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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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"Den Houris wär' ein Thron mein Schlummerlagcr,
Doch bleibt d'rauf wach der grimme Seelennager!
Mir schäumt die Schirasrebe im Pokal,
Doch kann sie nicht berauschen meine Qual!
All die Genüsse, so die Erde schmücken,
Sind mein -- mein Wort hat sie zu schaffen Macht,
Doch was von einem Hauch des Munds erwacht,
Kann mehr nicht als ein Hauch des Munds beglücken!
"Vielleicht -- wär' ich des Frohes, des Hungers Raub,
'
Lag ich ein Bettler in der Straßen Staub,
Mir wäre wohl! ich wüßte zu beschwören,
Was mir als rettend Glück soll angehören.
Doch dehnt sich meines Reichthums Glanz vor mir
Und hebt sich, wie zum Hohn, des Schlosses Zinne,
Das lebensvolle Glück, auf das ich sinne,
Als schön geschmückte Leiche liegt es hier!
Er spricht's! die Wolken fern, am Himmelsbogen,
Wie lauschend kommen sie herangezogen.
Sie sind gewitterschweren Zürnens voll,
Entflammt, zu theilen seinen finstern Groll;
Als bebte jedes Blatt, den Sturm zu wecken,
Herrscht cmgstbeklomm'nes Schweigen im Gefild,
Doch lechzt das Herz des trüben Wand'rers wild
Nach Sturm -- nach Wollust im Vernichtungsschrecken.
Des Mittags Gluth wird finster, bang und schwül,
Hoch rauscht der Vögel eiliges Gewühl.
Dann Alles still! -- was lebt, beginnt mit Zittern,
Der Elemente nahen Kampf zu wittern.
Das Firmament, von Wolken schwer umfaßt,
Gleichwie ein Herz von unvergossnen Thränen,
Scheint an der Berge Schulter sich zu lehnen,
Dort auszuweinen seine trübe Last.
Doch plötzlich wird Natur aus dumpfem Brüten
Emporgerissen von des Sturmes Wüthen.
Die Fluchen stürzen, füllend jede Schlucht,
Als triebe sie des Donners Groll zur Flucht.
Die Bäume schütteln sich wie in Empörung,
Wohl hat zur Nacht gelogen sich der Tag,
Doch spottet drob der grimme Wetterschlag,
Denn eine Fackel gab er der Zerstörung.

„Den Houris wär' ein Thron mein Schlummerlagcr,
Doch bleibt d'rauf wach der grimme Seelennager!
Mir schäumt die Schirasrebe im Pokal,
Doch kann sie nicht berauschen meine Qual!
All die Genüsse, so die Erde schmücken,
Sind mein — mein Wort hat sie zu schaffen Macht,
Doch was von einem Hauch des Munds erwacht,
Kann mehr nicht als ein Hauch des Munds beglücken!
„Vielleicht — wär' ich des Frohes, des Hungers Raub,
'
Lag ich ein Bettler in der Straßen Staub,
Mir wäre wohl! ich wüßte zu beschwören,
Was mir als rettend Glück soll angehören.
Doch dehnt sich meines Reichthums Glanz vor mir
Und hebt sich, wie zum Hohn, des Schlosses Zinne,
Das lebensvolle Glück, auf das ich sinne,
Als schön geschmückte Leiche liegt es hier!
Er spricht's! die Wolken fern, am Himmelsbogen,
Wie lauschend kommen sie herangezogen.
Sie sind gewitterschweren Zürnens voll,
Entflammt, zu theilen seinen finstern Groll;
Als bebte jedes Blatt, den Sturm zu wecken,
Herrscht cmgstbeklomm'nes Schweigen im Gefild,
Doch lechzt das Herz des trüben Wand'rers wild
Nach Sturm — nach Wollust im Vernichtungsschrecken.
Des Mittags Gluth wird finster, bang und schwül,
Hoch rauscht der Vögel eiliges Gewühl.
Dann Alles still! — was lebt, beginnt mit Zittern,
Der Elemente nahen Kampf zu wittern.
Das Firmament, von Wolken schwer umfaßt,
Gleichwie ein Herz von unvergossnen Thränen,
Scheint an der Berge Schulter sich zu lehnen,
Dort auszuweinen seine trübe Last.
Doch plötzlich wird Natur aus dumpfem Brüten
Emporgerissen von des Sturmes Wüthen.
Die Fluchen stürzen, füllend jede Schlucht,
Als triebe sie des Donners Groll zur Flucht.
Die Bäume schütteln sich wie in Empörung,
Wohl hat zur Nacht gelogen sich der Tag,
Doch spottet drob der grimme Wetterschlag,
Denn eine Fackel gab er der Zerstörung.

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[0590] „Den Houris wär' ein Thron mein Schlummerlagcr, Doch bleibt d'rauf wach der grimme Seelennager! Mir schäumt die Schirasrebe im Pokal, Doch kann sie nicht berauschen meine Qual! All die Genüsse, so die Erde schmücken, Sind mein — mein Wort hat sie zu schaffen Macht, Doch was von einem Hauch des Munds erwacht, Kann mehr nicht als ein Hauch des Munds beglücken! „Vielleicht — wär' ich des Frohes, des Hungers Raub, ' Lag ich ein Bettler in der Straßen Staub, Mir wäre wohl! ich wüßte zu beschwören, Was mir als rettend Glück soll angehören. Doch dehnt sich meines Reichthums Glanz vor mir Und hebt sich, wie zum Hohn, des Schlosses Zinne, Das lebensvolle Glück, auf das ich sinne, Als schön geschmückte Leiche liegt es hier! Er spricht's! die Wolken fern, am Himmelsbogen, Wie lauschend kommen sie herangezogen. Sie sind gewitterschweren Zürnens voll, Entflammt, zu theilen seinen finstern Groll; Als bebte jedes Blatt, den Sturm zu wecken, Herrscht cmgstbeklomm'nes Schweigen im Gefild, Doch lechzt das Herz des trüben Wand'rers wild Nach Sturm — nach Wollust im Vernichtungsschrecken. Des Mittags Gluth wird finster, bang und schwül, Hoch rauscht der Vögel eiliges Gewühl. Dann Alles still! — was lebt, beginnt mit Zittern, Der Elemente nahen Kampf zu wittern. Das Firmament, von Wolken schwer umfaßt, Gleichwie ein Herz von unvergossnen Thränen, Scheint an der Berge Schulter sich zu lehnen, Dort auszuweinen seine trübe Last. Doch plötzlich wird Natur aus dumpfem Brüten Emporgerissen von des Sturmes Wüthen. Die Fluchen stürzen, füllend jede Schlucht, Als triebe sie des Donners Groll zur Flucht. Die Bäume schütteln sich wie in Empörung, Wohl hat zur Nacht gelogen sich der Tag, Doch spottet drob der grimme Wetterschlag, Denn eine Fackel gab er der Zerstörung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/590>, abgerufen am 27.07.2024.