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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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neue neue System des katholischen KaplanS Dr. Scala, den sein
theologisches Studium so unbefriedigt ließ, daß er sich mit aller Macht
auf die mathematischen Wissenschaften warf und im Gebiet der Me¬
chanik einen mythischen Unsinn ausgebrütet hat; eine wahre Legende
der Mechanik, die bis zur Stunde weder einen Gläubigen noch einen
Eregeten gefunden hat. Ein sehr geistvoll aufgefaßtes Project von
einem Wegbaumeister aus Botzen dagegen verdient in mancher Be¬
ziehung volle Berücksichtigung, wenn auch die Idee nicht gerade für
die vorliegende Frage anwendbar erscheint. Sie besteht in der Be¬
nützung der in den Gebirgen befindlichen Wasserkraft, welche mittelst
mannichfacher Vorrichtungen zu einem großen Ganzen vereinigt und
dann als Triebkraft verwendet werden soll, indem das natürliche
Gefälle, durch den Druck vermehrt, allein schon hinreicht, die Lasten
auf- und abwärts zu befördern. Auf Ebenen zumal dürste die durch
Durchstiche bei weiten Flußkrümmunge" gewonnene Wasserkraft mit
großer Ersparniß und bestem Erfolg in Anwendung gebracht werden.

Negrelli, vordem beim Bau der Nordbahn beschäftigt, ist von
der Staatsverwaltung provisorisch angestellt worden mit viertausend
Gulden Gehalt und zweitausend Gulden Personalzulage, da der Hof¬
rath FranceSconi selbst nur viertausend Gulden bezieht, und dem
Erstem doch nicht weniger angeboten werden konnte, als er bereits
in seiner früheren Eigenschaft bei dem Direktorium der Nordbalm
besessen. Die Laufbahn dieses Mannes gehört unstreitig zu den
merkwürdigen, denn Anfangs der dreißiger Jahre lebte derselbe mit
dreihundert Gulden Besoldung und Familie zu Bregenz als Weg¬
weiser. Da bot it,in die Regulinmg des Limhflusses in der Schweiz
die erste Gelegenheit dar, seine Kenntnisse und Talente zu zeigen,
und die Raschheit, womit er sich aller neuen Gedanken auf dem
Felde der Technik bemächtigte, und der bedeutende Ruf, den ihm
seine hydrotechnischen Arbeiten schnell erworben hatten, veranlaßten
1835, seine Berufung nach Wien, wo eben erst die Nordbahn in
Begriff genommen worden. Die Schweizer haben ihn für seine
Verdienste reichlich belohnt, wie es denn auch als ein Beweis der
öffemlichcn Anerkennung dieser Republik gelten kann, daß er von den
meisten schweizerischen gelehrten Körperschaften zum Mitglied er¬
nannt wurde.

Ebenfalls in der Eigenschaft als Oberinspector fungirt der in


neue neue System des katholischen KaplanS Dr. Scala, den sein
theologisches Studium so unbefriedigt ließ, daß er sich mit aller Macht
auf die mathematischen Wissenschaften warf und im Gebiet der Me¬
chanik einen mythischen Unsinn ausgebrütet hat; eine wahre Legende
der Mechanik, die bis zur Stunde weder einen Gläubigen noch einen
Eregeten gefunden hat. Ein sehr geistvoll aufgefaßtes Project von
einem Wegbaumeister aus Botzen dagegen verdient in mancher Be¬
ziehung volle Berücksichtigung, wenn auch die Idee nicht gerade für
die vorliegende Frage anwendbar erscheint. Sie besteht in der Be¬
nützung der in den Gebirgen befindlichen Wasserkraft, welche mittelst
mannichfacher Vorrichtungen zu einem großen Ganzen vereinigt und
dann als Triebkraft verwendet werden soll, indem das natürliche
Gefälle, durch den Druck vermehrt, allein schon hinreicht, die Lasten
auf- und abwärts zu befördern. Auf Ebenen zumal dürste die durch
Durchstiche bei weiten Flußkrümmunge» gewonnene Wasserkraft mit
großer Ersparniß und bestem Erfolg in Anwendung gebracht werden.

Negrelli, vordem beim Bau der Nordbahn beschäftigt, ist von
der Staatsverwaltung provisorisch angestellt worden mit viertausend
Gulden Gehalt und zweitausend Gulden Personalzulage, da der Hof¬
rath FranceSconi selbst nur viertausend Gulden bezieht, und dem
Erstem doch nicht weniger angeboten werden konnte, als er bereits
in seiner früheren Eigenschaft bei dem Direktorium der Nordbalm
besessen. Die Laufbahn dieses Mannes gehört unstreitig zu den
merkwürdigen, denn Anfangs der dreißiger Jahre lebte derselbe mit
dreihundert Gulden Besoldung und Familie zu Bregenz als Weg¬
weiser. Da bot it,in die Regulinmg des Limhflusses in der Schweiz
die erste Gelegenheit dar, seine Kenntnisse und Talente zu zeigen,
und die Raschheit, womit er sich aller neuen Gedanken auf dem
Felde der Technik bemächtigte, und der bedeutende Ruf, den ihm
seine hydrotechnischen Arbeiten schnell erworben hatten, veranlaßten
1835, seine Berufung nach Wien, wo eben erst die Nordbahn in
Begriff genommen worden. Die Schweizer haben ihn für seine
Verdienste reichlich belohnt, wie es denn auch als ein Beweis der
öffemlichcn Anerkennung dieser Republik gelten kann, daß er von den
meisten schweizerischen gelehrten Körperschaften zum Mitglied er¬
nannt wurde.

Ebenfalls in der Eigenschaft als Oberinspector fungirt der in


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[0114] neue neue System des katholischen KaplanS Dr. Scala, den sein theologisches Studium so unbefriedigt ließ, daß er sich mit aller Macht auf die mathematischen Wissenschaften warf und im Gebiet der Me¬ chanik einen mythischen Unsinn ausgebrütet hat; eine wahre Legende der Mechanik, die bis zur Stunde weder einen Gläubigen noch einen Eregeten gefunden hat. Ein sehr geistvoll aufgefaßtes Project von einem Wegbaumeister aus Botzen dagegen verdient in mancher Be¬ ziehung volle Berücksichtigung, wenn auch die Idee nicht gerade für die vorliegende Frage anwendbar erscheint. Sie besteht in der Be¬ nützung der in den Gebirgen befindlichen Wasserkraft, welche mittelst mannichfacher Vorrichtungen zu einem großen Ganzen vereinigt und dann als Triebkraft verwendet werden soll, indem das natürliche Gefälle, durch den Druck vermehrt, allein schon hinreicht, die Lasten auf- und abwärts zu befördern. Auf Ebenen zumal dürste die durch Durchstiche bei weiten Flußkrümmunge» gewonnene Wasserkraft mit großer Ersparniß und bestem Erfolg in Anwendung gebracht werden. Negrelli, vordem beim Bau der Nordbahn beschäftigt, ist von der Staatsverwaltung provisorisch angestellt worden mit viertausend Gulden Gehalt und zweitausend Gulden Personalzulage, da der Hof¬ rath FranceSconi selbst nur viertausend Gulden bezieht, und dem Erstem doch nicht weniger angeboten werden konnte, als er bereits in seiner früheren Eigenschaft bei dem Direktorium der Nordbalm besessen. Die Laufbahn dieses Mannes gehört unstreitig zu den merkwürdigen, denn Anfangs der dreißiger Jahre lebte derselbe mit dreihundert Gulden Besoldung und Familie zu Bregenz als Weg¬ weiser. Da bot it,in die Regulinmg des Limhflusses in der Schweiz die erste Gelegenheit dar, seine Kenntnisse und Talente zu zeigen, und die Raschheit, womit er sich aller neuen Gedanken auf dem Felde der Technik bemächtigte, und der bedeutende Ruf, den ihm seine hydrotechnischen Arbeiten schnell erworben hatten, veranlaßten 1835, seine Berufung nach Wien, wo eben erst die Nordbahn in Begriff genommen worden. Die Schweizer haben ihn für seine Verdienste reichlich belohnt, wie es denn auch als ein Beweis der öffemlichcn Anerkennung dieser Republik gelten kann, daß er von den meisten schweizerischen gelehrten Körperschaften zum Mitglied er¬ nannt wurde. Ebenfalls in der Eigenschaft als Oberinspector fungirt der in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/114>, abgerufen am 22.07.2024.