisen. Das erinnert an die Taktik des Herold, der bekannt¬
lich immer das zunächst Erreichbare im Auge hat, der in seiner
Genügsamkeit, indem er die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen
d. h. Oeffentlichkeit der Sitzungen behandelt, die Preußen dahin
belehrt, daß „doch immer schon Viel erreicht wäre, wenn die Verhand¬
lungen wortgetreu, mit Namhaftmachung der Redner und ohne eine
andere, als die von den Ständen selbst geübte Censur veröffentlicht
werden dürsten." Eine alte Wahrheit, daß Etwas besser ist als
gar Nichts. Wozu vor der Zeit Beruhigungspulver verschreiben,
Resignation predigen und die hausbürgerliche Tugend der Beschei¬
denheit anpreisen? Ist es der Presse würdig, die Erwartungen her¬
abzustimmen, oder ist es ihrer würdig, höhere Saiten anzuschlagen?
Geziemt es nicht der Presse, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen?
Wollen wir unbedingte Oeffentlichkeit und Freiheit der Presse, so
haben wir unablässig dafür zu petitionircn. Die öffentliche Meinung
muß sich, ohne auf das Getute der unpolitischen Nachtwächter zu hö¬
ren, fest und bestimmt kundgeben.

„So unerläßlich es für den Begriff eines monarchischen Staates
ist, daß Landstände in demselben seien, so wäre gar keine zu ha¬
ben doch besser, als die Fortdauer jener Privilegien, jener Bedrüc¬
kung, Täuschung und Verdumpfung des Volkes zu dulden, ohnehin
besser, als Landstände zu haben, welche die Vertreter der Privilegien
der Aristokratie sind," versichert Hegel. „Demgemäß dürfte mindestens
ein Gleichgewicht in der Vertretung zu erzielen sein, indem die Ver¬
treter der Städte durch stärkere Vertretung der großen Städte, die
der Sitz der Intelligenz, — verdoppelt, die der Landgemeinden ver¬
dreifacht würden. Der Grundbesitz ist Bedingung der Standschaft,
aber er dient nicht, wie man erwarten sollte, als Maßstab der Ver¬
tretung, indem in den östlichen Provinzen, mit Ausnahme Preußens,
die Herren und Ritter dreimal so viel Stimmen haben als die Land¬
gemeinden, in deren Händen der größte Theil des Grundeigenthums.


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[0159] um ein präciseres Censurgesetz zu bitten. Die Kölnische Zeitung trägt kein Bedenken, dem beizupflichten. Die Kölnische Zeitung, ein Organ jener Provinz, wo auf dem letzten Landtage die Sache der Pre߬ freiheit eine glänzende Majorität von 46 gegen 26 für sich hatte, schämt sich nicht, muthlos das Prinzip der Preßfreiheit aufzugeben und auf das zunächst Erreichbare genügsam und in aller Bescheidenheit hinzuweisen. Das erinnert an die Taktik des Herold, der bekannt¬ lich immer das zunächst Erreichbare im Auge hat, der in seiner Genügsamkeit, indem er die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen d. h. Oeffentlichkeit der Sitzungen behandelt, die Preußen dahin belehrt, daß „doch immer schon Viel erreicht wäre, wenn die Verhand¬ lungen wortgetreu, mit Namhaftmachung der Redner und ohne eine andere, als die von den Ständen selbst geübte Censur veröffentlicht werden dürsten." Eine alte Wahrheit, daß Etwas besser ist als gar Nichts. Wozu vor der Zeit Beruhigungspulver verschreiben, Resignation predigen und die hausbürgerliche Tugend der Beschei¬ denheit anpreisen? Ist es der Presse würdig, die Erwartungen her¬ abzustimmen, oder ist es ihrer würdig, höhere Saiten anzuschlagen? Geziemt es nicht der Presse, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen? Wollen wir unbedingte Oeffentlichkeit und Freiheit der Presse, so haben wir unablässig dafür zu petitionircn. Die öffentliche Meinung muß sich, ohne auf das Getute der unpolitischen Nachtwächter zu hö¬ ren, fest und bestimmt kundgeben. „So unerläßlich es für den Begriff eines monarchischen Staates ist, daß Landstände in demselben seien, so wäre gar keine zu ha¬ ben doch besser, als die Fortdauer jener Privilegien, jener Bedrüc¬ kung, Täuschung und Verdumpfung des Volkes zu dulden, ohnehin besser, als Landstände zu haben, welche die Vertreter der Privilegien der Aristokratie sind," versichert Hegel. „Demgemäß dürfte mindestens ein Gleichgewicht in der Vertretung zu erzielen sein, indem die Ver¬ treter der Städte durch stärkere Vertretung der großen Städte, die der Sitz der Intelligenz, — verdoppelt, die der Landgemeinden ver¬ dreifacht würden. Der Grundbesitz ist Bedingung der Standschaft, aber er dient nicht, wie man erwarten sollte, als Maßstab der Ver¬ tretung, indem in den östlichen Provinzen, mit Ausnahme Preußens, die Herren und Ritter dreimal so viel Stimmen haben als die Land¬ gemeinden, in deren Händen der größte Theil des Grundeigenthums.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/159>, abgerufen am 22.07.2024.