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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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und daselbst mit executiooidus oder auch eng,limnliu" nicht beschwert
werden können." Wenn die große Glocke gezogen wurde, mußten
die Schulzen und alle Einwohner der boddingspflichttgen Oerter er¬
scheinen. Der Hof- und Landrichter eröffnete das Gericht mit einer
kleinen Rede und richtete dann an die Versammlung die Frage: "Ich
frage euch, ob es so fern am Tage, daß man S. K. D. zu Bran¬
denburg Gericht mag hegen?" Hierauf, erzählt Beckmann,^) ant¬
wortete der älteste von den Bot- und Loddingspflichtigen vom Adel:
"So fern jemand die Macht hat:c." Es gab also nicht nur bot.-
dingspflichtige Bauern, sondern auchBoddingspflichtige von Adel,
wie auch schon aus der Eremtion vom Gerichtszwange des Hofge-
richts, in dieser Zeit das eigentliche Forum des (übrigen nicht bod-
dingspflichtigen) altmärkischen Adels, hervorgeht, ja unter den bod-
dingspflichtigen Oertern werden ausdrücklich Rittergüter aufgeführt. ^)
Indeß mochten gerade die von Adel sich dem Gerichte entziehen, wie
anderweitig bei Ausbildung der Patrimonialgerichtsbarkeit "Dorf¬
schaften und Unterthanen" diesem Gerichte entzogen wurden, weshalb
denn das Seehauser Bodding allmälig einging. Das Werdersche
Bodding wurde 1747 durch einen Befehl Friedrich's II. aufgehoben,
"da die Kammer, die Stadt Werben und andere zu dem Boddings-
gerichte gehörende "Eingesessene" über den Verfall desselben Beschwerde
geführt, und da es "bei der jetzigen Eremtion der Tangermün-
dischen Amts- und von Kannenberg'schen Unterthanen wegen Man¬
gel der Zehrungsgebühr wohl nicht weiter werde bestehen können."
Der Grund der Aufhebung war also zum Theil der, weil gegen den
klaren Buchstaben des Gesetzes, gegen urkundliche Rechte, ein Theil
der Boddingspflichttgen unter Patrimonialgerichtsbarkeit ge¬
zwungen war. Ein Beweis, wie man in der Zeit des papiernen
Faustrechts im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert die Rechte
der Bauern respectirte und wie die Patrimonialgerichtsbarkeit zum




*) Beschreibung der Kurmark Brandenburg.
**
) Es ist hier nicht der Ort, diesen Punkt aus den spärlich fließenden
Quellen weiter aufzuklären, sosehr der Gegenstand, um gewisse "wohlhergebrachte
Rechte" in ihrer Nichtigkeit darzustellen, weitere Bearbeitung verdiente; um
so mehr, da man diese Gegenstände in ein schallendes Dunkel zu hüllen liebt,
und da die Verehrer der guten alten Zeit, die Freunde des Stände- und Ka¬
stenwesens, die Herren von Kamptz, von Harthausen und diejenigen, die nach
dem Amt eines Professors oder nach dem Hofrathscharakter züngeln, Alles
"gnoriren, was nicht in den aristokratischen Kram paßt.

und daselbst mit executiooidus oder auch eng,limnliu« nicht beschwert
werden können." Wenn die große Glocke gezogen wurde, mußten
die Schulzen und alle Einwohner der boddingspflichttgen Oerter er¬
scheinen. Der Hof- und Landrichter eröffnete das Gericht mit einer
kleinen Rede und richtete dann an die Versammlung die Frage: „Ich
frage euch, ob es so fern am Tage, daß man S. K. D. zu Bran¬
denburg Gericht mag hegen?" Hierauf, erzählt Beckmann,^) ant¬
wortete der älteste von den Bot- und Loddingspflichtigen vom Adel:
„So fern jemand die Macht hat:c." Es gab also nicht nur bot.-
dingspflichtige Bauern, sondern auchBoddingspflichtige von Adel,
wie auch schon aus der Eremtion vom Gerichtszwange des Hofge-
richts, in dieser Zeit das eigentliche Forum des (übrigen nicht bod-
dingspflichtigen) altmärkischen Adels, hervorgeht, ja unter den bod-
dingspflichtigen Oertern werden ausdrücklich Rittergüter aufgeführt. ^)
Indeß mochten gerade die von Adel sich dem Gerichte entziehen, wie
anderweitig bei Ausbildung der Patrimonialgerichtsbarkeit „Dorf¬
schaften und Unterthanen" diesem Gerichte entzogen wurden, weshalb
denn das Seehauser Bodding allmälig einging. Das Werdersche
Bodding wurde 1747 durch einen Befehl Friedrich's II. aufgehoben,
„da die Kammer, die Stadt Werben und andere zu dem Boddings-
gerichte gehörende „Eingesessene" über den Verfall desselben Beschwerde
geführt, und da es „bei der jetzigen Eremtion der Tangermün-
dischen Amts- und von Kannenberg'schen Unterthanen wegen Man¬
gel der Zehrungsgebühr wohl nicht weiter werde bestehen können."
Der Grund der Aufhebung war also zum Theil der, weil gegen den
klaren Buchstaben des Gesetzes, gegen urkundliche Rechte, ein Theil
der Boddingspflichttgen unter Patrimonialgerichtsbarkeit ge¬
zwungen war. Ein Beweis, wie man in der Zeit des papiernen
Faustrechts im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert die Rechte
der Bauern respectirte und wie die Patrimonialgerichtsbarkeit zum




*) Beschreibung der Kurmark Brandenburg.
**
) Es ist hier nicht der Ort, diesen Punkt aus den spärlich fließenden
Quellen weiter aufzuklären, sosehr der Gegenstand, um gewisse „wohlhergebrachte
Rechte" in ihrer Nichtigkeit darzustellen, weitere Bearbeitung verdiente; um
so mehr, da man diese Gegenstände in ein schallendes Dunkel zu hüllen liebt,
und da die Verehrer der guten alten Zeit, die Freunde des Stände- und Ka¬
stenwesens, die Herren von Kamptz, von Harthausen und diejenigen, die nach
dem Amt eines Professors oder nach dem Hofrathscharakter züngeln, Alles
»gnoriren, was nicht in den aristokratischen Kram paßt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/544>, abgerufen am 27.07.2024.