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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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jüngeren und älteren Leuten dadurch geboten wird, sich hören zu las¬
sen und ihren Durst nach Thaten für die leidende Menschheit zu stil¬
len. O, es war ein heißer Kampf, der am vorigen Freitag in der
Arena des Börsenhauses bei der ersten vorbereitenden Versammlung
des Localvereins gekämpst wurde! An derselben Stelle, wo man
Mittags daran gearbeitet hatte, sich die Taschen möglichst voll zu sto¬
pfen, strebte man Abends, sie möglichst zu leeren zum Wohle der
Menschheit. Schade nur, daß es von vielen Worten zu keiner rech¬
ten That gekommen; nachdem eine, zwei, drei, ja ein Dutzend Reden
vor unseren Ohren gehalten worden, wissen wir Ihnen heute noch
eben so wenig, als vor acht Tagen zu berichten, welches eigentlich die
Aufgabe und welches der Wirkungskreis der Localvereine sei. Nur so
viel haben wir herausgebracht: es soll untersucht werden, ob und wo
etwas zu untersuchen sei. Das ist aber weniger ein Anfang, als
eine Vorbereitung, und diese, hatten wir geglaubt, sei längst schon ge¬
schehen, so daß den Versammelten in statistischen Uebersichten und po¬
pulären Darstellungen eine Grundlage gegeben werden konnte, um
wirklich einen Anfang zu machen. Besitzen wir doch Armenpfleger
und Wohlthätigkeitsvereine genug, aus deren Mitte zunächst ein Co¬
mite hätte gebildet werden können, um darzulegen, in wie fern über¬
haupt und wo insbesondere den bereits bestehenden Hilfsanstalten neue
und andere -- die es eben nicht auf Geldunterstützungen abzusehen
haben -- an die Seite treten müssen, um der Noth der arbeitenden
Classen abzuhelfen. Hieraus konnte dann ein Resultat gezogen und
darnach ein Statut entworfen werden, das zur Genehmigung vorzu¬
legen war, anstatt die Versammelten über zum Theil längst entschie¬
dene Fragen hin- und Herreden zu lassen. Gegenwärtig ist nun ein
proviforisches Comite von sechs Mitgliedern erwählt, das, da es sich
beliebig aus Sachverständigen zu ergänzen befugt ist, eben so gut von
der Versammlung, die dabei übrigens ohne alle Garantie der Ord¬
nung zu Werke ging, gar nicht gewählt zu werden brauchte, da die
von ihr bezeichneten sechs Mitglieder in dem Comite doch nur eine
Minorität bilden werden, gegenüber einer bedeutenden Majorität von
Männern, die eben Sachverständige und auch darum von überwiegen¬
dem Einflüsse sein müssen. Von diesem provisorischen Comite haben
wir nun einen Statuts-Entwurf zu erwarten, der in der nächsten
Versammlung berathen werden soll. Nun, ich behalte mir vor, Ih¬
nen auch darüber zu berichten.

Ich habe Ihnen übrigens beinahe in jeder Woche von einem
neuen Verein zu melden. Diesmal ist es eine "geologische Gesell¬
schaft", die sich unter den Auspicien der Herren Kortüm, Tschirner,
Lichtenstein und Lenne gebildet, deren Wirksamkeit zugleich die Unter¬
haltung und Verwaltung des neuen zoologischen Gartens umfassen
soll, zu welcher der König zwar eine Summe bewilligt hat, die jedoch


jüngeren und älteren Leuten dadurch geboten wird, sich hören zu las¬
sen und ihren Durst nach Thaten für die leidende Menschheit zu stil¬
len. O, es war ein heißer Kampf, der am vorigen Freitag in der
Arena des Börsenhauses bei der ersten vorbereitenden Versammlung
des Localvereins gekämpst wurde! An derselben Stelle, wo man
Mittags daran gearbeitet hatte, sich die Taschen möglichst voll zu sto¬
pfen, strebte man Abends, sie möglichst zu leeren zum Wohle der
Menschheit. Schade nur, daß es von vielen Worten zu keiner rech¬
ten That gekommen; nachdem eine, zwei, drei, ja ein Dutzend Reden
vor unseren Ohren gehalten worden, wissen wir Ihnen heute noch
eben so wenig, als vor acht Tagen zu berichten, welches eigentlich die
Aufgabe und welches der Wirkungskreis der Localvereine sei. Nur so
viel haben wir herausgebracht: es soll untersucht werden, ob und wo
etwas zu untersuchen sei. Das ist aber weniger ein Anfang, als
eine Vorbereitung, und diese, hatten wir geglaubt, sei längst schon ge¬
schehen, so daß den Versammelten in statistischen Uebersichten und po¬
pulären Darstellungen eine Grundlage gegeben werden konnte, um
wirklich einen Anfang zu machen. Besitzen wir doch Armenpfleger
und Wohlthätigkeitsvereine genug, aus deren Mitte zunächst ein Co¬
mite hätte gebildet werden können, um darzulegen, in wie fern über¬
haupt und wo insbesondere den bereits bestehenden Hilfsanstalten neue
und andere — die es eben nicht auf Geldunterstützungen abzusehen
haben — an die Seite treten müssen, um der Noth der arbeitenden
Classen abzuhelfen. Hieraus konnte dann ein Resultat gezogen und
darnach ein Statut entworfen werden, das zur Genehmigung vorzu¬
legen war, anstatt die Versammelten über zum Theil längst entschie¬
dene Fragen hin- und Herreden zu lassen. Gegenwärtig ist nun ein
proviforisches Comite von sechs Mitgliedern erwählt, das, da es sich
beliebig aus Sachverständigen zu ergänzen befugt ist, eben so gut von
der Versammlung, die dabei übrigens ohne alle Garantie der Ord¬
nung zu Werke ging, gar nicht gewählt zu werden brauchte, da die
von ihr bezeichneten sechs Mitglieder in dem Comite doch nur eine
Minorität bilden werden, gegenüber einer bedeutenden Majorität von
Männern, die eben Sachverständige und auch darum von überwiegen¬
dem Einflüsse sein müssen. Von diesem provisorischen Comite haben
wir nun einen Statuts-Entwurf zu erwarten, der in der nächsten
Versammlung berathen werden soll. Nun, ich behalte mir vor, Ih¬
nen auch darüber zu berichten.

Ich habe Ihnen übrigens beinahe in jeder Woche von einem
neuen Verein zu melden. Diesmal ist es eine „geologische Gesell¬
schaft", die sich unter den Auspicien der Herren Kortüm, Tschirner,
Lichtenstein und Lenne gebildet, deren Wirksamkeit zugleich die Unter¬
haltung und Verwaltung des neuen zoologischen Gartens umfassen
soll, zu welcher der König zwar eine Summe bewilligt hat, die jedoch


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[0514] jüngeren und älteren Leuten dadurch geboten wird, sich hören zu las¬ sen und ihren Durst nach Thaten für die leidende Menschheit zu stil¬ len. O, es war ein heißer Kampf, der am vorigen Freitag in der Arena des Börsenhauses bei der ersten vorbereitenden Versammlung des Localvereins gekämpst wurde! An derselben Stelle, wo man Mittags daran gearbeitet hatte, sich die Taschen möglichst voll zu sto¬ pfen, strebte man Abends, sie möglichst zu leeren zum Wohle der Menschheit. Schade nur, daß es von vielen Worten zu keiner rech¬ ten That gekommen; nachdem eine, zwei, drei, ja ein Dutzend Reden vor unseren Ohren gehalten worden, wissen wir Ihnen heute noch eben so wenig, als vor acht Tagen zu berichten, welches eigentlich die Aufgabe und welches der Wirkungskreis der Localvereine sei. Nur so viel haben wir herausgebracht: es soll untersucht werden, ob und wo etwas zu untersuchen sei. Das ist aber weniger ein Anfang, als eine Vorbereitung, und diese, hatten wir geglaubt, sei längst schon ge¬ schehen, so daß den Versammelten in statistischen Uebersichten und po¬ pulären Darstellungen eine Grundlage gegeben werden konnte, um wirklich einen Anfang zu machen. Besitzen wir doch Armenpfleger und Wohlthätigkeitsvereine genug, aus deren Mitte zunächst ein Co¬ mite hätte gebildet werden können, um darzulegen, in wie fern über¬ haupt und wo insbesondere den bereits bestehenden Hilfsanstalten neue und andere — die es eben nicht auf Geldunterstützungen abzusehen haben — an die Seite treten müssen, um der Noth der arbeitenden Classen abzuhelfen. Hieraus konnte dann ein Resultat gezogen und darnach ein Statut entworfen werden, das zur Genehmigung vorzu¬ legen war, anstatt die Versammelten über zum Theil längst entschie¬ dene Fragen hin- und Herreden zu lassen. Gegenwärtig ist nun ein proviforisches Comite von sechs Mitgliedern erwählt, das, da es sich beliebig aus Sachverständigen zu ergänzen befugt ist, eben so gut von der Versammlung, die dabei übrigens ohne alle Garantie der Ord¬ nung zu Werke ging, gar nicht gewählt zu werden brauchte, da die von ihr bezeichneten sechs Mitglieder in dem Comite doch nur eine Minorität bilden werden, gegenüber einer bedeutenden Majorität von Männern, die eben Sachverständige und auch darum von überwiegen¬ dem Einflüsse sein müssen. Von diesem provisorischen Comite haben wir nun einen Statuts-Entwurf zu erwarten, der in der nächsten Versammlung berathen werden soll. Nun, ich behalte mir vor, Ih¬ nen auch darüber zu berichten. Ich habe Ihnen übrigens beinahe in jeder Woche von einem neuen Verein zu melden. Diesmal ist es eine „geologische Gesell¬ schaft", die sich unter den Auspicien der Herren Kortüm, Tschirner, Lichtenstein und Lenne gebildet, deren Wirksamkeit zugleich die Unter¬ haltung und Verwaltung des neuen zoologischen Gartens umfassen soll, zu welcher der König zwar eine Summe bewilligt hat, die jedoch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/514>, abgerufen am 05.12.2024.