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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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grasen und Kurfürsten weilten. Jetzt zeigt sich rechts auf mäßiger
Höhe Harelberg's Dom, während man links das kleine unbe¬
deutende Werben, die ehemalige Grenzfestung gegen die Wenden,
mit seiner schönen Kirche, seinen Wartthürmcn erblickt. Der Dam¬
pfer eilt an der fruchtbaren altmärkischen Wische dahin, deren frische
Laubgehölze, anmuthige Eichenhaine, aus denen sich in der Ferne die
Thürme der Marienkirche SeehauscnS erheben, dem Reisenden freund--
Kab zulächeln, wenn ihm zur Rechten die traurigen, öden Kieferwäl¬
der der sandreichen Priegnitz finster entgegenstarren. Bei der Garbe,
einer zwischen Elbe und Aland eingekeilten, zweitausend Morgen gro¬
ßen Eichenwaldung vorübereilend, verläßt der Dampfer bei dem han-
növer'schen Städtchen die Altmark, die Stammprovinz des preußi¬
schen Staates.

Selten wird die entlegene, an Naturschönheiten arme Altmark
von Reisenden besucht. Angezogen durch die alten Bauwerke, haben
sich in neuerer Zeit wohl Engländer in der Provinz umherfahren
lassen, fluchend über die schlechten, unchaussirten Wege. Der größte
Theil der Reisenden eilt gedankenlos vorbei. Niemand erinnert sich,
daß er an der Wiege des preußischen Staates vorüberfährt. Kaum
wirft der Reisende mit vornehmer Geringschätzung einen Blick auf
jenes an alterthümlichen Bauwerken und Erinnerungen reiche Tan¬
germünde, dessen Burg, mit schöner Fernsicht über die Elbauen weg,
einst die gewöhnliche Residenz der Markgrafen und Kurfürsten aus
dem ballenstädtischen, dem baierischen und luxemburgischen Hause,
dann der Lieblingsaufenthalt Kaiser Karl'S IV. war, der die Stadt
durch Prachtbaue aller Art verschönerte. Noch die ersten Kurfürsten
aus dem Hause Hohenzollern residirten hier an den Ufern der Elbe
in Tangermünde und im nahen Arneburg, bis sie, durch den Trotz,
die stolze Unabhängigkeit und Selbständigkeit der altmärkischen Städte
wenig erbaut, das früher gedemüthigte Berlin, dessen stolzer Freiheits-
sinn durch Waffengewalt gebrochen und zum Gehorsam gezwungen
war, zum Aufenthalt wählten. Niemand erinnert sich der glänzenden
Tage, die Tangermünde in früheren Jahrhunderten sah, wo Kaiser,
Kurfürsten, Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe hier versammelt waren,
deren zahlloses Gefolge in den jetzt öden Straßen auf- und abwogte.
Wer denkt daran, wenn er mit Dampf unter den Fenstern des Amt-
Hauses vorüberfliegt, eifrig über den Anschluß Böhmens an den Zoll-


grasen und Kurfürsten weilten. Jetzt zeigt sich rechts auf mäßiger
Höhe Harelberg's Dom, während man links das kleine unbe¬
deutende Werben, die ehemalige Grenzfestung gegen die Wenden,
mit seiner schönen Kirche, seinen Wartthürmcn erblickt. Der Dam¬
pfer eilt an der fruchtbaren altmärkischen Wische dahin, deren frische
Laubgehölze, anmuthige Eichenhaine, aus denen sich in der Ferne die
Thürme der Marienkirche SeehauscnS erheben, dem Reisenden freund--
Kab zulächeln, wenn ihm zur Rechten die traurigen, öden Kieferwäl¬
der der sandreichen Priegnitz finster entgegenstarren. Bei der Garbe,
einer zwischen Elbe und Aland eingekeilten, zweitausend Morgen gro¬
ßen Eichenwaldung vorübereilend, verläßt der Dampfer bei dem han-
növer'schen Städtchen die Altmark, die Stammprovinz des preußi¬
schen Staates.

Selten wird die entlegene, an Naturschönheiten arme Altmark
von Reisenden besucht. Angezogen durch die alten Bauwerke, haben
sich in neuerer Zeit wohl Engländer in der Provinz umherfahren
lassen, fluchend über die schlechten, unchaussirten Wege. Der größte
Theil der Reisenden eilt gedankenlos vorbei. Niemand erinnert sich,
daß er an der Wiege des preußischen Staates vorüberfährt. Kaum
wirft der Reisende mit vornehmer Geringschätzung einen Blick auf
jenes an alterthümlichen Bauwerken und Erinnerungen reiche Tan¬
germünde, dessen Burg, mit schöner Fernsicht über die Elbauen weg,
einst die gewöhnliche Residenz der Markgrafen und Kurfürsten aus
dem ballenstädtischen, dem baierischen und luxemburgischen Hause,
dann der Lieblingsaufenthalt Kaiser Karl'S IV. war, der die Stadt
durch Prachtbaue aller Art verschönerte. Noch die ersten Kurfürsten
aus dem Hause Hohenzollern residirten hier an den Ufern der Elbe
in Tangermünde und im nahen Arneburg, bis sie, durch den Trotz,
die stolze Unabhängigkeit und Selbständigkeit der altmärkischen Städte
wenig erbaut, das früher gedemüthigte Berlin, dessen stolzer Freiheits-
sinn durch Waffengewalt gebrochen und zum Gehorsam gezwungen
war, zum Aufenthalt wählten. Niemand erinnert sich der glänzenden
Tage, die Tangermünde in früheren Jahrhunderten sah, wo Kaiser,
Kurfürsten, Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe hier versammelt waren,
deren zahlloses Gefolge in den jetzt öden Straßen auf- und abwogte.
Wer denkt daran, wenn er mit Dampf unter den Fenstern des Amt-
Hauses vorüberfliegt, eifrig über den Anschluß Böhmens an den Zoll-


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[0403] grasen und Kurfürsten weilten. Jetzt zeigt sich rechts auf mäßiger Höhe Harelberg's Dom, während man links das kleine unbe¬ deutende Werben, die ehemalige Grenzfestung gegen die Wenden, mit seiner schönen Kirche, seinen Wartthürmcn erblickt. Der Dam¬ pfer eilt an der fruchtbaren altmärkischen Wische dahin, deren frische Laubgehölze, anmuthige Eichenhaine, aus denen sich in der Ferne die Thürme der Marienkirche SeehauscnS erheben, dem Reisenden freund-- Kab zulächeln, wenn ihm zur Rechten die traurigen, öden Kieferwäl¬ der der sandreichen Priegnitz finster entgegenstarren. Bei der Garbe, einer zwischen Elbe und Aland eingekeilten, zweitausend Morgen gro¬ ßen Eichenwaldung vorübereilend, verläßt der Dampfer bei dem han- növer'schen Städtchen die Altmark, die Stammprovinz des preußi¬ schen Staates. Selten wird die entlegene, an Naturschönheiten arme Altmark von Reisenden besucht. Angezogen durch die alten Bauwerke, haben sich in neuerer Zeit wohl Engländer in der Provinz umherfahren lassen, fluchend über die schlechten, unchaussirten Wege. Der größte Theil der Reisenden eilt gedankenlos vorbei. Niemand erinnert sich, daß er an der Wiege des preußischen Staates vorüberfährt. Kaum wirft der Reisende mit vornehmer Geringschätzung einen Blick auf jenes an alterthümlichen Bauwerken und Erinnerungen reiche Tan¬ germünde, dessen Burg, mit schöner Fernsicht über die Elbauen weg, einst die gewöhnliche Residenz der Markgrafen und Kurfürsten aus dem ballenstädtischen, dem baierischen und luxemburgischen Hause, dann der Lieblingsaufenthalt Kaiser Karl'S IV. war, der die Stadt durch Prachtbaue aller Art verschönerte. Noch die ersten Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern residirten hier an den Ufern der Elbe in Tangermünde und im nahen Arneburg, bis sie, durch den Trotz, die stolze Unabhängigkeit und Selbständigkeit der altmärkischen Städte wenig erbaut, das früher gedemüthigte Berlin, dessen stolzer Freiheits- sinn durch Waffengewalt gebrochen und zum Gehorsam gezwungen war, zum Aufenthalt wählten. Niemand erinnert sich der glänzenden Tage, die Tangermünde in früheren Jahrhunderten sah, wo Kaiser, Kurfürsten, Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe hier versammelt waren, deren zahlloses Gefolge in den jetzt öden Straßen auf- und abwogte. Wer denkt daran, wenn er mit Dampf unter den Fenstern des Amt- Hauses vorüberfliegt, eifrig über den Anschluß Böhmens an den Zoll-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/403>, abgerufen am 01.09.2024.