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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Aber Klaus und die Kinder wurden fröhlich und guter Dinge
und ließen sich's wohl sein, während der Fremde gar nicht aß, son¬
dern nur rothen Wein aus einer besonderen Flasche trank und Klaus
um sein früheres Leben befragte.

Der erzählte und sprach von dem lustigen Bootömannsleben,
von der jetzigen Noth, und wie schwer es ihm falle, Weib und Kind
zu ernähren. Er klagte, daß die Kinder eine wahre Plage sür den
Armen wären und daß er es gar oft bereut habe, nicht ledig geblie¬
ben zu sein. Als Margarethe diese Worte hörte, seufzte sie tief auf.
Da wandte sich der Fremde, der ihrer vergessen haben mochte über
des Alten Erzählung, zu ihr, als er den Seufzer vernahm, und fragte:
Und machen Euch die Kinder wirklich solche Plage? --

-- Plage? mir? -- antwortete die junge Frau und trat näher;
sie sind mein einziges Glück, und ich gräme mich nur, daß der Klaus
sie nicht leiden kann. Mein Gott! die Kinder sind so hübsch, so
gut und so klug! Alle Welt freut sich an ihnen, nur der eigene Va¬
ter nicht. Sie sollten nur hören, wie geschickt der Hans ist. Er
bläst Alles nach, was der Leiermann spielt, und ist doch erst fünf
Jahre alt, und die kleine Marie, die gar erst drei Jahre ist, kann
auch schon Alles singen. --

-- El! so macht mir doch Euere Künste vor, Ihr lieben Klei¬
nen ! sagte der Fremde, und die Kinder, die schon ganz dreist gewor¬
den waren, ließen sich nicht lange bitten, ihr gewohntes Spiel zu
treiben. Aufmerksam und überrascht hörte der Fremde zu, lobte die
Kinder, als sie aufgehört hatten, gab ihnen noch mehr Naschwerk
und Wein zu genießen und hatte durch seine Güte sür sie auch bald
das Vertrauen der Mutter gewonnen. Sie setzte sich endlich am Tische nie¬
der, genoß ein wenig von den Speisen, die man ihr reichte, und plau¬
derte mit dem Fremden von ihren geliebten Kindern. Sie gestand,
daß sie früher, als sie noch bei Mitteln gewesen, oft daran gedacht
habe, den Hans zur Stadt in die Schule zu schicken und ihn, wenn
Gott es gewollt hätte, wohl gar zum Prediger zu erziehen; nun sei
das vorbei und es mache ihr Sorge, was aus dem Jungen werden
solle. So ging es eine Weile fort, bis Margarethe bemerkte, daß
die Kinder eingeschlafen waren, die von dem ungewohnten Weine
getrunken und weit über die Schlafstunde gewacht hatten. Deshalb


Aber Klaus und die Kinder wurden fröhlich und guter Dinge
und ließen sich's wohl sein, während der Fremde gar nicht aß, son¬
dern nur rothen Wein aus einer besonderen Flasche trank und Klaus
um sein früheres Leben befragte.

Der erzählte und sprach von dem lustigen Bootömannsleben,
von der jetzigen Noth, und wie schwer es ihm falle, Weib und Kind
zu ernähren. Er klagte, daß die Kinder eine wahre Plage sür den
Armen wären und daß er es gar oft bereut habe, nicht ledig geblie¬
ben zu sein. Als Margarethe diese Worte hörte, seufzte sie tief auf.
Da wandte sich der Fremde, der ihrer vergessen haben mochte über
des Alten Erzählung, zu ihr, als er den Seufzer vernahm, und fragte:
Und machen Euch die Kinder wirklich solche Plage? —

— Plage? mir? — antwortete die junge Frau und trat näher;
sie sind mein einziges Glück, und ich gräme mich nur, daß der Klaus
sie nicht leiden kann. Mein Gott! die Kinder sind so hübsch, so
gut und so klug! Alle Welt freut sich an ihnen, nur der eigene Va¬
ter nicht. Sie sollten nur hören, wie geschickt der Hans ist. Er
bläst Alles nach, was der Leiermann spielt, und ist doch erst fünf
Jahre alt, und die kleine Marie, die gar erst drei Jahre ist, kann
auch schon Alles singen. —

— El! so macht mir doch Euere Künste vor, Ihr lieben Klei¬
nen ! sagte der Fremde, und die Kinder, die schon ganz dreist gewor¬
den waren, ließen sich nicht lange bitten, ihr gewohntes Spiel zu
treiben. Aufmerksam und überrascht hörte der Fremde zu, lobte die
Kinder, als sie aufgehört hatten, gab ihnen noch mehr Naschwerk
und Wein zu genießen und hatte durch seine Güte sür sie auch bald
das Vertrauen der Mutter gewonnen. Sie setzte sich endlich am Tische nie¬
der, genoß ein wenig von den Speisen, die man ihr reichte, und plau¬
derte mit dem Fremden von ihren geliebten Kindern. Sie gestand,
daß sie früher, als sie noch bei Mitteln gewesen, oft daran gedacht
habe, den Hans zur Stadt in die Schule zu schicken und ihn, wenn
Gott es gewollt hätte, wohl gar zum Prediger zu erziehen; nun sei
das vorbei und es mache ihr Sorge, was aus dem Jungen werden
solle. So ging es eine Weile fort, bis Margarethe bemerkte, daß
die Kinder eingeschlafen waren, die von dem ungewohnten Weine
getrunken und weit über die Schlafstunde gewacht hatten. Deshalb


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[0456] Aber Klaus und die Kinder wurden fröhlich und guter Dinge und ließen sich's wohl sein, während der Fremde gar nicht aß, son¬ dern nur rothen Wein aus einer besonderen Flasche trank und Klaus um sein früheres Leben befragte. Der erzählte und sprach von dem lustigen Bootömannsleben, von der jetzigen Noth, und wie schwer es ihm falle, Weib und Kind zu ernähren. Er klagte, daß die Kinder eine wahre Plage sür den Armen wären und daß er es gar oft bereut habe, nicht ledig geblie¬ ben zu sein. Als Margarethe diese Worte hörte, seufzte sie tief auf. Da wandte sich der Fremde, der ihrer vergessen haben mochte über des Alten Erzählung, zu ihr, als er den Seufzer vernahm, und fragte: Und machen Euch die Kinder wirklich solche Plage? — — Plage? mir? — antwortete die junge Frau und trat näher; sie sind mein einziges Glück, und ich gräme mich nur, daß der Klaus sie nicht leiden kann. Mein Gott! die Kinder sind so hübsch, so gut und so klug! Alle Welt freut sich an ihnen, nur der eigene Va¬ ter nicht. Sie sollten nur hören, wie geschickt der Hans ist. Er bläst Alles nach, was der Leiermann spielt, und ist doch erst fünf Jahre alt, und die kleine Marie, die gar erst drei Jahre ist, kann auch schon Alles singen. — — El! so macht mir doch Euere Künste vor, Ihr lieben Klei¬ nen ! sagte der Fremde, und die Kinder, die schon ganz dreist gewor¬ den waren, ließen sich nicht lange bitten, ihr gewohntes Spiel zu treiben. Aufmerksam und überrascht hörte der Fremde zu, lobte die Kinder, als sie aufgehört hatten, gab ihnen noch mehr Naschwerk und Wein zu genießen und hatte durch seine Güte sür sie auch bald das Vertrauen der Mutter gewonnen. Sie setzte sich endlich am Tische nie¬ der, genoß ein wenig von den Speisen, die man ihr reichte, und plau¬ derte mit dem Fremden von ihren geliebten Kindern. Sie gestand, daß sie früher, als sie noch bei Mitteln gewesen, oft daran gedacht habe, den Hans zur Stadt in die Schule zu schicken und ihn, wenn Gott es gewollt hätte, wohl gar zum Prediger zu erziehen; nun sei das vorbei und es mache ihr Sorge, was aus dem Jungen werden solle. So ging es eine Weile fort, bis Margarethe bemerkte, daß die Kinder eingeschlafen waren, die von dem ungewohnten Weine getrunken und weit über die Schlafstunde gewacht hatten. Deshalb

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/456>, abgerufen am 01.09.2024.