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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Thon', besonders eins nack> dem Taunuseiscnbahnhof, sind nöthig;
aber man zaudert und zaudert, bis einige Unglücksfälle die Sache un-
abweislich gemacht haben werden. -- Ueberhaupt erinnert gar Vieles
hier an das weltberühmte Abdera. Ich denke stets an den prächtigen
Brunnen jener guten Leute, dem nach seiner Vollenvung Nichts als
das Wasser fehlte, wenn ich in die mit herrlich architektonischem
Schwunge ausgeführte Se. Paulskirche trete, die für den protestanti¬
schen Gottesdienst bestimmt ist. Die schönste Symmetrie, die pracht¬
vollste Wölbung, eine mächtige, klangvolle Orgel -- Nichts fehlt, als
daß man den Prediger verstehen könne; dies ist aber rein unmöglich
durch den tausendfachen Widerhall in dem hohen Gewölbe. Laßt sich
aber hie und da eine Stimme hören, die zu Versuchen auffordert,
diesem Uebelstande ein Ende zu machen, so spricht man von den un¬
erschwinglichen Kosten einiger hundert Gulden -- und Alles bleibt
beim Alten. -- Nichts desto weniger verschönert die Stadt sich mehr
und mehr, ^ die Mainbrücke erhielt ihren Kaiser Karl -- der Allec-
platz feinen Göthe; der Quai am Mainufer machte den vielen Kla¬
gen endlich ein Ende und die Börse mit ihrem doppelten Styl erhob
sich in der Nähe des Römers, wo sich die Kaisecbilder zur Ausschmük-
kung des früheren Krönungssaales mehr und mehr versammeln, der
Thurm der Nicolaikirche wurde in entsprechendem Style ausgebaut,
und Gleiches denkt man mit den berühmten Pfarrthürmcn vorzu¬
nehmen.

Findet jedoch von Seiten der oberen Behörden eine gewisse gut¬
müthige Behäbigkeit, die sich nicht übcceilen will, statt, fo beginnt da¬
für in den mittleren Ständen ein kräftigerer Geist sich zu zeigen. -
Schon in den unruhigen dreißiger Jahren hatte eine Petition für
Preßfreiheit lebhaften Anklang gefunden und eine große Zahl Unter¬
schriften erhalten, hatte aber, bei der damals eingetretenen Reaction,
den Unterzeichnern mancherlei Verlegenheiten bereitet. Jetzt ist es der
Kirchenvorstand, welcher, da er einen entschiedenen Einfluß auf die
Pfarrwahlcn und sonstige kirchliche Angelegenheiten erlangt hat (Sa¬
chen, die früher von dem Consistorium und dem Senate mit unbe¬
schränkter Vollmacht versehen wurden), die Gemüther in Bewegung
setzt- ^ Bei einer neulichen Erneuerung stimmte die Bürgerschaft iri
Masse und das Resultat war der Sieg der freier denkenden Partei.
Ueberhaupt wendet man den kirchlichen Interessen auch hier mehr und
mehr seine Aufmerksamkeit zu, wovon der bekannte Logenstreit ein
schlagendes Beispiel gibt. Die neueren Resultate desselben sind viel¬
leicht noch Wenigen bekannt. Im Anfange schien es, als ob es sich
von der einen Seite um die Aufnahme der Jsraeliten in diese, am
hiesigen Orte ihrer Constitution nach christlichen Institute, von der
anderen Seite um die Einführung des kirchlich-dogmatischen Lehrbe¬
griffs der protestantischen Kirche pietistischer Richtung in derselben


Thon', besonders eins nack> dem Taunuseiscnbahnhof, sind nöthig;
aber man zaudert und zaudert, bis einige Unglücksfälle die Sache un-
abweislich gemacht haben werden. — Ueberhaupt erinnert gar Vieles
hier an das weltberühmte Abdera. Ich denke stets an den prächtigen
Brunnen jener guten Leute, dem nach seiner Vollenvung Nichts als
das Wasser fehlte, wenn ich in die mit herrlich architektonischem
Schwunge ausgeführte Se. Paulskirche trete, die für den protestanti¬
schen Gottesdienst bestimmt ist. Die schönste Symmetrie, die pracht¬
vollste Wölbung, eine mächtige, klangvolle Orgel — Nichts fehlt, als
daß man den Prediger verstehen könne; dies ist aber rein unmöglich
durch den tausendfachen Widerhall in dem hohen Gewölbe. Laßt sich
aber hie und da eine Stimme hören, die zu Versuchen auffordert,
diesem Uebelstande ein Ende zu machen, so spricht man von den un¬
erschwinglichen Kosten einiger hundert Gulden — und Alles bleibt
beim Alten. — Nichts desto weniger verschönert die Stadt sich mehr
und mehr, ^ die Mainbrücke erhielt ihren Kaiser Karl — der Allec-
platz feinen Göthe; der Quai am Mainufer machte den vielen Kla¬
gen endlich ein Ende und die Börse mit ihrem doppelten Styl erhob
sich in der Nähe des Römers, wo sich die Kaisecbilder zur Ausschmük-
kung des früheren Krönungssaales mehr und mehr versammeln, der
Thurm der Nicolaikirche wurde in entsprechendem Style ausgebaut,
und Gleiches denkt man mit den berühmten Pfarrthürmcn vorzu¬
nehmen.

Findet jedoch von Seiten der oberen Behörden eine gewisse gut¬
müthige Behäbigkeit, die sich nicht übcceilen will, statt, fo beginnt da¬
für in den mittleren Ständen ein kräftigerer Geist sich zu zeigen. -
Schon in den unruhigen dreißiger Jahren hatte eine Petition für
Preßfreiheit lebhaften Anklang gefunden und eine große Zahl Unter¬
schriften erhalten, hatte aber, bei der damals eingetretenen Reaction,
den Unterzeichnern mancherlei Verlegenheiten bereitet. Jetzt ist es der
Kirchenvorstand, welcher, da er einen entschiedenen Einfluß auf die
Pfarrwahlcn und sonstige kirchliche Angelegenheiten erlangt hat (Sa¬
chen, die früher von dem Consistorium und dem Senate mit unbe¬
schränkter Vollmacht versehen wurden), die Gemüther in Bewegung
setzt- ^ Bei einer neulichen Erneuerung stimmte die Bürgerschaft iri
Masse und das Resultat war der Sieg der freier denkenden Partei.
Ueberhaupt wendet man den kirchlichen Interessen auch hier mehr und
mehr seine Aufmerksamkeit zu, wovon der bekannte Logenstreit ein
schlagendes Beispiel gibt. Die neueren Resultate desselben sind viel¬
leicht noch Wenigen bekannt. Im Anfange schien es, als ob es sich
von der einen Seite um die Aufnahme der Jsraeliten in diese, am
hiesigen Orte ihrer Constitution nach christlichen Institute, von der
anderen Seite um die Einführung des kirchlich-dogmatischen Lehrbe¬
griffs der protestantischen Kirche pietistischer Richtung in derselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/140>, abgerufen am 22.07.2024.