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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Oeffentlichkeit bekämpfen. Auffallend ist es und ein Beweis von
geringer politischer Bildung und von Gleichgiltigkeit gegen die stän¬
dische Institution, unter den Petitionen namhafter Städte die Oeffent¬
lichkeit der Ständeverhandlungen nicht genannt zu sehen.

Das Petuionsrecht ist in Preußen ausdrücklich anerkannt. Schon
nach dem Mg. Landrechte steht "einem Jeden frei, seine Zweifel, Ein¬
wendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andere Anordnun¬
gen, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel
und Verbesserungen anzuzeigen." Die Behörden sind ausdrücklich
verpflichtet, "dergleichen Anzeigen mit erforderlicher Aufmerksamkeit zu
prüfen." Durch das Gesetz über die Provinzialstände ist ausgespro¬
chen: "Bitten und Beschwerden, welche auf das specielle Wohl und
Interesse der ganzen Provinz oder eines Theils derselben Bezug haben,
sind von den Ständen anzunehmen." Es ist nicht blos erlaubt, eS
ist sogar die Pflicht eines guten Bürgers, wohl erwogene Zweifel,
Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze unumwunden aus¬
zusprechen und vorhandene Mängel aufzudecken. Es genügt nicht,
daß man darüber beim Bierkruge räsonnirt. Es ist nothwendig, daß
man sich öffentlich darüber ausspricht, damit die Regierung, was bei
einer censirten Presse nicht möglich, von der Stimmung, von den
Ansichten, den Hoffnungen und Wünschen des Volkes unterrichtet
werde. Auf dem Wege der Petition kann sich, und dies ist noth¬
wendig, die öffentliche Meinung entschieden und energisch ausspre¬
chen. Geschieht dies nicht, erwartet man Alles ohne eigene Thatkraft
von Oben her, dann darf man sich nicht wundern, wenn man wenig
oder gar Nichts erhält. Man hat nur seine eigene politische Faulheit
anzuklagen, wenn Mängel und Mißbräuche nicht abgestellt werden
weil man sie aufzudecken sich scheute, weil man nicht den Muth hattet
das Maul aufzuthun.

Einem freien intelligenten Volke ist die Freiheit der Presse, der
freie Ideen- und Gedankenaustausch das Wichtigste. Die kritisirende
Presse ist die Grundbedingung der Existenz eines freien Staates, da¬
mit die Gesetzgebung nicht erstarre und verknöchere. Unablässig und
unermüdet haben wir mit allen gesetzlichen Mitteln um ganze und
volle Freiheit der Presse zu kämpfen. Das Magdeburger Wochen¬
blatt meint freilich, da Preßfreiheit nicht gewährt würde, sei es besser,


Oeffentlichkeit bekämpfen. Auffallend ist es und ein Beweis von
geringer politischer Bildung und von Gleichgiltigkeit gegen die stän¬
dische Institution, unter den Petitionen namhafter Städte die Oeffent¬
lichkeit der Ständeverhandlungen nicht genannt zu sehen.

Das Petuionsrecht ist in Preußen ausdrücklich anerkannt. Schon
nach dem Mg. Landrechte steht „einem Jeden frei, seine Zweifel, Ein¬
wendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andere Anordnun¬
gen, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel
und Verbesserungen anzuzeigen." Die Behörden sind ausdrücklich
verpflichtet, „dergleichen Anzeigen mit erforderlicher Aufmerksamkeit zu
prüfen." Durch das Gesetz über die Provinzialstände ist ausgespro¬
chen: „Bitten und Beschwerden, welche auf das specielle Wohl und
Interesse der ganzen Provinz oder eines Theils derselben Bezug haben,
sind von den Ständen anzunehmen." Es ist nicht blos erlaubt, eS
ist sogar die Pflicht eines guten Bürgers, wohl erwogene Zweifel,
Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze unumwunden aus¬
zusprechen und vorhandene Mängel aufzudecken. Es genügt nicht,
daß man darüber beim Bierkruge räsonnirt. Es ist nothwendig, daß
man sich öffentlich darüber ausspricht, damit die Regierung, was bei
einer censirten Presse nicht möglich, von der Stimmung, von den
Ansichten, den Hoffnungen und Wünschen des Volkes unterrichtet
werde. Auf dem Wege der Petition kann sich, und dies ist noth¬
wendig, die öffentliche Meinung entschieden und energisch ausspre¬
chen. Geschieht dies nicht, erwartet man Alles ohne eigene Thatkraft
von Oben her, dann darf man sich nicht wundern, wenn man wenig
oder gar Nichts erhält. Man hat nur seine eigene politische Faulheit
anzuklagen, wenn Mängel und Mißbräuche nicht abgestellt werden
weil man sie aufzudecken sich scheute, weil man nicht den Muth hattet
das Maul aufzuthun.

Einem freien intelligenten Volke ist die Freiheit der Presse, der
freie Ideen- und Gedankenaustausch das Wichtigste. Die kritisirende
Presse ist die Grundbedingung der Existenz eines freien Staates, da¬
mit die Gesetzgebung nicht erstarre und verknöchere. Unablässig und
unermüdet haben wir mit allen gesetzlichen Mitteln um ganze und
volle Freiheit der Presse zu kämpfen. Das Magdeburger Wochen¬
blatt meint freilich, da Preßfreiheit nicht gewährt würde, sei es besser,


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[0158] Oeffentlichkeit bekämpfen. Auffallend ist es und ein Beweis von geringer politischer Bildung und von Gleichgiltigkeit gegen die stän¬ dische Institution, unter den Petitionen namhafter Städte die Oeffent¬ lichkeit der Ständeverhandlungen nicht genannt zu sehen. Das Petuionsrecht ist in Preußen ausdrücklich anerkannt. Schon nach dem Mg. Landrechte steht „einem Jeden frei, seine Zweifel, Ein¬ wendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andere Anordnun¬ gen, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und Verbesserungen anzuzeigen." Die Behörden sind ausdrücklich verpflichtet, „dergleichen Anzeigen mit erforderlicher Aufmerksamkeit zu prüfen." Durch das Gesetz über die Provinzialstände ist ausgespro¬ chen: „Bitten und Beschwerden, welche auf das specielle Wohl und Interesse der ganzen Provinz oder eines Theils derselben Bezug haben, sind von den Ständen anzunehmen." Es ist nicht blos erlaubt, eS ist sogar die Pflicht eines guten Bürgers, wohl erwogene Zweifel, Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze unumwunden aus¬ zusprechen und vorhandene Mängel aufzudecken. Es genügt nicht, daß man darüber beim Bierkruge räsonnirt. Es ist nothwendig, daß man sich öffentlich darüber ausspricht, damit die Regierung, was bei einer censirten Presse nicht möglich, von der Stimmung, von den Ansichten, den Hoffnungen und Wünschen des Volkes unterrichtet werde. Auf dem Wege der Petition kann sich, und dies ist noth¬ wendig, die öffentliche Meinung entschieden und energisch ausspre¬ chen. Geschieht dies nicht, erwartet man Alles ohne eigene Thatkraft von Oben her, dann darf man sich nicht wundern, wenn man wenig oder gar Nichts erhält. Man hat nur seine eigene politische Faulheit anzuklagen, wenn Mängel und Mißbräuche nicht abgestellt werden weil man sie aufzudecken sich scheute, weil man nicht den Muth hattet das Maul aufzuthun. Einem freien intelligenten Volke ist die Freiheit der Presse, der freie Ideen- und Gedankenaustausch das Wichtigste. Die kritisirende Presse ist die Grundbedingung der Existenz eines freien Staates, da¬ mit die Gesetzgebung nicht erstarre und verknöchere. Unablässig und unermüdet haben wir mit allen gesetzlichen Mitteln um ganze und volle Freiheit der Presse zu kämpfen. Das Magdeburger Wochen¬ blatt meint freilich, da Preßfreiheit nicht gewährt würde, sei es besser,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/158>, abgerufen am 22.07.2024.