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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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stand sie auf, um die Kinder fortzutragen und sie auf das ärmliche
Lager in der Nebenkammer zu betten.

-- Hört, Klaus! begann darauf der Fremde, als die Frau mit
den Kindern hinausgegangen war, hört, Klaus! Ihr thut mir leid
und ich könnte Euch helfen. Ich möchte Euch eine hübsche Summe
vorschießen; aber freilich, so lange Ihr die Kinder auf dem Halse
habt, könnt Ihr immer nichts Rechtes anfangen. Doch auch dafür
gäbe es Rath. --

-- Was soll ich denn mit ihnen machen? Ersäufen kann man
sie nicht und abnehmen, wird sie mir kein Mensch; es hat Jeder an
den Seinen genug! lachte Klaus wild, dem der Wein allmälig auch
zum Kopfe stieg.

-- Es kommt darauf an! entgegnete der Fremde. Ich habe
ein Paar hübsche Kinder verloren, und Euere Kleinen gefallen mir.
Ich bin der Maestro del Arte und bin fern von hier in dem schö¬
nen Lande Italien zu Hause, bin reich und hochgeehrt. Wollt Ihr
mir Euere Kinder überlassen, daß Ihr nie nach ihnen fragt, daß sie
ganz mein Eigenthum werden, so nehme ich sie mit mir, und Ihr
könnt verlangen, was Ihr zum Ersatz für sie begehrt. --

Klaus traute seinen Ohren nicht. Er sollte fordern, so viel er
wollte, er sollte der Sorge für die Kinder ledig werden und vielleicht
ein Leben führen, wie in dieser Stunde; das war mehr, als er gehofft.
Er verlangte eine Summe, die ihm ausreichend schien, davon sein
Leben hindurch in Freude und Ueppigkeit zu schwelgen; und als
Margarethe zurückkehrte, hielt der Fremde die Hand hin, Klaus
schlug ein und rief: Topp! der Handel gilt, so wahr es draußen
auf dem Kirchthurme zwölf Uhr schlägt!

-- Zwölf Uhr? fragte der Fremde, da wird's bald Zeit, an die
Weiterreise zu denken; darum Klaus! unterzeichnet schnell hier diesen
Kaufcontract und Ihr, liebe Frau! holt mir die Kinder, daß ich
mich des neugewonnenen Besitzes versichere.

-- Die Kinder schlafen, gnädiger Herr! wandte Margarethe
ein, die kein Wort von dem verstand, was sie hörte.

-- So führt mich an ihr Lager! befahl der Maestro, und Mar¬
garethe that bestürzt, wie er es verlangte. Mit brennenden Kerzen
in den Händen folgten ihnen die Mohren.

Als sie in die Kammer kamen, beugte sich der Maestro seltsam


stand sie auf, um die Kinder fortzutragen und sie auf das ärmliche
Lager in der Nebenkammer zu betten.

— Hört, Klaus! begann darauf der Fremde, als die Frau mit
den Kindern hinausgegangen war, hört, Klaus! Ihr thut mir leid
und ich könnte Euch helfen. Ich möchte Euch eine hübsche Summe
vorschießen; aber freilich, so lange Ihr die Kinder auf dem Halse
habt, könnt Ihr immer nichts Rechtes anfangen. Doch auch dafür
gäbe es Rath. —

— Was soll ich denn mit ihnen machen? Ersäufen kann man
sie nicht und abnehmen, wird sie mir kein Mensch; es hat Jeder an
den Seinen genug! lachte Klaus wild, dem der Wein allmälig auch
zum Kopfe stieg.

— Es kommt darauf an! entgegnete der Fremde. Ich habe
ein Paar hübsche Kinder verloren, und Euere Kleinen gefallen mir.
Ich bin der Maestro del Arte und bin fern von hier in dem schö¬
nen Lande Italien zu Hause, bin reich und hochgeehrt. Wollt Ihr
mir Euere Kinder überlassen, daß Ihr nie nach ihnen fragt, daß sie
ganz mein Eigenthum werden, so nehme ich sie mit mir, und Ihr
könnt verlangen, was Ihr zum Ersatz für sie begehrt. —

Klaus traute seinen Ohren nicht. Er sollte fordern, so viel er
wollte, er sollte der Sorge für die Kinder ledig werden und vielleicht
ein Leben führen, wie in dieser Stunde; das war mehr, als er gehofft.
Er verlangte eine Summe, die ihm ausreichend schien, davon sein
Leben hindurch in Freude und Ueppigkeit zu schwelgen; und als
Margarethe zurückkehrte, hielt der Fremde die Hand hin, Klaus
schlug ein und rief: Topp! der Handel gilt, so wahr es draußen
auf dem Kirchthurme zwölf Uhr schlägt!

— Zwölf Uhr? fragte der Fremde, da wird's bald Zeit, an die
Weiterreise zu denken; darum Klaus! unterzeichnet schnell hier diesen
Kaufcontract und Ihr, liebe Frau! holt mir die Kinder, daß ich
mich des neugewonnenen Besitzes versichere.

— Die Kinder schlafen, gnädiger Herr! wandte Margarethe
ein, die kein Wort von dem verstand, was sie hörte.

— So führt mich an ihr Lager! befahl der Maestro, und Mar¬
garethe that bestürzt, wie er es verlangte. Mit brennenden Kerzen
in den Händen folgten ihnen die Mohren.

Als sie in die Kammer kamen, beugte sich der Maestro seltsam


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/457>, abgerufen am 28.07.2024.