Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.ten der Fall ist. Natur- und Liebeleben tönen in einander, jeder Ein freier Fels im Sonnenschein, Die Lieder "aus der Gegenwart," "aus Osten," "aus Böhmen" ten der Fall ist. Natur- und Liebeleben tönen in einander, jeder Ein freier Fels im Sonnenschein, Die Lieder „aus der Gegenwart," „aus Osten," „aus Böhmen" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269553"/> <p xml:id="ID_409" prev="#ID_408"> ten der Fall ist. Natur- und Liebeleben tönen in einander, jeder<lb/> Schmerz findet seinen Trost, jede Lust ihre Weihe. Besonders heben<lb/> wir hervor „Lied in der Nacht," „Seit sie gestorben," „Von Ihr,"<lb/> das Sonnett „Des Kindes Weinen im Schlafe" u. a. in. Am tref¬<lb/> fendsten bezeichnet der Dichter selbst sein Gefühl heiterer Herzensfülle<lb/> in wehmüthiger Einsamkeit durch das kühne Bild, das er auf sich<lb/> anwendet:</p><lb/> <quote> Ein freier Fels im Sonnenschein,<lb/> Im Herzen Quellenbrausen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_410" next="#ID_411"> Die Lieder „aus der Gegenwart," „aus Osten," „aus Böhmen"<lb/> und die „böhmischen Elegien" sollen uns zu keiner Debatte über po¬<lb/> litische Poesie verleiten; wir haben gefunden: wenn politische Gedichte<lb/> nur wirklich Gedichte sind, so sind sie'ö trotz aller Aesthetik.<lb/> Der Pedant ruft hinterher: Das gilt nicht; auf diesen Stoff hätte<lb/> gar kein Gedicht gemacht werden sollen: ergo darf es nicht gut sein.<lb/> Aber der Stoff ist in der Regel sehr unschuldig. Die Freiheit ist<lb/> eine Modearie geworden, wie einst der liebe Mond; sie muß sich's<lb/> gefallen lassen, daß der Eine sie singt, der Andere sie pfeift oder<lb/> bellt. Daß sie ein Thema für die Träume des Poeten sein muß,<lb/> beweist sie ja selber dadurch, daß sie nicht in Erfüllung geht. —<lb/> Die politischen Gedichte Hartmann's gehören zu den besten,<lb/> die wir kennen; da ist kein Zeitungsnachgeschmack, keine ausgepol¬<lb/> sterte Rhetorik; sie sind eben aus demselben heißen Herzquell ent¬<lb/> sprungen, wie seine andern Gedichte. Es sind keine todten Doctrinen,<lb/> keine theoretischen Quintessenzen, die er gewaltsam zu beleben sucht,<lb/> sondern unmittelbare Anschauungen, kühn aus dem Leben gegriffene<lb/> Bilder, die wieder zum Leben sprechen; eine glückliche Vereinigung<lb/> von männlicher Entschiedenheit, die nur auf Thaten Gewicht legt,<lb/> nur Thaten feiert, von Innigkeit des Gemüths und leuchtender Phan¬<lb/> tasie gibt ihnen romantischen Reiz und reiche Abwechslung. Alle<lb/> Töne der Zeit sind in diesen originellen Produktionen angeschlagen:<lb/> von der kleinlauten Sehnsucht des jungen Oesterreichers in der „Rütli-<lb/> rose" bis zu der drohenden Vision in der vortrefflichen Ballade: „Zu<lb/> spät!" Die beiden herrlichen Gedichte auf Kaiser Joseph („Die Zwei"<lb/> und „ein Sterbelager") sind darum so ergreifend, weil uns der ganze<lb/> Joseph, mit seiner schonen tragischen Schuld und seinem beneidenswerthen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
ten der Fall ist. Natur- und Liebeleben tönen in einander, jeder
Schmerz findet seinen Trost, jede Lust ihre Weihe. Besonders heben
wir hervor „Lied in der Nacht," „Seit sie gestorben," „Von Ihr,"
das Sonnett „Des Kindes Weinen im Schlafe" u. a. in. Am tref¬
fendsten bezeichnet der Dichter selbst sein Gefühl heiterer Herzensfülle
in wehmüthiger Einsamkeit durch das kühne Bild, das er auf sich
anwendet:
Ein freier Fels im Sonnenschein,
Im Herzen Quellenbrausen.
Die Lieder „aus der Gegenwart," „aus Osten," „aus Böhmen"
und die „böhmischen Elegien" sollen uns zu keiner Debatte über po¬
litische Poesie verleiten; wir haben gefunden: wenn politische Gedichte
nur wirklich Gedichte sind, so sind sie'ö trotz aller Aesthetik.
Der Pedant ruft hinterher: Das gilt nicht; auf diesen Stoff hätte
gar kein Gedicht gemacht werden sollen: ergo darf es nicht gut sein.
Aber der Stoff ist in der Regel sehr unschuldig. Die Freiheit ist
eine Modearie geworden, wie einst der liebe Mond; sie muß sich's
gefallen lassen, daß der Eine sie singt, der Andere sie pfeift oder
bellt. Daß sie ein Thema für die Träume des Poeten sein muß,
beweist sie ja selber dadurch, daß sie nicht in Erfüllung geht. —
Die politischen Gedichte Hartmann's gehören zu den besten,
die wir kennen; da ist kein Zeitungsnachgeschmack, keine ausgepol¬
sterte Rhetorik; sie sind eben aus demselben heißen Herzquell ent¬
sprungen, wie seine andern Gedichte. Es sind keine todten Doctrinen,
keine theoretischen Quintessenzen, die er gewaltsam zu beleben sucht,
sondern unmittelbare Anschauungen, kühn aus dem Leben gegriffene
Bilder, die wieder zum Leben sprechen; eine glückliche Vereinigung
von männlicher Entschiedenheit, die nur auf Thaten Gewicht legt,
nur Thaten feiert, von Innigkeit des Gemüths und leuchtender Phan¬
tasie gibt ihnen romantischen Reiz und reiche Abwechslung. Alle
Töne der Zeit sind in diesen originellen Produktionen angeschlagen:
von der kleinlauten Sehnsucht des jungen Oesterreichers in der „Rütli-
rose" bis zu der drohenden Vision in der vortrefflichen Ballade: „Zu
spät!" Die beiden herrlichen Gedichte auf Kaiser Joseph („Die Zwei"
und „ein Sterbelager") sind darum so ergreifend, weil uns der ganze
Joseph, mit seiner schonen tragischen Schuld und seinem beneidenswerthen
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