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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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als höchster Hofstelle untersteht, während die Direktion der Staats-
cisenbahne" zum Ressort der allgemeinen Hofkammer gehört. Sind
die projectirten drei Linien nach Salzburg, Sachsen und Tuche ein¬
mal fertig, (denn die vierte, von Venedig nach Mailand, kommt
wahrscheinlich durch die Actiencompagnie zu Stande), und der Be¬
trieb fest geregelt, so ist gar kein Grund mehr vorhanden, warum
die Baubehörde derselben nicht mit der allgemeinen (Zentralstelle für
Straßen-, Brücken- lind Wasserbau vereinigt werden sollte, denn ge¬
nau genommen, fällt der Eisenbahnbau doch nur in die Rubrik des
Straßenbaues, von dem es nur eine Abart bildet.

Chef der genannten Direction ist der Hofrath FranceSconi,
ein Italiener von Geburt, eine mathematische Organisation, wie man
sie bei dem sanguinischen Volk des Südens häufiger findet, als man
sonst vermuthen möchte; seine ganze Thätigkeit ist dermalen der Aus¬
führung der großartigen Ideen des Hofkammervräsidenten gewidmet;
und in der That sind die in Begriff genommenen und projectirten
Bahnlinien einmal zu Vollendung gediehen, so hat der Erbauer der¬
selben sich darin ein Denkmal errichtet, das dauern wird, so lange
der Dampf sein lautes Zepter führt und die eisernen Nosse die Län¬
der der Menschen durchfliegen. Wer die Terrainschwierigkeiten zwi¬
schen Brünn und der böhmischen Grenze, zwischen Prag und dem
sächsischen Gebiet und endlich die im Thale der Mur kennt wird
die ungeheuren Anstrengungen zu beurtheilen im Stande sein, welche
erforderlich waren oder sein werden, um diese unerhörten Hindernisse
zu besiegen. Die Krone deS ganzen cisenfcsten Werkes wird indeß
ohne Zweifel die Bahnführung durch Kärnthen und Krain bilden,
dessen felsiger, zerklüfteter Boden dem Bau die schwierigsten Probleme
stellt, namentlich werden zahllose Mauerarbciten nothwendig werden,
welche die Baukosten nicht wenig vermehren und die ganze Linie
gleichsam in einen großen Viadnct, in einen Mauerwcg verwandeln.
In Betreff der Ueberschreitung des Sömmerings, der das Vorbild
für alle ähnlichen Gebirgsübergängc werden soll, ist noch immer kein
definitiver Beschluß gefaßt worden, obschon an die dreißig verschie¬
denartigsten Vorschläge darüber amtlich eingelaufen sind, sowohl vom
In- als Auslande, worunter freilich manche Ausgeburten des schüler¬
haftesten Dilettantismus und des crassesten Dünkels zu finden sein
mögen. Dahin gehört vor Allen auch daS bereits im Druck crschie-


als höchster Hofstelle untersteht, während die Direktion der Staats-
cisenbahne» zum Ressort der allgemeinen Hofkammer gehört. Sind
die projectirten drei Linien nach Salzburg, Sachsen und Tuche ein¬
mal fertig, (denn die vierte, von Venedig nach Mailand, kommt
wahrscheinlich durch die Actiencompagnie zu Stande), und der Be¬
trieb fest geregelt, so ist gar kein Grund mehr vorhanden, warum
die Baubehörde derselben nicht mit der allgemeinen (Zentralstelle für
Straßen-, Brücken- lind Wasserbau vereinigt werden sollte, denn ge¬
nau genommen, fällt der Eisenbahnbau doch nur in die Rubrik des
Straßenbaues, von dem es nur eine Abart bildet.

Chef der genannten Direction ist der Hofrath FranceSconi,
ein Italiener von Geburt, eine mathematische Organisation, wie man
sie bei dem sanguinischen Volk des Südens häufiger findet, als man
sonst vermuthen möchte; seine ganze Thätigkeit ist dermalen der Aus¬
führung der großartigen Ideen des Hofkammervräsidenten gewidmet;
und in der That sind die in Begriff genommenen und projectirten
Bahnlinien einmal zu Vollendung gediehen, so hat der Erbauer der¬
selben sich darin ein Denkmal errichtet, das dauern wird, so lange
der Dampf sein lautes Zepter führt und die eisernen Nosse die Län¬
der der Menschen durchfliegen. Wer die Terrainschwierigkeiten zwi¬
schen Brünn und der böhmischen Grenze, zwischen Prag und dem
sächsischen Gebiet und endlich die im Thale der Mur kennt wird
die ungeheuren Anstrengungen zu beurtheilen im Stande sein, welche
erforderlich waren oder sein werden, um diese unerhörten Hindernisse
zu besiegen. Die Krone deS ganzen cisenfcsten Werkes wird indeß
ohne Zweifel die Bahnführung durch Kärnthen und Krain bilden,
dessen felsiger, zerklüfteter Boden dem Bau die schwierigsten Probleme
stellt, namentlich werden zahllose Mauerarbciten nothwendig werden,
welche die Baukosten nicht wenig vermehren und die ganze Linie
gleichsam in einen großen Viadnct, in einen Mauerwcg verwandeln.
In Betreff der Ueberschreitung des Sömmerings, der das Vorbild
für alle ähnlichen Gebirgsübergängc werden soll, ist noch immer kein
definitiver Beschluß gefaßt worden, obschon an die dreißig verschie¬
denartigsten Vorschläge darüber amtlich eingelaufen sind, sowohl vom
In- als Auslande, worunter freilich manche Ausgeburten des schüler¬
haftesten Dilettantismus und des crassesten Dünkels zu finden sein
mögen. Dahin gehört vor Allen auch daS bereits im Druck crschie-


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[0113] als höchster Hofstelle untersteht, während die Direktion der Staats- cisenbahne» zum Ressort der allgemeinen Hofkammer gehört. Sind die projectirten drei Linien nach Salzburg, Sachsen und Tuche ein¬ mal fertig, (denn die vierte, von Venedig nach Mailand, kommt wahrscheinlich durch die Actiencompagnie zu Stande), und der Be¬ trieb fest geregelt, so ist gar kein Grund mehr vorhanden, warum die Baubehörde derselben nicht mit der allgemeinen (Zentralstelle für Straßen-, Brücken- lind Wasserbau vereinigt werden sollte, denn ge¬ nau genommen, fällt der Eisenbahnbau doch nur in die Rubrik des Straßenbaues, von dem es nur eine Abart bildet. Chef der genannten Direction ist der Hofrath FranceSconi, ein Italiener von Geburt, eine mathematische Organisation, wie man sie bei dem sanguinischen Volk des Südens häufiger findet, als man sonst vermuthen möchte; seine ganze Thätigkeit ist dermalen der Aus¬ führung der großartigen Ideen des Hofkammervräsidenten gewidmet; und in der That sind die in Begriff genommenen und projectirten Bahnlinien einmal zu Vollendung gediehen, so hat der Erbauer der¬ selben sich darin ein Denkmal errichtet, das dauern wird, so lange der Dampf sein lautes Zepter führt und die eisernen Nosse die Län¬ der der Menschen durchfliegen. Wer die Terrainschwierigkeiten zwi¬ schen Brünn und der böhmischen Grenze, zwischen Prag und dem sächsischen Gebiet und endlich die im Thale der Mur kennt wird die ungeheuren Anstrengungen zu beurtheilen im Stande sein, welche erforderlich waren oder sein werden, um diese unerhörten Hindernisse zu besiegen. Die Krone deS ganzen cisenfcsten Werkes wird indeß ohne Zweifel die Bahnführung durch Kärnthen und Krain bilden, dessen felsiger, zerklüfteter Boden dem Bau die schwierigsten Probleme stellt, namentlich werden zahllose Mauerarbciten nothwendig werden, welche die Baukosten nicht wenig vermehren und die ganze Linie gleichsam in einen großen Viadnct, in einen Mauerwcg verwandeln. In Betreff der Ueberschreitung des Sömmerings, der das Vorbild für alle ähnlichen Gebirgsübergängc werden soll, ist noch immer kein definitiver Beschluß gefaßt worden, obschon an die dreißig verschie¬ denartigsten Vorschläge darüber amtlich eingelaufen sind, sowohl vom In- als Auslande, worunter freilich manche Ausgeburten des schüler¬ haftesten Dilettantismus und des crassesten Dünkels zu finden sein mögen. Dahin gehört vor Allen auch daS bereits im Druck crschie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/113>, abgerufen am 22.07.2024.