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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Bandiera und Moro eingeleiteten kriegsgerichtlichen Untersuchungen
einen moralischen Zustand enthüllt haben, der nur durch eine durch¬
greifende Reform geheilt werden kann. Die Abtheilung für die Ma¬
rineangelegenheiten des kaiserlich königlichen Hofkriegsrathes beschäftigt
sich eben sehr eifrig mit Ausarbeitung der betreffenden Vorschläge,
welche demnächst dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt werden sol¬
len. Als eine vorläufige Maßregel ist die Versetzung des Obercom¬
mandanten, des Admirals Marchese von Paulucci, in den Ruhestand
und die gleichzeitige Ernennung des Erzherzogs Friedrich zum Admi¬
ral und Ehef der österreichischen Kriegsmarine zu betrachten. Die
Untersuchung ist noch lange nicht geschlossen, und wenn auch die Re¬
sultate ihrem ganzen Inhalte nach nicht bekannt werden sollten, wie
man dies hier schon gewohnt ist, so werden die Hauptergebnisse da¬
von wohl in den Vorkehrungen zu erkennen sein, welche man zu er¬
greifen für nöthig finden dürfte. Das Schicksal der beiden Bandiera
erregt, wie groß auch ihre Verblendung und ihre Pflichtvergessenheit
sein mochte, dennoch Bedauern, und die österreichische Regierung hat
sehr weise gehandelt, daß sie nicht auf der Auslieferung der Flücht¬
linge bestanden und somit den neapolitanischen Behörden die blutige
Vollstreckung des Urtheils zugewälzt hat. Der Vater dieser Unglück¬
lichen wird allgemein als ein tüchtiger Krieger und "Seemann geschil¬
dert, der, wie viele andere alte Offiziere der österreichischen Armee,
unter den Adlern Frankreichs gedient und 1815 in österreichischen
Militärdienst kam. Seitdem man weiß, daß sein väterlicher Einfluß
aus seine Söhne nur gering gewesen und diese schon mit der Mutter¬
milch das stolze venetianische Aristokratenblut getrunken haben, das in
zweifachen Haß gegen die Deutschen und gegen die monarchische Re¬
gierung entbrannt, erregt seine Stellung um so mehr das tiefste Mit¬
leid, weshalb man auch dem Gerücht Glauben zu schenken geneigt
ist, welches den Viceadmiral Baron Bandiera von aller Schuld rein
wäscht und ihm die Anerkenntnis) seiner Unschuld in Aussicht stellt.
Die beklagenswerthe Mutter weiß noch immer nicht die ganze schreck¬
liche Wahrheit und wähnt ihre Söhne im offenen Kampfe gefallen.
Sie läßt zahllose Seelenmessen in Venedigs Kirchen ablesen und sieht
in den Geopferten ruhmvolle Märtyrer der republikanischen Sache.

Herr von Holbein ist von seiner deutschen Entdeckungsreise früher
zurückgekehrt, als er beabsichtigt hatte, indem der unerwartete Besuch
des Königs von Preußen in Wien seine Anwesenheit nothwendig zu
machen schien. Der König hat das Hofburgtheater und das Schlo߬
theater in Schönbrunn besucht, und in beiden wurden dem Verel)^
der Antigone und des Oedipus französische Possen, wie z. B. ,,^any
Mitternacht" aufgetischt. In einem Abendzirkel trug ein Herr ^au-
mann österreichische Schnaderhüpfeln mit Iitherbegleitung vor.
derselbe einen Brillantring bekommen, wissen wir nicht.


Bandiera und Moro eingeleiteten kriegsgerichtlichen Untersuchungen
einen moralischen Zustand enthüllt haben, der nur durch eine durch¬
greifende Reform geheilt werden kann. Die Abtheilung für die Ma¬
rineangelegenheiten des kaiserlich königlichen Hofkriegsrathes beschäftigt
sich eben sehr eifrig mit Ausarbeitung der betreffenden Vorschläge,
welche demnächst dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt werden sol¬
len. Als eine vorläufige Maßregel ist die Versetzung des Obercom¬
mandanten, des Admirals Marchese von Paulucci, in den Ruhestand
und die gleichzeitige Ernennung des Erzherzogs Friedrich zum Admi¬
ral und Ehef der österreichischen Kriegsmarine zu betrachten. Die
Untersuchung ist noch lange nicht geschlossen, und wenn auch die Re¬
sultate ihrem ganzen Inhalte nach nicht bekannt werden sollten, wie
man dies hier schon gewohnt ist, so werden die Hauptergebnisse da¬
von wohl in den Vorkehrungen zu erkennen sein, welche man zu er¬
greifen für nöthig finden dürfte. Das Schicksal der beiden Bandiera
erregt, wie groß auch ihre Verblendung und ihre Pflichtvergessenheit
sein mochte, dennoch Bedauern, und die österreichische Regierung hat
sehr weise gehandelt, daß sie nicht auf der Auslieferung der Flücht¬
linge bestanden und somit den neapolitanischen Behörden die blutige
Vollstreckung des Urtheils zugewälzt hat. Der Vater dieser Unglück¬
lichen wird allgemein als ein tüchtiger Krieger und »Seemann geschil¬
dert, der, wie viele andere alte Offiziere der österreichischen Armee,
unter den Adlern Frankreichs gedient und 1815 in österreichischen
Militärdienst kam. Seitdem man weiß, daß sein väterlicher Einfluß
aus seine Söhne nur gering gewesen und diese schon mit der Mutter¬
milch das stolze venetianische Aristokratenblut getrunken haben, das in
zweifachen Haß gegen die Deutschen und gegen die monarchische Re¬
gierung entbrannt, erregt seine Stellung um so mehr das tiefste Mit¬
leid, weshalb man auch dem Gerücht Glauben zu schenken geneigt
ist, welches den Viceadmiral Baron Bandiera von aller Schuld rein
wäscht und ihm die Anerkenntnis) seiner Unschuld in Aussicht stellt.
Die beklagenswerthe Mutter weiß noch immer nicht die ganze schreck¬
liche Wahrheit und wähnt ihre Söhne im offenen Kampfe gefallen.
Sie läßt zahllose Seelenmessen in Venedigs Kirchen ablesen und sieht
in den Geopferten ruhmvolle Märtyrer der republikanischen Sache.

Herr von Holbein ist von seiner deutschen Entdeckungsreise früher
zurückgekehrt, als er beabsichtigt hatte, indem der unerwartete Besuch
des Königs von Preußen in Wien seine Anwesenheit nothwendig zu
machen schien. Der König hat das Hofburgtheater und das Schlo߬
theater in Schönbrunn besucht, und in beiden wurden dem Verel)^
der Antigone und des Oedipus französische Possen, wie z. B. ,,^any
Mitternacht" aufgetischt. In einem Abendzirkel trug ein Herr ^au-
mann österreichische Schnaderhüpfeln mit Iitherbegleitung vor.
derselbe einen Brillantring bekommen, wissen wir nicht.


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[0088] Bandiera und Moro eingeleiteten kriegsgerichtlichen Untersuchungen einen moralischen Zustand enthüllt haben, der nur durch eine durch¬ greifende Reform geheilt werden kann. Die Abtheilung für die Ma¬ rineangelegenheiten des kaiserlich königlichen Hofkriegsrathes beschäftigt sich eben sehr eifrig mit Ausarbeitung der betreffenden Vorschläge, welche demnächst dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt werden sol¬ len. Als eine vorläufige Maßregel ist die Versetzung des Obercom¬ mandanten, des Admirals Marchese von Paulucci, in den Ruhestand und die gleichzeitige Ernennung des Erzherzogs Friedrich zum Admi¬ ral und Ehef der österreichischen Kriegsmarine zu betrachten. Die Untersuchung ist noch lange nicht geschlossen, und wenn auch die Re¬ sultate ihrem ganzen Inhalte nach nicht bekannt werden sollten, wie man dies hier schon gewohnt ist, so werden die Hauptergebnisse da¬ von wohl in den Vorkehrungen zu erkennen sein, welche man zu er¬ greifen für nöthig finden dürfte. Das Schicksal der beiden Bandiera erregt, wie groß auch ihre Verblendung und ihre Pflichtvergessenheit sein mochte, dennoch Bedauern, und die österreichische Regierung hat sehr weise gehandelt, daß sie nicht auf der Auslieferung der Flücht¬ linge bestanden und somit den neapolitanischen Behörden die blutige Vollstreckung des Urtheils zugewälzt hat. Der Vater dieser Unglück¬ lichen wird allgemein als ein tüchtiger Krieger und »Seemann geschil¬ dert, der, wie viele andere alte Offiziere der österreichischen Armee, unter den Adlern Frankreichs gedient und 1815 in österreichischen Militärdienst kam. Seitdem man weiß, daß sein väterlicher Einfluß aus seine Söhne nur gering gewesen und diese schon mit der Mutter¬ milch das stolze venetianische Aristokratenblut getrunken haben, das in zweifachen Haß gegen die Deutschen und gegen die monarchische Re¬ gierung entbrannt, erregt seine Stellung um so mehr das tiefste Mit¬ leid, weshalb man auch dem Gerücht Glauben zu schenken geneigt ist, welches den Viceadmiral Baron Bandiera von aller Schuld rein wäscht und ihm die Anerkenntnis) seiner Unschuld in Aussicht stellt. Die beklagenswerthe Mutter weiß noch immer nicht die ganze schreck¬ liche Wahrheit und wähnt ihre Söhne im offenen Kampfe gefallen. Sie läßt zahllose Seelenmessen in Venedigs Kirchen ablesen und sieht in den Geopferten ruhmvolle Märtyrer der republikanischen Sache. Herr von Holbein ist von seiner deutschen Entdeckungsreise früher zurückgekehrt, als er beabsichtigt hatte, indem der unerwartete Besuch des Königs von Preußen in Wien seine Anwesenheit nothwendig zu machen schien. Der König hat das Hofburgtheater und das Schlo߬ theater in Schönbrunn besucht, und in beiden wurden dem Verel)^ der Antigone und des Oedipus französische Possen, wie z. B. ,,^any Mitternacht" aufgetischt. In einem Abendzirkel trug ein Herr ^au- mann österreichische Schnaderhüpfeln mit Iitherbegleitung vor. derselbe einen Brillantring bekommen, wissen wir nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/88>, abgerufen am 05.12.2024.