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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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vom Wahnsinn befallen worden, wie mit dem härtesten Ausdruck dort
gemeldet wurde, als wollte er sagen: Seht, das ist das Ende dieser
Albingenser- und Savonarola-Schreiber! -- Der Humorist hat gleich¬
falls ein Jndustrieblatt sich beigelegt. Ist der Humor dieses Blattes
Industrie oder erscheint unsere traurige Industrie Herrn Saphir so
humoristisch?

Bäuerle, dessen Theaterzeitung durch die große Verbreitung der
"Jllustritten", die man jetzt fast in jedem Kaffeehause Oesterreichs
findet, einen großen Abbruch an Abonnenten erleidet und noch mehr
zu erleioen Gefahr läuft, hat vor ein Paar Monaten angekündigt,
daß er vom Neujahr an gleichfalls Illustrationen bringen werde, was
jedoch schwer zu glauben ist. Der praktische Bäuerin hat gewiß die
Einsicht, daß ein Wiener Blatt ähnlicher Art weder an Eleganz, noch
an Stoff mit der Leipziger Jllustrirten concurriren könne, da letzterer
eine größere Censurfeeiheit zu Gebote steht. Hier tritt wieder eines
jener schreienden Mißverhältnisse unserer Censureinrichtung in's Auge.
Ein einheimisches Blatt muß sich von einem fremden verdrängen las¬
sen, weil es nicht so viel Freiheit hat, wie dieses. Es ist mit der
Jllustrirten, wie mit der Augsburger Allgemeinen. Nicht die Hälfte
der Artikel, die diese beiden fremden Blätter bringen, würde in einem
einheimischen Blatte die Censur passiren, und doch steht ihrer Ver¬
breitung kein Hinderniß entgegen; sie werden unter denselben Beding-
nissen und Vortheilen von der Post versendet, wie jedes österreichische
Blatt. Ein Augsburger und ein Leipziger Verleger wird in seiner
Industrie befördert und genießen Vortheile, die man dem einheimischen
Verleger entzieht. Es ist die bitterste und tragikomischste Parodie der
DifferenzialzMk Was auf fremden Schissen eingeführt wird, er¬
hält Begünstigungen, die einheimischen Schiffe hingegen sind den
höchsten Zöllen unterworfen. Kuriose Politik. Erklärt uns Graf
Derindur, auch diesen Zwiespalt der Censur? --


II.
A u S B e r l i n.

Erste Versammlung des Localvereins für das Wohl der arbeitenden Classen.--
Geologischer Verein. -- Eröffnung des neuen Opernhauses. -- Karl Beck's
Gedichte- -- Petitionen an die Stadtverordneten-Versammlung.
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Die Vereine für das Wohl der arbeitenden Classen bilden jetzt
den Mittelpunkt vieler Unterhaltungen, einerseits um ihrer selbst wil¬
len, da man vielfach von dem Ernste der Erscheinungen und Con¬
flicte in den untersten Schichten der bürgerlichen Gesellschaft daran
6°'""hut wird, etwas mit Verstand zu thun, bevor es gewaltsam und
ohne verstand geschehe, und andererseits um der Gelegenheit willen,
die manchen parlamentirlustigen und gern von sich reden machenden


vom Wahnsinn befallen worden, wie mit dem härtesten Ausdruck dort
gemeldet wurde, als wollte er sagen: Seht, das ist das Ende dieser
Albingenser- und Savonarola-Schreiber! — Der Humorist hat gleich¬
falls ein Jndustrieblatt sich beigelegt. Ist der Humor dieses Blattes
Industrie oder erscheint unsere traurige Industrie Herrn Saphir so
humoristisch?

Bäuerle, dessen Theaterzeitung durch die große Verbreitung der
„Jllustritten", die man jetzt fast in jedem Kaffeehause Oesterreichs
findet, einen großen Abbruch an Abonnenten erleidet und noch mehr
zu erleioen Gefahr läuft, hat vor ein Paar Monaten angekündigt,
daß er vom Neujahr an gleichfalls Illustrationen bringen werde, was
jedoch schwer zu glauben ist. Der praktische Bäuerin hat gewiß die
Einsicht, daß ein Wiener Blatt ähnlicher Art weder an Eleganz, noch
an Stoff mit der Leipziger Jllustrirten concurriren könne, da letzterer
eine größere Censurfeeiheit zu Gebote steht. Hier tritt wieder eines
jener schreienden Mißverhältnisse unserer Censureinrichtung in's Auge.
Ein einheimisches Blatt muß sich von einem fremden verdrängen las¬
sen, weil es nicht so viel Freiheit hat, wie dieses. Es ist mit der
Jllustrirten, wie mit der Augsburger Allgemeinen. Nicht die Hälfte
der Artikel, die diese beiden fremden Blätter bringen, würde in einem
einheimischen Blatte die Censur passiren, und doch steht ihrer Ver¬
breitung kein Hinderniß entgegen; sie werden unter denselben Beding-
nissen und Vortheilen von der Post versendet, wie jedes österreichische
Blatt. Ein Augsburger und ein Leipziger Verleger wird in seiner
Industrie befördert und genießen Vortheile, die man dem einheimischen
Verleger entzieht. Es ist die bitterste und tragikomischste Parodie der
DifferenzialzMk Was auf fremden Schissen eingeführt wird, er¬
hält Begünstigungen, die einheimischen Schiffe hingegen sind den
höchsten Zöllen unterworfen. Kuriose Politik. Erklärt uns Graf
Derindur, auch diesen Zwiespalt der Censur? —


II.
A u S B e r l i n.

Erste Versammlung des Localvereins für das Wohl der arbeitenden Classen.—
Geologischer Verein. — Eröffnung des neuen Opernhauses. — Karl Beck's
Gedichte- — Petitionen an die Stadtverordneten-Versammlung.
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Die Vereine für das Wohl der arbeitenden Classen bilden jetzt
den Mittelpunkt vieler Unterhaltungen, einerseits um ihrer selbst wil¬
len, da man vielfach von dem Ernste der Erscheinungen und Con¬
flicte in den untersten Schichten der bürgerlichen Gesellschaft daran
6°'""hut wird, etwas mit Verstand zu thun, bevor es gewaltsam und
ohne verstand geschehe, und andererseits um der Gelegenheit willen,
die manchen parlamentirlustigen und gern von sich reden machenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/513>, abgerufen am 28.07.2024.