Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.Unglück, weil uns der individuelle Mensch Joseph darin so nahe ge¬ O Böhmen, fremdes, grünes Blatt denn der Dichter weiß zum Abschied für seine Heimath kein Heil zu An Deutschlands Halse wem' Dich aus, Noch einer Dichtung muß ich besonders Erwähnung thun: "Der Ich wollte, der Verfasser hätte nicht zuweilen die Form etwas Unglück, weil uns der individuelle Mensch Joseph darin so nahe ge¬ O Böhmen, fremdes, grünes Blatt denn der Dichter weiß zum Abschied für seine Heimath kein Heil zu An Deutschlands Halse wem' Dich aus, Noch einer Dichtung muß ich besonders Erwähnung thun: „Der Ich wollte, der Verfasser hätte nicht zuweilen die Form etwas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269554"/> <p xml:id="ID_411" prev="#ID_410" next="#ID_412"> Unglück, weil uns der individuelle Mensch Joseph darin so nahe ge¬<lb/> rückt ist und mit einem Hauch seines Mundes einwebt. Von Prin¬<lb/> zipien ist da keine Rede. Die Romanze, „der deutsche Knecht," die<lb/> liebliche Chanson „Wenn ich ein Konig wär'!" das sind echte poli-<lb/> tische Gedichte. Noch sind zu erwähnen die Polenlieder in der Ab¬<lb/> theilung „aus Osten," zwei sehr gelungene Bilder „aus Böhmen"<lb/> und vor Allem die „böhmischen Elegien." Der Dichter hat darin<lb/> der Heimath seine Pietät bewiesen. Die Apotheose des czechischen<lb/> Nationalunglücks ist zugleich die Apologie czcchischer Nationalfehler;<lb/> doppelt elegisch aber ist der Schluß:</p><lb/> <quote> O Böhmen, fremdes, grünes Blatt<lb/> Von einem fremden Wunderbäume, —</quote><lb/> <p xml:id="ID_412" prev="#ID_411" next="#ID_413"> denn der Dichter weiß zum Abschied für seine Heimath kein Heil zu<lb/> finden, als in der äußersten Selbstverläugnung.</p><lb/> <quote> An Deutschlands Halse wem' Dich aus,<lb/> An seinem schmerzverwandtcn Herzen,<lb/> Geöffnet steht sein weites Haus<lb/> Für alle großen den'gen Schmerzen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_413" prev="#ID_412"> Noch einer Dichtung muß ich besonders Erwähnung thun: „Der<lb/> Meister", ein lyrisch-episches Gedicht voll glänzender Romantik und<lb/> sinniger Bedeutung. Ein Maure läßt sich verleiten, den Christen ei¬<lb/> nen Tempel zu bauen, und büßt dafür als Marabut in der Wüste.<lb/> Vortrefflich ist die Entstehung des gothischen Domes nach dem Cha¬<lb/> rakter des nordischen Eichenwalds dargestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_414" next="#ID_415"> Ich wollte, der Verfasser hätte nicht zuweilen die Form etwas<lb/> vernachlässigt; manchmal fehlt die allerletzte Feile. Es gibt an einem<lb/> Liede so Viel zu thun, denn wie die kleinste Blume ihren kunstreichen<lb/> Organismus hat trotz Pappel und Eiche, so hat das kleinste Lied¬<lb/> chen seine Composition, seinen künstlerischen Bau gerade wie Novelle<lb/> oder Drama. Darin finde ich am Verfasser wenig oder Nichts zu<lb/> rügen: ich meine vielmehr, weil dies so sehr beschäftigt, wird oft ein<lb/> falscher Reim oder harter Vers leicht übersehen. Das ist dem Ver¬<lb/> fasser zuweilen begegnet, und ich erlaube mir, ihn deshalb vor Denen<lb/> Zu entschuldigen, die mehr auf vollkommen ausgeglättete Verse, als<lb/> ""f Einfachheit und Natürlichkeit des Ausdrucks sehen. Man pflegt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Unglück, weil uns der individuelle Mensch Joseph darin so nahe ge¬
rückt ist und mit einem Hauch seines Mundes einwebt. Von Prin¬
zipien ist da keine Rede. Die Romanze, „der deutsche Knecht," die
liebliche Chanson „Wenn ich ein Konig wär'!" das sind echte poli-
tische Gedichte. Noch sind zu erwähnen die Polenlieder in der Ab¬
theilung „aus Osten," zwei sehr gelungene Bilder „aus Böhmen"
und vor Allem die „böhmischen Elegien." Der Dichter hat darin
der Heimath seine Pietät bewiesen. Die Apotheose des czechischen
Nationalunglücks ist zugleich die Apologie czcchischer Nationalfehler;
doppelt elegisch aber ist der Schluß:
O Böhmen, fremdes, grünes Blatt
Von einem fremden Wunderbäume, —
denn der Dichter weiß zum Abschied für seine Heimath kein Heil zu
finden, als in der äußersten Selbstverläugnung.
An Deutschlands Halse wem' Dich aus,
An seinem schmerzverwandtcn Herzen,
Geöffnet steht sein weites Haus
Für alle großen den'gen Schmerzen.
Noch einer Dichtung muß ich besonders Erwähnung thun: „Der
Meister", ein lyrisch-episches Gedicht voll glänzender Romantik und
sinniger Bedeutung. Ein Maure läßt sich verleiten, den Christen ei¬
nen Tempel zu bauen, und büßt dafür als Marabut in der Wüste.
Vortrefflich ist die Entstehung des gothischen Domes nach dem Cha¬
rakter des nordischen Eichenwalds dargestellt.
Ich wollte, der Verfasser hätte nicht zuweilen die Form etwas
vernachlässigt; manchmal fehlt die allerletzte Feile. Es gibt an einem
Liede so Viel zu thun, denn wie die kleinste Blume ihren kunstreichen
Organismus hat trotz Pappel und Eiche, so hat das kleinste Lied¬
chen seine Composition, seinen künstlerischen Bau gerade wie Novelle
oder Drama. Darin finde ich am Verfasser wenig oder Nichts zu
rügen: ich meine vielmehr, weil dies so sehr beschäftigt, wird oft ein
falscher Reim oder harter Vers leicht übersehen. Das ist dem Ver¬
fasser zuweilen begegnet, und ich erlaube mir, ihn deshalb vor Denen
Zu entschuldigen, die mehr auf vollkommen ausgeglättete Verse, als
""f Einfachheit und Natürlichkeit des Ausdrucks sehen. Man pflegt
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