Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

verein debattirend, daß 1374 dort oben auf der Burg Kaiser Karl
IV. in einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Herren mit
den Ständen der Mark Brandenburg eine ewige Vereinigung
der Mark mit der Krone Böhmen geschlossen. Niemand wirft einen
Blick auf dieses unscheinbare Werben, dessen strategische Wichtigkeit
Albrecht der Bär, Gustav Adslph, Napoleon und der geniale Hein¬
rich von Bülow erkannten. Mit großer Consequenz benutzten die
Römer, Gustav Adolph und Napoleon Flußlinien zur Anlegung von
Wasserplätzen. Werben, am Zusammenfluß der Elbe und Havel, ist
der Schlüssel zu beiden Eid- und zum Havelufer. Gustav Adolph
bemächtigte sich des Platzes. In vierzehn Tagen ließ er ein verschanz¬
tes Lager aufführen. Tilly eilte herbei, Juli 1631, und stürmte drei
Tage lang mit großer Uebermacht vergebens das Lager. Wer ge¬
denkt, bei dem Anblick der großen und schonen Kirchen des jetzt öden
Stendals, jenes kräftigen, frciheitsstolzen, trotzigen Sinns, den der
Reichthum und die Selbstregierung früherer Jahrhunderte in seinen
Bürgern genährt!

Der eiserne Herrscherwille des Kurfürsten aus dem Hause Ho---
henzollern strebte consequent und mit Nachdruck nach Erhöhung, Er¬
weiterung und Befestigung unbeschränkter Gewalt. Begünstigt wurde
dies Streben überall durch die Sonderinteressen der verschiedenen
Stände, wo der eine den anderen niederzudrücken suchte und um die
Gunst des Herrschers buhlte, seit der kühne, trotzige, fehdedürstige
Ritter zum Hofschranzen herabsank. Die altmärkischen Städte, Mit¬
glieder der Hansa, durch Gewerbthätigkeit und Handel blühend, leb¬
ten während des Mittelalters in stolzer Unabhängigkeit, nach eigenen
Gesetzen. Noch 1471 verweigerten sie dem Kurfürsten Albrecht Achil¬
les die Huldigung, bevor er ihnen eine Konfirmation ihrer alten
Gewohnheiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten ertheile, "de se ok also
mit groter Vorsichtigkeit und mit Pralle kregen", erzählt ein alter
Chronist. Wegen Einführung der Bierzinse, die von den altmärki¬
schen Städten nicht bewilligt waren, erhoben sich diese, Stendal voran,
1488, inderMeinung, daß Niemand in der Welt das Recht habe, von dem
Ihrigen etwas zu nehmen, Steuern zu fordern ohne ihre freie Ein¬
willigung. Stendal wurde unterworfen, weil sowohl der Landadel
wie der Stadtadel nebst den Gewandschneidern sich, wie der Kur¬
fürst bezeugt, "als die gehorsamen gehalten", "als die unseren von


verein debattirend, daß 1374 dort oben auf der Burg Kaiser Karl
IV. in einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Herren mit
den Ständen der Mark Brandenburg eine ewige Vereinigung
der Mark mit der Krone Böhmen geschlossen. Niemand wirft einen
Blick auf dieses unscheinbare Werben, dessen strategische Wichtigkeit
Albrecht der Bär, Gustav Adslph, Napoleon und der geniale Hein¬
rich von Bülow erkannten. Mit großer Consequenz benutzten die
Römer, Gustav Adolph und Napoleon Flußlinien zur Anlegung von
Wasserplätzen. Werben, am Zusammenfluß der Elbe und Havel, ist
der Schlüssel zu beiden Eid- und zum Havelufer. Gustav Adolph
bemächtigte sich des Platzes. In vierzehn Tagen ließ er ein verschanz¬
tes Lager aufführen. Tilly eilte herbei, Juli 1631, und stürmte drei
Tage lang mit großer Uebermacht vergebens das Lager. Wer ge¬
denkt, bei dem Anblick der großen und schonen Kirchen des jetzt öden
Stendals, jenes kräftigen, frciheitsstolzen, trotzigen Sinns, den der
Reichthum und die Selbstregierung früherer Jahrhunderte in seinen
Bürgern genährt!

Der eiserne Herrscherwille des Kurfürsten aus dem Hause Ho---
henzollern strebte consequent und mit Nachdruck nach Erhöhung, Er¬
weiterung und Befestigung unbeschränkter Gewalt. Begünstigt wurde
dies Streben überall durch die Sonderinteressen der verschiedenen
Stände, wo der eine den anderen niederzudrücken suchte und um die
Gunst des Herrschers buhlte, seit der kühne, trotzige, fehdedürstige
Ritter zum Hofschranzen herabsank. Die altmärkischen Städte, Mit¬
glieder der Hansa, durch Gewerbthätigkeit und Handel blühend, leb¬
ten während des Mittelalters in stolzer Unabhängigkeit, nach eigenen
Gesetzen. Noch 1471 verweigerten sie dem Kurfürsten Albrecht Achil¬
les die Huldigung, bevor er ihnen eine Konfirmation ihrer alten
Gewohnheiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten ertheile, „de se ok also
mit groter Vorsichtigkeit und mit Pralle kregen", erzählt ein alter
Chronist. Wegen Einführung der Bierzinse, die von den altmärki¬
schen Städten nicht bewilligt waren, erhoben sich diese, Stendal voran,
1488, inderMeinung, daß Niemand in der Welt das Recht habe, von dem
Ihrigen etwas zu nehmen, Steuern zu fordern ohne ihre freie Ein¬
willigung. Stendal wurde unterworfen, weil sowohl der Landadel
wie der Stadtadel nebst den Gewandschneidern sich, wie der Kur¬
fürst bezeugt, „als die gehorsamen gehalten", „als die unseren von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181588"/>
            <p xml:id="ID_1139" prev="#ID_1138"> verein debattirend, daß 1374 dort oben auf der Burg Kaiser Karl<lb/>
IV. in einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Herren mit<lb/>
den Ständen der Mark Brandenburg eine ewige Vereinigung<lb/>
der Mark mit der Krone Böhmen geschlossen. Niemand wirft einen<lb/>
Blick auf dieses unscheinbare Werben, dessen strategische Wichtigkeit<lb/>
Albrecht der Bär, Gustav Adslph, Napoleon und der geniale Hein¬<lb/>
rich von Bülow erkannten. Mit großer Consequenz benutzten die<lb/>
Römer, Gustav Adolph und Napoleon Flußlinien zur Anlegung von<lb/>
Wasserplätzen. Werben, am Zusammenfluß der Elbe und Havel, ist<lb/>
der Schlüssel zu beiden Eid- und zum Havelufer. Gustav Adolph<lb/>
bemächtigte sich des Platzes. In vierzehn Tagen ließ er ein verschanz¬<lb/>
tes Lager aufführen. Tilly eilte herbei, Juli 1631, und stürmte drei<lb/>
Tage lang mit großer Uebermacht vergebens das Lager. Wer ge¬<lb/>
denkt, bei dem Anblick der großen und schonen Kirchen des jetzt öden<lb/>
Stendals, jenes kräftigen, frciheitsstolzen, trotzigen Sinns, den der<lb/>
Reichthum und die Selbstregierung früherer Jahrhunderte in seinen<lb/>
Bürgern genährt!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1140" next="#ID_1141"> Der eiserne Herrscherwille des Kurfürsten aus dem Hause Ho---<lb/>
henzollern strebte consequent und mit Nachdruck nach Erhöhung, Er¬<lb/>
weiterung und Befestigung unbeschränkter Gewalt. Begünstigt wurde<lb/>
dies Streben überall durch die Sonderinteressen der verschiedenen<lb/>
Stände, wo der eine den anderen niederzudrücken suchte und um die<lb/>
Gunst des Herrschers buhlte, seit der kühne, trotzige, fehdedürstige<lb/>
Ritter zum Hofschranzen herabsank. Die altmärkischen Städte, Mit¬<lb/>
glieder der Hansa, durch Gewerbthätigkeit und Handel blühend, leb¬<lb/>
ten während des Mittelalters in stolzer Unabhängigkeit, nach eigenen<lb/>
Gesetzen. Noch 1471 verweigerten sie dem Kurfürsten Albrecht Achil¬<lb/>
les die Huldigung, bevor er ihnen eine Konfirmation ihrer alten<lb/>
Gewohnheiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten ertheile, &#x201E;de se ok also<lb/>
mit groter Vorsichtigkeit und mit Pralle kregen", erzählt ein alter<lb/>
Chronist. Wegen Einführung der Bierzinse, die von den altmärki¬<lb/>
schen Städten nicht bewilligt waren, erhoben sich diese, Stendal voran,<lb/>
1488, inderMeinung, daß Niemand in der Welt das Recht habe, von dem<lb/>
Ihrigen etwas zu nehmen, Steuern zu fordern ohne ihre freie Ein¬<lb/>
willigung. Stendal wurde unterworfen, weil sowohl der Landadel<lb/>
wie der Stadtadel nebst den Gewandschneidern sich, wie der Kur¬<lb/>
fürst bezeugt, &#x201E;als die gehorsamen gehalten", &#x201E;als die unseren von</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0404] verein debattirend, daß 1374 dort oben auf der Burg Kaiser Karl IV. in einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Herren mit den Ständen der Mark Brandenburg eine ewige Vereinigung der Mark mit der Krone Böhmen geschlossen. Niemand wirft einen Blick auf dieses unscheinbare Werben, dessen strategische Wichtigkeit Albrecht der Bär, Gustav Adslph, Napoleon und der geniale Hein¬ rich von Bülow erkannten. Mit großer Consequenz benutzten die Römer, Gustav Adolph und Napoleon Flußlinien zur Anlegung von Wasserplätzen. Werben, am Zusammenfluß der Elbe und Havel, ist der Schlüssel zu beiden Eid- und zum Havelufer. Gustav Adolph bemächtigte sich des Platzes. In vierzehn Tagen ließ er ein verschanz¬ tes Lager aufführen. Tilly eilte herbei, Juli 1631, und stürmte drei Tage lang mit großer Uebermacht vergebens das Lager. Wer ge¬ denkt, bei dem Anblick der großen und schonen Kirchen des jetzt öden Stendals, jenes kräftigen, frciheitsstolzen, trotzigen Sinns, den der Reichthum und die Selbstregierung früherer Jahrhunderte in seinen Bürgern genährt! Der eiserne Herrscherwille des Kurfürsten aus dem Hause Ho--- henzollern strebte consequent und mit Nachdruck nach Erhöhung, Er¬ weiterung und Befestigung unbeschränkter Gewalt. Begünstigt wurde dies Streben überall durch die Sonderinteressen der verschiedenen Stände, wo der eine den anderen niederzudrücken suchte und um die Gunst des Herrschers buhlte, seit der kühne, trotzige, fehdedürstige Ritter zum Hofschranzen herabsank. Die altmärkischen Städte, Mit¬ glieder der Hansa, durch Gewerbthätigkeit und Handel blühend, leb¬ ten während des Mittelalters in stolzer Unabhängigkeit, nach eigenen Gesetzen. Noch 1471 verweigerten sie dem Kurfürsten Albrecht Achil¬ les die Huldigung, bevor er ihnen eine Konfirmation ihrer alten Gewohnheiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten ertheile, „de se ok also mit groter Vorsichtigkeit und mit Pralle kregen", erzählt ein alter Chronist. Wegen Einführung der Bierzinse, die von den altmärki¬ schen Städten nicht bewilligt waren, erhoben sich diese, Stendal voran, 1488, inderMeinung, daß Niemand in der Welt das Recht habe, von dem Ihrigen etwas zu nehmen, Steuern zu fordern ohne ihre freie Ein¬ willigung. Stendal wurde unterworfen, weil sowohl der Landadel wie der Stadtadel nebst den Gewandschneidern sich, wie der Kur¬ fürst bezeugt, „als die gehorsamen gehalten", „als die unseren von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/404
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/404>, abgerufen am 28.07.2024.