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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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em obliegt, durch das Aussprechen zeitgemäßer Gedanken, durch Kraft
und Wahrheit geistigen Eindruckes zu verherrlichen. Wirklich hat
Böckh seit einigen Jahren in dieser Weise, sowohl deutsch als latei¬
nisch redend, das Vortrefflichste geleistet, was ihm von Allen, denen
an fortschreitender Bildung gelegen ist, dankbar anerkannt werden muß

Auch die gegenwärtige Rede: "Ueber das Verhältniß der Wis¬
senschaft zum Leben", greift wieder muthig und stark in unsere allge¬
meinen Beziehungen ein, zeigt ohne Scheu, welche Richtungen zum
Licht und Heil, welche zum Dunkel und Schaden führen, und hält
gleichwohl seine Ausführung ganz in dem wissenschaftlichen Element,
aus dem er für seine Bemerkungen fruchtbaren Stoff Mo schlagende
Beispiele genug zu ziehen versteht. -- Schon in früheren Vorträgen
dieser Art haben wir den hohen und freien Standpunkt bewundert,
den dieser Redner in Betreff der Körperschaft behauptet, in deren Auf¬
trag und Mitte er spricht. Er spricht in der Akademie, er spricht als
ihr'Mitglied, aber er steht dabei hoch über ihr. Er ist zu geistvoll
und zu freisinnig, um nicht einzusehen und zu bekennen, wie schwach
es eigentlich mit dem Akademienwesen heutiges Tags bestellt sei, wie
wenig diese Gesellschaften noch leisten, wie sehr ihr Ansehen gesunken
ist und fast nur einzig noch in dem vom Staate ihr geliehenen be¬
steht. Die Wissenschaften gehen ihren eigenen Gang, der selten sich
durch das Gehege einer Akademie zieht; alle großen und bedeu¬
tenden Werke des Geistes und der Gelehrsamkeit in den letzten
fünfzig Jahren sind außerhalbjenes Geheges entstanden, vielleicht
dicht nebenan, aber unbekümmert um die Preisfragen und Preise, und
noch unbekümmerter um die weisen Aussprüche, welche von dorther
sich anboten. Die Berliner Akademie insbesondere hat das Unglück
gehabt, durch ungeschickte Preisfragen und Handlungen früh sich aus¬
zuzeichnen. Das schwache Benehmen, als ihr Präsident Mauper-
tuis sie mißbrauchte, gegen seinen vermeinten Feind König ein so
ungerechtes als unbefugtes Unheil sprechen zu lassen, ist ein in der
gelehrten Welt unvergessenes Aergerniß, und in frischem Andenken noch
steht, daß Fichte und Hegel von ihr zurückgewiesen wurden, dage-
gegen freilich Friedrich Nicolat Mitglied war. Die Zurückweisung
jener Beiden hat Böckh selbst in einer früheren Rede mit edler Frei¬
müthigkeit bedauernd gerügt, was ihn, freilich vom engherzigen Cor-
porationsgeiste sehr verübelt worden. --

Was kann alles Gleißen, Vertuschen und Beschönigen helfen?
Auf die Dauer gewiß nicht, die Zeit deckt unerbittlich alle Gebrechen
auf, sowohl der Einzelnen, als des Allgemeinen, und die Wahrheit
tritt siegend hervor; so in unseren Tagen gerade auch die Wahrheit,
daß die Akademien sich überlebt haben und nur noch ein blos äußer¬
lich zusammengehaltenes, so zu sagen ein Gnadensein haben, das frei-


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em obliegt, durch das Aussprechen zeitgemäßer Gedanken, durch Kraft
und Wahrheit geistigen Eindruckes zu verherrlichen. Wirklich hat
Böckh seit einigen Jahren in dieser Weise, sowohl deutsch als latei¬
nisch redend, das Vortrefflichste geleistet, was ihm von Allen, denen
an fortschreitender Bildung gelegen ist, dankbar anerkannt werden muß

Auch die gegenwärtige Rede: „Ueber das Verhältniß der Wis¬
senschaft zum Leben", greift wieder muthig und stark in unsere allge¬
meinen Beziehungen ein, zeigt ohne Scheu, welche Richtungen zum
Licht und Heil, welche zum Dunkel und Schaden führen, und hält
gleichwohl seine Ausführung ganz in dem wissenschaftlichen Element,
aus dem er für seine Bemerkungen fruchtbaren Stoff Mo schlagende
Beispiele genug zu ziehen versteht. — Schon in früheren Vorträgen
dieser Art haben wir den hohen und freien Standpunkt bewundert,
den dieser Redner in Betreff der Körperschaft behauptet, in deren Auf¬
trag und Mitte er spricht. Er spricht in der Akademie, er spricht als
ihr'Mitglied, aber er steht dabei hoch über ihr. Er ist zu geistvoll
und zu freisinnig, um nicht einzusehen und zu bekennen, wie schwach
es eigentlich mit dem Akademienwesen heutiges Tags bestellt sei, wie
wenig diese Gesellschaften noch leisten, wie sehr ihr Ansehen gesunken
ist und fast nur einzig noch in dem vom Staate ihr geliehenen be¬
steht. Die Wissenschaften gehen ihren eigenen Gang, der selten sich
durch das Gehege einer Akademie zieht; alle großen und bedeu¬
tenden Werke des Geistes und der Gelehrsamkeit in den letzten
fünfzig Jahren sind außerhalbjenes Geheges entstanden, vielleicht
dicht nebenan, aber unbekümmert um die Preisfragen und Preise, und
noch unbekümmerter um die weisen Aussprüche, welche von dorther
sich anboten. Die Berliner Akademie insbesondere hat das Unglück
gehabt, durch ungeschickte Preisfragen und Handlungen früh sich aus¬
zuzeichnen. Das schwache Benehmen, als ihr Präsident Mauper-
tuis sie mißbrauchte, gegen seinen vermeinten Feind König ein so
ungerechtes als unbefugtes Unheil sprechen zu lassen, ist ein in der
gelehrten Welt unvergessenes Aergerniß, und in frischem Andenken noch
steht, daß Fichte und Hegel von ihr zurückgewiesen wurden, dage-
gegen freilich Friedrich Nicolat Mitglied war. Die Zurückweisung
jener Beiden hat Böckh selbst in einer früheren Rede mit edler Frei¬
müthigkeit bedauernd gerügt, was ihn, freilich vom engherzigen Cor-
porationsgeiste sehr verübelt worden. —

Was kann alles Gleißen, Vertuschen und Beschönigen helfen?
Auf die Dauer gewiß nicht, die Zeit deckt unerbittlich alle Gebrechen
auf, sowohl der Einzelnen, als des Allgemeinen, und die Wahrheit
tritt siegend hervor; so in unseren Tagen gerade auch die Wahrheit,
daß die Akademien sich überlebt haben und nur noch ein blos äußer¬
lich zusammengehaltenes, so zu sagen ein Gnadensein haben, das frei-


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[0431] em obliegt, durch das Aussprechen zeitgemäßer Gedanken, durch Kraft und Wahrheit geistigen Eindruckes zu verherrlichen. Wirklich hat Böckh seit einigen Jahren in dieser Weise, sowohl deutsch als latei¬ nisch redend, das Vortrefflichste geleistet, was ihm von Allen, denen an fortschreitender Bildung gelegen ist, dankbar anerkannt werden muß Auch die gegenwärtige Rede: „Ueber das Verhältniß der Wis¬ senschaft zum Leben", greift wieder muthig und stark in unsere allge¬ meinen Beziehungen ein, zeigt ohne Scheu, welche Richtungen zum Licht und Heil, welche zum Dunkel und Schaden führen, und hält gleichwohl seine Ausführung ganz in dem wissenschaftlichen Element, aus dem er für seine Bemerkungen fruchtbaren Stoff Mo schlagende Beispiele genug zu ziehen versteht. — Schon in früheren Vorträgen dieser Art haben wir den hohen und freien Standpunkt bewundert, den dieser Redner in Betreff der Körperschaft behauptet, in deren Auf¬ trag und Mitte er spricht. Er spricht in der Akademie, er spricht als ihr'Mitglied, aber er steht dabei hoch über ihr. Er ist zu geistvoll und zu freisinnig, um nicht einzusehen und zu bekennen, wie schwach es eigentlich mit dem Akademienwesen heutiges Tags bestellt sei, wie wenig diese Gesellschaften noch leisten, wie sehr ihr Ansehen gesunken ist und fast nur einzig noch in dem vom Staate ihr geliehenen be¬ steht. Die Wissenschaften gehen ihren eigenen Gang, der selten sich durch das Gehege einer Akademie zieht; alle großen und bedeu¬ tenden Werke des Geistes und der Gelehrsamkeit in den letzten fünfzig Jahren sind außerhalbjenes Geheges entstanden, vielleicht dicht nebenan, aber unbekümmert um die Preisfragen und Preise, und noch unbekümmerter um die weisen Aussprüche, welche von dorther sich anboten. Die Berliner Akademie insbesondere hat das Unglück gehabt, durch ungeschickte Preisfragen und Handlungen früh sich aus¬ zuzeichnen. Das schwache Benehmen, als ihr Präsident Mauper- tuis sie mißbrauchte, gegen seinen vermeinten Feind König ein so ungerechtes als unbefugtes Unheil sprechen zu lassen, ist ein in der gelehrten Welt unvergessenes Aergerniß, und in frischem Andenken noch steht, daß Fichte und Hegel von ihr zurückgewiesen wurden, dage- gegen freilich Friedrich Nicolat Mitglied war. Die Zurückweisung jener Beiden hat Böckh selbst in einer früheren Rede mit edler Frei¬ müthigkeit bedauernd gerügt, was ihn, freilich vom engherzigen Cor- porationsgeiste sehr verübelt worden. — Was kann alles Gleißen, Vertuschen und Beschönigen helfen? Auf die Dauer gewiß nicht, die Zeit deckt unerbittlich alle Gebrechen auf, sowohl der Einzelnen, als des Allgemeinen, und die Wahrheit tritt siegend hervor; so in unseren Tagen gerade auch die Wahrheit, daß die Akademien sich überlebt haben und nur noch ein blos äußer¬ lich zusammengehaltenes, so zu sagen ein Gnadensein haben, das frei- 54 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/431>, abgerufen am 27.07.2024.