Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

handle; und jetzt läugnen beide Theile diese Unterstellungen -- von
der Aufnahme der Jsraeliten ist keine Rede mehr -- aber trotz der
Protestationen der Logen zu Mainz und Darmstadt bleibt die des
Pietismus und Schottenthums beschuldigte Loge Karl ausgeschlossen,
welchem Großlogenbeschlusse sich in neuerer Zeit sogar eine hiesige,
früher schwankende Loge angeschlossen haben soll, die jetzt die Vermitt¬
lung zwischen den mit dem Aufschlüsse bedrohten Logen der genannten
Städte und der Mutterloge zu Frankfurt übernehmen wolle.

So hatten denn die Pietisten hier abermals eine Niederlage er¬
litten, Niederlagen, die um so schmerzlicher sind, als der Streit nur
dazu gedient hat, die früher mehr gleichgiltigen freien Denker der
Gegenparte! als kräftige Stützen zuzugefellen, wodurch noch unter den
Rationalisten das kirchliche und religiöse Interesse sich mehr und mehr
hebt.

Sie sehen, daß auch die Frankfurter nicht unberührt bleiben von
den Fragen der Zeit. Daher werden Sie sich denken können, daß
Ronge's Sendschreiben auch hier nicht unberücksichtigt blieb. Es muß
jedoch wohl bemerkt werden, daß die confessionelle Frage hierbei durch¬
aus nicht in Betracht kommt. Die Freude über die kühne, kräftige
Sprache des katholischen Priesters war nicht deshalb so allgemein,
weil die Protestanten darin eine dem Katholicismus beigebrachte Wunde
erblickt hätten, sondern die Freunde des Lichts freuten sich der Fort¬
schritts der guten Sache, -- ja es gab Protestanten genug, die es
tadelten, daß Ronge die Reformatoren erwähnt habe in seinem Schrei¬
ben -- sie erheben in ihm nicht den Protestanten, sondern den Na¬
tionalisten, der sich dem unwürdigen Geistesdrucke entzieht, sie sehen
in ihm ein Vorbild auch für Protestanten, das Joch der Geistesknecht¬
schaft abzustreifen und fortzuschreiten auf der Bahn protestantischer
Freiheit. -- Kein Wunder war es übrigens, daß eifrige AnHanger der
Hierarchie dem Eindrucke entgegenzuarbeiten versuchten. Die Wider¬
legung des berühmten Briefes, die als Beilage der Aschassenburger
Zeitung erschienen war, wurde in Tausenden von Eremplaren gratis
vertheilt, ohne jedoch die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Alles
ist für Ronge und seinen Feuereifer.

Das Interesse am Ausbau des Kölner Doms, welches hier nie
sehr groß war, hat in letzterer Zeit ganzlich nachgelassen, ja es haben
sich bei mehreren Gelegenheiten Stimmen dagegen erhoben, seitdem
man erkannt hat, daß die Absicht der Erreger jenes künstlichen En¬
thusiasmus keineswegs die früher vorgeschobene: ein Denkmal deut¬
scher Einheit gegen fremden Einfluß zu errichten: sondern vielmehr die
ist, in Köln ein prächtiges Se. Peter, einen hierarchischen Mittelpunkt
gegen den Protestantismus auszustellen. Das erhellt für uns, die wir
dieser Stadt durch Eisenbahnen und Dampfschiffe jetzt so nahe sind,
vornehmlich aus dem Umstände, daß die ungeheueren Summen, die


17 -i-

handle; und jetzt läugnen beide Theile diese Unterstellungen — von
der Aufnahme der Jsraeliten ist keine Rede mehr — aber trotz der
Protestationen der Logen zu Mainz und Darmstadt bleibt die des
Pietismus und Schottenthums beschuldigte Loge Karl ausgeschlossen,
welchem Großlogenbeschlusse sich in neuerer Zeit sogar eine hiesige,
früher schwankende Loge angeschlossen haben soll, die jetzt die Vermitt¬
lung zwischen den mit dem Aufschlüsse bedrohten Logen der genannten
Städte und der Mutterloge zu Frankfurt übernehmen wolle.

So hatten denn die Pietisten hier abermals eine Niederlage er¬
litten, Niederlagen, die um so schmerzlicher sind, als der Streit nur
dazu gedient hat, die früher mehr gleichgiltigen freien Denker der
Gegenparte! als kräftige Stützen zuzugefellen, wodurch noch unter den
Rationalisten das kirchliche und religiöse Interesse sich mehr und mehr
hebt.

Sie sehen, daß auch die Frankfurter nicht unberührt bleiben von
den Fragen der Zeit. Daher werden Sie sich denken können, daß
Ronge's Sendschreiben auch hier nicht unberücksichtigt blieb. Es muß
jedoch wohl bemerkt werden, daß die confessionelle Frage hierbei durch¬
aus nicht in Betracht kommt. Die Freude über die kühne, kräftige
Sprache des katholischen Priesters war nicht deshalb so allgemein,
weil die Protestanten darin eine dem Katholicismus beigebrachte Wunde
erblickt hätten, sondern die Freunde des Lichts freuten sich der Fort¬
schritts der guten Sache, — ja es gab Protestanten genug, die es
tadelten, daß Ronge die Reformatoren erwähnt habe in seinem Schrei¬
ben — sie erheben in ihm nicht den Protestanten, sondern den Na¬
tionalisten, der sich dem unwürdigen Geistesdrucke entzieht, sie sehen
in ihm ein Vorbild auch für Protestanten, das Joch der Geistesknecht¬
schaft abzustreifen und fortzuschreiten auf der Bahn protestantischer
Freiheit. — Kein Wunder war es übrigens, daß eifrige AnHanger der
Hierarchie dem Eindrucke entgegenzuarbeiten versuchten. Die Wider¬
legung des berühmten Briefes, die als Beilage der Aschassenburger
Zeitung erschienen war, wurde in Tausenden von Eremplaren gratis
vertheilt, ohne jedoch die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Alles
ist für Ronge und seinen Feuereifer.

Das Interesse am Ausbau des Kölner Doms, welches hier nie
sehr groß war, hat in letzterer Zeit ganzlich nachgelassen, ja es haben
sich bei mehreren Gelegenheiten Stimmen dagegen erhoben, seitdem
man erkannt hat, daß die Absicht der Erreger jenes künstlichen En¬
thusiasmus keineswegs die früher vorgeschobene: ein Denkmal deut¬
scher Einheit gegen fremden Einfluß zu errichten: sondern vielmehr die
ist, in Köln ein prächtiges Se. Peter, einen hierarchischen Mittelpunkt
gegen den Protestantismus auszustellen. Das erhellt für uns, die wir
dieser Stadt durch Eisenbahnen und Dampfschiffe jetzt so nahe sind,
vornehmlich aus dem Umstände, daß die ungeheueren Summen, die


17 -i-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269558"/>
            <p xml:id="ID_420" prev="#ID_419"> handle; und jetzt läugnen beide Theile diese Unterstellungen &#x2014; von<lb/>
der Aufnahme der Jsraeliten ist keine Rede mehr &#x2014; aber trotz der<lb/>
Protestationen der Logen zu Mainz und Darmstadt bleibt die des<lb/>
Pietismus und Schottenthums beschuldigte Loge Karl ausgeschlossen,<lb/>
welchem Großlogenbeschlusse sich in neuerer Zeit sogar eine hiesige,<lb/>
früher schwankende Loge angeschlossen haben soll, die jetzt die Vermitt¬<lb/>
lung zwischen den mit dem Aufschlüsse bedrohten Logen der genannten<lb/>
Städte und der Mutterloge zu Frankfurt übernehmen wolle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_421"> So hatten denn die Pietisten hier abermals eine Niederlage er¬<lb/>
litten, Niederlagen, die um so schmerzlicher sind, als der Streit nur<lb/>
dazu gedient hat, die früher mehr gleichgiltigen freien Denker der<lb/>
Gegenparte! als kräftige Stützen zuzugefellen, wodurch noch unter den<lb/>
Rationalisten das kirchliche und religiöse Interesse sich mehr und mehr<lb/>
hebt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_422"> Sie sehen, daß auch die Frankfurter nicht unberührt bleiben von<lb/>
den Fragen der Zeit. Daher werden Sie sich denken können, daß<lb/>
Ronge's Sendschreiben auch hier nicht unberücksichtigt blieb. Es muß<lb/>
jedoch wohl bemerkt werden, daß die confessionelle Frage hierbei durch¬<lb/>
aus nicht in Betracht kommt. Die Freude über die kühne, kräftige<lb/>
Sprache des katholischen Priesters war nicht deshalb so allgemein,<lb/>
weil die Protestanten darin eine dem Katholicismus beigebrachte Wunde<lb/>
erblickt hätten, sondern die Freunde des Lichts freuten sich der Fort¬<lb/>
schritts der guten Sache, &#x2014; ja es gab Protestanten genug, die es<lb/>
tadelten, daß Ronge die Reformatoren erwähnt habe in seinem Schrei¬<lb/>
ben &#x2014; sie erheben in ihm nicht den Protestanten, sondern den Na¬<lb/>
tionalisten, der sich dem unwürdigen Geistesdrucke entzieht, sie sehen<lb/>
in ihm ein Vorbild auch für Protestanten, das Joch der Geistesknecht¬<lb/>
schaft abzustreifen und fortzuschreiten auf der Bahn protestantischer<lb/>
Freiheit. &#x2014; Kein Wunder war es übrigens, daß eifrige AnHanger der<lb/>
Hierarchie dem Eindrucke entgegenzuarbeiten versuchten. Die Wider¬<lb/>
legung des berühmten Briefes, die als Beilage der Aschassenburger<lb/>
Zeitung erschienen war, wurde in Tausenden von Eremplaren gratis<lb/>
vertheilt, ohne jedoch die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Alles<lb/>
ist für Ronge und seinen Feuereifer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_423" next="#ID_424"> Das Interesse am Ausbau des Kölner Doms, welches hier nie<lb/>
sehr groß war, hat in letzterer Zeit ganzlich nachgelassen, ja es haben<lb/>
sich bei mehreren Gelegenheiten Stimmen dagegen erhoben, seitdem<lb/>
man erkannt hat, daß die Absicht der Erreger jenes künstlichen En¬<lb/>
thusiasmus keineswegs die früher vorgeschobene: ein Denkmal deut¬<lb/>
scher Einheit gegen fremden Einfluß zu errichten: sondern vielmehr die<lb/>
ist, in Köln ein prächtiges Se. Peter, einen hierarchischen Mittelpunkt<lb/>
gegen den Protestantismus auszustellen. Das erhellt für uns, die wir<lb/>
dieser Stadt durch Eisenbahnen und Dampfschiffe jetzt so nahe sind,<lb/>
vornehmlich aus dem Umstände, daß die ungeheueren Summen, die</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 17 -i-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] handle; und jetzt läugnen beide Theile diese Unterstellungen — von der Aufnahme der Jsraeliten ist keine Rede mehr — aber trotz der Protestationen der Logen zu Mainz und Darmstadt bleibt die des Pietismus und Schottenthums beschuldigte Loge Karl ausgeschlossen, welchem Großlogenbeschlusse sich in neuerer Zeit sogar eine hiesige, früher schwankende Loge angeschlossen haben soll, die jetzt die Vermitt¬ lung zwischen den mit dem Aufschlüsse bedrohten Logen der genannten Städte und der Mutterloge zu Frankfurt übernehmen wolle. So hatten denn die Pietisten hier abermals eine Niederlage er¬ litten, Niederlagen, die um so schmerzlicher sind, als der Streit nur dazu gedient hat, die früher mehr gleichgiltigen freien Denker der Gegenparte! als kräftige Stützen zuzugefellen, wodurch noch unter den Rationalisten das kirchliche und religiöse Interesse sich mehr und mehr hebt. Sie sehen, daß auch die Frankfurter nicht unberührt bleiben von den Fragen der Zeit. Daher werden Sie sich denken können, daß Ronge's Sendschreiben auch hier nicht unberücksichtigt blieb. Es muß jedoch wohl bemerkt werden, daß die confessionelle Frage hierbei durch¬ aus nicht in Betracht kommt. Die Freude über die kühne, kräftige Sprache des katholischen Priesters war nicht deshalb so allgemein, weil die Protestanten darin eine dem Katholicismus beigebrachte Wunde erblickt hätten, sondern die Freunde des Lichts freuten sich der Fort¬ schritts der guten Sache, — ja es gab Protestanten genug, die es tadelten, daß Ronge die Reformatoren erwähnt habe in seinem Schrei¬ ben — sie erheben in ihm nicht den Protestanten, sondern den Na¬ tionalisten, der sich dem unwürdigen Geistesdrucke entzieht, sie sehen in ihm ein Vorbild auch für Protestanten, das Joch der Geistesknecht¬ schaft abzustreifen und fortzuschreiten auf der Bahn protestantischer Freiheit. — Kein Wunder war es übrigens, daß eifrige AnHanger der Hierarchie dem Eindrucke entgegenzuarbeiten versuchten. Die Wider¬ legung des berühmten Briefes, die als Beilage der Aschassenburger Zeitung erschienen war, wurde in Tausenden von Eremplaren gratis vertheilt, ohne jedoch die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Alles ist für Ronge und seinen Feuereifer. Das Interesse am Ausbau des Kölner Doms, welches hier nie sehr groß war, hat in letzterer Zeit ganzlich nachgelassen, ja es haben sich bei mehreren Gelegenheiten Stimmen dagegen erhoben, seitdem man erkannt hat, daß die Absicht der Erreger jenes künstlichen En¬ thusiasmus keineswegs die früher vorgeschobene: ein Denkmal deut¬ scher Einheit gegen fremden Einfluß zu errichten: sondern vielmehr die ist, in Köln ein prächtiges Se. Peter, einen hierarchischen Mittelpunkt gegen den Protestantismus auszustellen. Das erhellt für uns, die wir dieser Stadt durch Eisenbahnen und Dampfschiffe jetzt so nahe sind, vornehmlich aus dem Umstände, daß die ungeheueren Summen, die 17 -i-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/141
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/141>, abgerufen am 22.07.2024.