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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Stendal sich in Zusagung des Biergeldes gegen uns und unsere
Herrschaft ungehorsamlich und Widersessig gehalten haben, darum wir
mit ihnen zu Uffruhr und Widerwillen gekommen sind." Die alt¬
märkischen Städte mußten aus dem Hansabunde treten. Mit dem
Untergange bürgerlicher Freiheit und Selbständigkeit, durch das Auf¬
blühen fürstlicher Unumschränktheit und Machtvollkommenheit versieg¬
ten die Quellen des städtischen Wohlstandes ^ bis der dreißigjährige
Bruderkrieg den gänzlichen Ruin derselben herbeiführte.

Ein interessanter Beweis der früheren Bedeutung des jetzt un¬
bedeutenden Stendal in Folgendem: Bürgermeister und Rathmannen
der Stadt Hamburg schrieben 1466 den ehrsamen, weisen Bürger¬
meistern und Rathmannen zu Stendal, ihren guten Freunden, --
"das de Ersame van Gent sunderge beswaringe und Accise uppe
unser Hamborger Beer eingefettet hebben." Sie melden dabei, "dar
se gute beswaringe und Accise" auf Gentische Güter und Laken
gelegt und bitten zugleich, da die Stendaler Kaufmannschaft "sodane
Gentesche Laken und Gudere dat achte Part vor ander stete Kop-
lüve Hanteret", Stendal möchte sich in Gent für Aufhebung jener
"beswaringe der Accise" auf Hamborger Bier verwenden.

Auch auf dem Lande bei den Bauern ein ungewöhnlicher Wohl¬
stand. In den Zeiten der aufkommenden Bauernbevormundung durch
den Adel beschließt der allmärkische Adel auf dem Landtage 1531,
daß ein Bauer bei der Ausstattung seiner Tochter geben mag ein
-Paar schöner Kleider von haagischem, leydischem oder kamper Tuch,
auch zwei Paar und nicht mehr; dazu sechs Loth feines Silber
zu Bändchen, Knöpfen und Schalen. Die Bauerfrauen der Alt¬
mark unterschieden sich früher von den unverheiratheten Mädchen
durch ein mit Knöpfen reichbesetztes Mieder, das vorne auf der Brust
zum Aufknöpfen eingerichtet, die Erfüllung der Murterpflichten er¬
leichterte. An dem Mieder prangte dichtgedrängt eine Reihe kleiner
Knöpfe, früher von Silber, später von -- Zinn. Nur bei den Ho¬
pfenbauern hatten sich auch in späteren Zeiten silberne Knopfe er¬
halten.

Wie in den Städten bei den Bürgern, so auch bei den Bauern
Trotz, stolzes Selbstgefühl und Kriegcsmuth noch in späteren Zeiten.
Im dreißigjährigen Kriege griffen die Bauern der Altmark zu den
Waffen, um sich ihrer Dränger zu entledigen. "Zuerst", erzählt der


Grciijwtcn II. 5^

Stendal sich in Zusagung des Biergeldes gegen uns und unsere
Herrschaft ungehorsamlich und Widersessig gehalten haben, darum wir
mit ihnen zu Uffruhr und Widerwillen gekommen sind." Die alt¬
märkischen Städte mußten aus dem Hansabunde treten. Mit dem
Untergange bürgerlicher Freiheit und Selbständigkeit, durch das Auf¬
blühen fürstlicher Unumschränktheit und Machtvollkommenheit versieg¬
ten die Quellen des städtischen Wohlstandes ^ bis der dreißigjährige
Bruderkrieg den gänzlichen Ruin derselben herbeiführte.

Ein interessanter Beweis der früheren Bedeutung des jetzt un¬
bedeutenden Stendal in Folgendem: Bürgermeister und Rathmannen
der Stadt Hamburg schrieben 1466 den ehrsamen, weisen Bürger¬
meistern und Rathmannen zu Stendal, ihren guten Freunden, —
„das de Ersame van Gent sunderge beswaringe und Accise uppe
unser Hamborger Beer eingefettet hebben." Sie melden dabei, „dar
se gute beswaringe und Accise" auf Gentische Güter und Laken
gelegt und bitten zugleich, da die Stendaler Kaufmannschaft „sodane
Gentesche Laken und Gudere dat achte Part vor ander stete Kop-
lüve Hanteret", Stendal möchte sich in Gent für Aufhebung jener
„beswaringe der Accise" auf Hamborger Bier verwenden.

Auch auf dem Lande bei den Bauern ein ungewöhnlicher Wohl¬
stand. In den Zeiten der aufkommenden Bauernbevormundung durch
den Adel beschließt der allmärkische Adel auf dem Landtage 1531,
daß ein Bauer bei der Ausstattung seiner Tochter geben mag ein
-Paar schöner Kleider von haagischem, leydischem oder kamper Tuch,
auch zwei Paar und nicht mehr; dazu sechs Loth feines Silber
zu Bändchen, Knöpfen und Schalen. Die Bauerfrauen der Alt¬
mark unterschieden sich früher von den unverheiratheten Mädchen
durch ein mit Knöpfen reichbesetztes Mieder, das vorne auf der Brust
zum Aufknöpfen eingerichtet, die Erfüllung der Murterpflichten er¬
leichterte. An dem Mieder prangte dichtgedrängt eine Reihe kleiner
Knöpfe, früher von Silber, später von — Zinn. Nur bei den Ho¬
pfenbauern hatten sich auch in späteren Zeiten silberne Knopfe er¬
halten.

Wie in den Städten bei den Bürgern, so auch bei den Bauern
Trotz, stolzes Selbstgefühl und Kriegcsmuth noch in späteren Zeiten.
Im dreißigjährigen Kriege griffen die Bauern der Altmark zu den
Waffen, um sich ihrer Dränger zu entledigen. „Zuerst", erzählt der


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[0405] Stendal sich in Zusagung des Biergeldes gegen uns und unsere Herrschaft ungehorsamlich und Widersessig gehalten haben, darum wir mit ihnen zu Uffruhr und Widerwillen gekommen sind." Die alt¬ märkischen Städte mußten aus dem Hansabunde treten. Mit dem Untergange bürgerlicher Freiheit und Selbständigkeit, durch das Auf¬ blühen fürstlicher Unumschränktheit und Machtvollkommenheit versieg¬ ten die Quellen des städtischen Wohlstandes ^ bis der dreißigjährige Bruderkrieg den gänzlichen Ruin derselben herbeiführte. Ein interessanter Beweis der früheren Bedeutung des jetzt un¬ bedeutenden Stendal in Folgendem: Bürgermeister und Rathmannen der Stadt Hamburg schrieben 1466 den ehrsamen, weisen Bürger¬ meistern und Rathmannen zu Stendal, ihren guten Freunden, — „das de Ersame van Gent sunderge beswaringe und Accise uppe unser Hamborger Beer eingefettet hebben." Sie melden dabei, „dar se gute beswaringe und Accise" auf Gentische Güter und Laken gelegt und bitten zugleich, da die Stendaler Kaufmannschaft „sodane Gentesche Laken und Gudere dat achte Part vor ander stete Kop- lüve Hanteret", Stendal möchte sich in Gent für Aufhebung jener „beswaringe der Accise" auf Hamborger Bier verwenden. Auch auf dem Lande bei den Bauern ein ungewöhnlicher Wohl¬ stand. In den Zeiten der aufkommenden Bauernbevormundung durch den Adel beschließt der allmärkische Adel auf dem Landtage 1531, daß ein Bauer bei der Ausstattung seiner Tochter geben mag ein -Paar schöner Kleider von haagischem, leydischem oder kamper Tuch, auch zwei Paar und nicht mehr; dazu sechs Loth feines Silber zu Bändchen, Knöpfen und Schalen. Die Bauerfrauen der Alt¬ mark unterschieden sich früher von den unverheiratheten Mädchen durch ein mit Knöpfen reichbesetztes Mieder, das vorne auf der Brust zum Aufknöpfen eingerichtet, die Erfüllung der Murterpflichten er¬ leichterte. An dem Mieder prangte dichtgedrängt eine Reihe kleiner Knöpfe, früher von Silber, später von — Zinn. Nur bei den Ho¬ pfenbauern hatten sich auch in späteren Zeiten silberne Knopfe er¬ halten. Wie in den Städten bei den Bürgern, so auch bei den Bauern Trotz, stolzes Selbstgefühl und Kriegcsmuth noch in späteren Zeiten. Im dreißigjährigen Kriege griffen die Bauern der Altmark zu den Waffen, um sich ihrer Dränger zu entledigen. „Zuerst", erzählt der Grciijwtcn II. 5^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/405>, abgerufen am 01.09.2024.