Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

liebe Resultate liefern sollen, indem hier ausgewählte Stücke der älte¬
ren und neueren Literatur auf angemessene Weise zur Anschauung ge¬
bracht werden. -- Einen anderen Beleg zu unserer obigen Aussage
bilden die Abnahme und der schlechte Besuch der Virtuosenconcerte.
Es ist billig, daß der wahren Musik der gebührende Cultus erwiesen
wird, aber erfreulich ist es auf der anderen Seite, daß man den Ta¬
sten- und Saitentänzern weniger nachläuft und sich dem Ernsteren in
jeder Beziehung zu nähern sucht. -- Das besuchteste Concert in die¬
sem Jahre war das vor einigen Wochen vom Liederkranze zum Vor¬
theile der unglücklichen Bewohner von Felsberg veranstaltete-, die Ein¬
nahme des Abends und die dadurch angeregten Beiträge beliefen sich
auf mehr als dreitausend Gulden. -- Das Städel'sche Kunstinstitut,
um noch Etwas von der Malerei zu sagen, hat durch den Ankauf
einiger bedeutenden Gemälde älterer und neuerer Zeit auch einen schö¬
nen Aufschwung erhalten und schreitet ruhig vorwärts. Einen aus¬
führlichen Bericht behalten wir einem nächsten Briefe vor.


Leo Alt.
II.
A u S Wie ".
I.

Die Listfcicr und die Censur. -- Revue der Journale. -- Bciucrle, Wirthaucr,
Frank, Strande. -- Ungarische Jndustriewuth. -- Die Kölnische verboten. --
Sue und die Jesuiten.

Die Listfeier wird ohne Zweifel hier einen bedeutungsvollen
Nachhall finden, denn hat man auch in Dr. List blos den Götzen
des Materialismus föriren lassen wollen, die erwachten Geister be¬
mächtigen sich in jetzigen Tagen des Erlaubten nur darum, um dann
das Unerlaubte zu pflegen. Wahrhaft niederschlagend aber sind für
jedes patriotische Herz die tausendfachen Hindernisse, die man der
Mittheilung der festlichen Vorkommnisse in den Journalen in den
Weg legte. Von allen hiesigen Blättern unterzogen sich einzig die
im Geiste einer strebungsvollen Gesinnung redigirten "Sonntagsblät¬
ter" dem mühevollen Amte, dem größeren Publicum Kunde zu geben
von dem, was im Kreise weniger Beachtenswerthen gesprochen worden.
Doch soll, wie man hört, dieses kühne Unternehmen auf die größten
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem der Censor den Artikel als un¬
geeignet für die Publicität aufstrich (!) und selbst die Polizcihofstelle,
an welche sofort der Rekurs ergriffen ward, die Sache nicht erledigen
konnte, so daß der unschuldige Aufsatz den Weg in die Staatskanzlei
einschlagen mußte und dort von dem Staatskanzler in Person censirt



*) Siehe Grenzbote" Ur. 2: "Ein Zweckessen in Wien."

liebe Resultate liefern sollen, indem hier ausgewählte Stücke der älte¬
ren und neueren Literatur auf angemessene Weise zur Anschauung ge¬
bracht werden. — Einen anderen Beleg zu unserer obigen Aussage
bilden die Abnahme und der schlechte Besuch der Virtuosenconcerte.
Es ist billig, daß der wahren Musik der gebührende Cultus erwiesen
wird, aber erfreulich ist es auf der anderen Seite, daß man den Ta¬
sten- und Saitentänzern weniger nachläuft und sich dem Ernsteren in
jeder Beziehung zu nähern sucht. — Das besuchteste Concert in die¬
sem Jahre war das vor einigen Wochen vom Liederkranze zum Vor¬
theile der unglücklichen Bewohner von Felsberg veranstaltete-, die Ein¬
nahme des Abends und die dadurch angeregten Beiträge beliefen sich
auf mehr als dreitausend Gulden. — Das Städel'sche Kunstinstitut,
um noch Etwas von der Malerei zu sagen, hat durch den Ankauf
einiger bedeutenden Gemälde älterer und neuerer Zeit auch einen schö¬
nen Aufschwung erhalten und schreitet ruhig vorwärts. Einen aus¬
führlichen Bericht behalten wir einem nächsten Briefe vor.


Leo Alt.
II.
A u S Wie ».
I.

Die Listfcicr und die Censur. — Revue der Journale. — Bciucrle, Wirthaucr,
Frank, Strande. — Ungarische Jndustriewuth. — Die Kölnische verboten. —
Sue und die Jesuiten.

Die Listfeier wird ohne Zweifel hier einen bedeutungsvollen
Nachhall finden, denn hat man auch in Dr. List blos den Götzen
des Materialismus föriren lassen wollen, die erwachten Geister be¬
mächtigen sich in jetzigen Tagen des Erlaubten nur darum, um dann
das Unerlaubte zu pflegen. Wahrhaft niederschlagend aber sind für
jedes patriotische Herz die tausendfachen Hindernisse, die man der
Mittheilung der festlichen Vorkommnisse in den Journalen in den
Weg legte. Von allen hiesigen Blättern unterzogen sich einzig die
im Geiste einer strebungsvollen Gesinnung redigirten „Sonntagsblät¬
ter" dem mühevollen Amte, dem größeren Publicum Kunde zu geben
von dem, was im Kreise weniger Beachtenswerthen gesprochen worden.
Doch soll, wie man hört, dieses kühne Unternehmen auf die größten
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem der Censor den Artikel als un¬
geeignet für die Publicität aufstrich (!) und selbst die Polizcihofstelle,
an welche sofort der Rekurs ergriffen ward, die Sache nicht erledigen
konnte, so daß der unschuldige Aufsatz den Weg in die Staatskanzlei
einschlagen mußte und dort von dem Staatskanzler in Person censirt



*) Siehe Grenzbote» Ur. 2: „Ein Zweckessen in Wien."
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269560"/>
            <p xml:id="ID_428" prev="#ID_427"> liebe Resultate liefern sollen, indem hier ausgewählte Stücke der älte¬<lb/>
ren und neueren Literatur auf angemessene Weise zur Anschauung ge¬<lb/>
bracht werden. &#x2014; Einen anderen Beleg zu unserer obigen Aussage<lb/>
bilden die Abnahme und der schlechte Besuch der Virtuosenconcerte.<lb/>
Es ist billig, daß der wahren Musik der gebührende Cultus erwiesen<lb/>
wird, aber erfreulich ist es auf der anderen Seite, daß man den Ta¬<lb/>
sten- und Saitentänzern weniger nachläuft und sich dem Ernsteren in<lb/>
jeder Beziehung zu nähern sucht. &#x2014; Das besuchteste Concert in die¬<lb/>
sem Jahre war das vor einigen Wochen vom Liederkranze zum Vor¬<lb/>
theile der unglücklichen Bewohner von Felsberg veranstaltete-, die Ein¬<lb/>
nahme des Abends und die dadurch angeregten Beiträge beliefen sich<lb/>
auf mehr als dreitausend Gulden. &#x2014; Das Städel'sche Kunstinstitut,<lb/>
um noch Etwas von der Malerei zu sagen, hat durch den Ankauf<lb/>
einiger bedeutenden Gemälde älterer und neuerer Zeit auch einen schö¬<lb/>
nen Aufschwung erhalten und schreitet ruhig vorwärts. Einen aus¬<lb/>
führlichen Bericht behalten wir einem nächsten Briefe vor.</p><lb/>
            <note type="byline"> Leo Alt.</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II.<lb/>
A u S Wie ».</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> I.</head><lb/>
              <note type="argument"> Die Listfcicr und die Censur. &#x2014; Revue der Journale. &#x2014; Bciucrle, Wirthaucr,<lb/>
Frank, Strande. &#x2014; Ungarische Jndustriewuth. &#x2014; Die Kölnische verboten. &#x2014;<lb/>
Sue und die Jesuiten.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_429" next="#ID_430"> Die Listfeier wird ohne Zweifel hier einen bedeutungsvollen<lb/>
Nachhall finden, denn hat man auch in Dr. List blos den Götzen<lb/>
des Materialismus föriren lassen wollen, die erwachten Geister be¬<lb/>
mächtigen sich in jetzigen Tagen des Erlaubten nur darum, um dann<lb/>
das Unerlaubte zu pflegen. Wahrhaft niederschlagend aber sind für<lb/>
jedes patriotische Herz die tausendfachen Hindernisse, die man der<lb/>
Mittheilung der festlichen Vorkommnisse in den Journalen in den<lb/>
Weg legte. Von allen hiesigen Blättern unterzogen sich einzig die<lb/>
im Geiste einer strebungsvollen Gesinnung redigirten &#x201E;Sonntagsblät¬<lb/>
ter" dem mühevollen Amte, dem größeren Publicum Kunde zu geben<lb/>
von dem, was im Kreise weniger Beachtenswerthen gesprochen worden.<lb/>
Doch soll, wie man hört, dieses kühne Unternehmen auf die größten<lb/>
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem der Censor den Artikel als un¬<lb/>
geeignet für die Publicität aufstrich (!) und selbst die Polizcihofstelle,<lb/>
an welche sofort der Rekurs ergriffen ward, die Sache nicht erledigen<lb/>
konnte, so daß der unschuldige Aufsatz den Weg in die Staatskanzlei<lb/>
einschlagen mußte und dort von dem Staatskanzler in Person censirt</p><lb/>
              <note xml:id="FID_23" place="foot"> *) Siehe Grenzbote» Ur. 2: &#x201E;Ein Zweckessen in Wien."</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0143] liebe Resultate liefern sollen, indem hier ausgewählte Stücke der älte¬ ren und neueren Literatur auf angemessene Weise zur Anschauung ge¬ bracht werden. — Einen anderen Beleg zu unserer obigen Aussage bilden die Abnahme und der schlechte Besuch der Virtuosenconcerte. Es ist billig, daß der wahren Musik der gebührende Cultus erwiesen wird, aber erfreulich ist es auf der anderen Seite, daß man den Ta¬ sten- und Saitentänzern weniger nachläuft und sich dem Ernsteren in jeder Beziehung zu nähern sucht. — Das besuchteste Concert in die¬ sem Jahre war das vor einigen Wochen vom Liederkranze zum Vor¬ theile der unglücklichen Bewohner von Felsberg veranstaltete-, die Ein¬ nahme des Abends und die dadurch angeregten Beiträge beliefen sich auf mehr als dreitausend Gulden. — Das Städel'sche Kunstinstitut, um noch Etwas von der Malerei zu sagen, hat durch den Ankauf einiger bedeutenden Gemälde älterer und neuerer Zeit auch einen schö¬ nen Aufschwung erhalten und schreitet ruhig vorwärts. Einen aus¬ führlichen Bericht behalten wir einem nächsten Briefe vor. Leo Alt. II. A u S Wie ». I. Die Listfcicr und die Censur. — Revue der Journale. — Bciucrle, Wirthaucr, Frank, Strande. — Ungarische Jndustriewuth. — Die Kölnische verboten. — Sue und die Jesuiten. Die Listfeier wird ohne Zweifel hier einen bedeutungsvollen Nachhall finden, denn hat man auch in Dr. List blos den Götzen des Materialismus föriren lassen wollen, die erwachten Geister be¬ mächtigen sich in jetzigen Tagen des Erlaubten nur darum, um dann das Unerlaubte zu pflegen. Wahrhaft niederschlagend aber sind für jedes patriotische Herz die tausendfachen Hindernisse, die man der Mittheilung der festlichen Vorkommnisse in den Journalen in den Weg legte. Von allen hiesigen Blättern unterzogen sich einzig die im Geiste einer strebungsvollen Gesinnung redigirten „Sonntagsblät¬ ter" dem mühevollen Amte, dem größeren Publicum Kunde zu geben von dem, was im Kreise weniger Beachtenswerthen gesprochen worden. Doch soll, wie man hört, dieses kühne Unternehmen auf die größten Schwierigkeiten gestoßen sein, indem der Censor den Artikel als un¬ geeignet für die Publicität aufstrich (!) und selbst die Polizcihofstelle, an welche sofort der Rekurs ergriffen ward, die Sache nicht erledigen konnte, so daß der unschuldige Aufsatz den Weg in die Staatskanzlei einschlagen mußte und dort von dem Staatskanzler in Person censirt *) Siehe Grenzbote» Ur. 2: „Ein Zweckessen in Wien."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/143
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/143>, abgerufen am 22.07.2024.