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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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eben so Schaden bringen wird, wie das seines Vorgängers. Er ist
nicht zu hart, er hat in der Regel nur zu sehr Recht, aber er ist
unbarmherzig. Sein Tadel führt nicht den lindernden Balsam mit
sich, der in der Kritik nothwendig ist, wenn sie nützen soll. Er ver¬
fällt in den Fehler der französischen Kritik, die den Pariser Salon
verdorben und herabgedrückt hat. Unsere bedeutenderen Künstler wer¬
den sich gewaltig hüten, ihren langsam erworbenen Ruhm für Nichts
und wieder Nichts auf's Spiel zu setzen. Die Zukunft wird zeigen,
ob die Ausstellung von 4846 nicht Spuren des giftigen Zahnes an
sich trägt, der an der von 1844 nagte. Aber dennoch kann ich Je¬
dem, welcher ein gediegenes, verständiges Urtheil über Kunst lesen
will, den Bericht der Vossischen Zeitung nur empfehlen.

Es ist kein "Huß", überhaupt kein Bild auf der Ausstellung,
das einen Mittelpunkt des Ganzen bildete, wie es zu wünschen wäre.
Ueberhaupt zeichnet sich die Ausstellung selbst durch eine gewisse Un¬
ordnung und Unfertigkeit aus, welche dem Conn" dringend zur Last
gelegt werden muß. Eine Anzahl der besseren Bilder ist auffallend
ungünstig und schlecht placirt. Bei der Eröffnung bot die Ausstel¬
lung kaum die Hälfte der im Katalog aufgeführten Nummern dar.
Von da an kamen höchstens täglich ein bis zwei Bilder zu, und alle
Woche wurde vielleicht ein Zimmer eröffnet. Es ist dies der natür¬
liche Grund sür die Verzögerung meines Berichtes, denn hätte ich
ihn früher gegeben, so würde der Nachtrag dazu am bedeutendsten
geworden sein; und ich nehme daher die Entschuldigung für mich in
Anspruch, daß ich das mit einem Mal geben soll, waS Berliner Zei¬
tungen in täglichen Abschnitten brachten.

Unsre Historienmaler können sich immer noch nicht daran ge¬
wöhnen, den Stoff zu ihren Bildern aus der Gegenwart oder we¬
nigstens der ihr näherliegenden Geschichte zu holen. Sie begnügen
sich damit, irgend einen biblisch historischen Moment auszuwählen,
der schon in hundert Bildern vor ihnen gemalt ist, diesen Moment
in ein Bild zusammen zu bringen und die Zeichnung zu coloriren.
Dann ist das historische Bild fertig, bis auf den Namen, der zum
Verständniß aller dieser Bilder die Hauptsache ist. Sie begreifen
nicht, daß das selbständige Schaffen der höchste Vorzug des Künst¬
lers ist, und kaum lieber die Madonnen und Christusbilder wieder,
welche wir bis zum Ekel satt haben, weil wir sie nicht verstehen,


eben so Schaden bringen wird, wie das seines Vorgängers. Er ist
nicht zu hart, er hat in der Regel nur zu sehr Recht, aber er ist
unbarmherzig. Sein Tadel führt nicht den lindernden Balsam mit
sich, der in der Kritik nothwendig ist, wenn sie nützen soll. Er ver¬
fällt in den Fehler der französischen Kritik, die den Pariser Salon
verdorben und herabgedrückt hat. Unsere bedeutenderen Künstler wer¬
den sich gewaltig hüten, ihren langsam erworbenen Ruhm für Nichts
und wieder Nichts auf's Spiel zu setzen. Die Zukunft wird zeigen,
ob die Ausstellung von 4846 nicht Spuren des giftigen Zahnes an
sich trägt, der an der von 1844 nagte. Aber dennoch kann ich Je¬
dem, welcher ein gediegenes, verständiges Urtheil über Kunst lesen
will, den Bericht der Vossischen Zeitung nur empfehlen.

Es ist kein „Huß", überhaupt kein Bild auf der Ausstellung,
das einen Mittelpunkt des Ganzen bildete, wie es zu wünschen wäre.
Ueberhaupt zeichnet sich die Ausstellung selbst durch eine gewisse Un¬
ordnung und Unfertigkeit aus, welche dem Conn« dringend zur Last
gelegt werden muß. Eine Anzahl der besseren Bilder ist auffallend
ungünstig und schlecht placirt. Bei der Eröffnung bot die Ausstel¬
lung kaum die Hälfte der im Katalog aufgeführten Nummern dar.
Von da an kamen höchstens täglich ein bis zwei Bilder zu, und alle
Woche wurde vielleicht ein Zimmer eröffnet. Es ist dies der natür¬
liche Grund sür die Verzögerung meines Berichtes, denn hätte ich
ihn früher gegeben, so würde der Nachtrag dazu am bedeutendsten
geworden sein; und ich nehme daher die Entschuldigung für mich in
Anspruch, daß ich das mit einem Mal geben soll, waS Berliner Zei¬
tungen in täglichen Abschnitten brachten.

Unsre Historienmaler können sich immer noch nicht daran ge¬
wöhnen, den Stoff zu ihren Bildern aus der Gegenwart oder we¬
nigstens der ihr näherliegenden Geschichte zu holen. Sie begnügen
sich damit, irgend einen biblisch historischen Moment auszuwählen,
der schon in hundert Bildern vor ihnen gemalt ist, diesen Moment
in ein Bild zusammen zu bringen und die Zeichnung zu coloriren.
Dann ist das historische Bild fertig, bis auf den Namen, der zum
Verständniß aller dieser Bilder die Hauptsache ist. Sie begreifen
nicht, daß das selbständige Schaffen der höchste Vorzug des Künst¬
lers ist, und kaum lieber die Madonnen und Christusbilder wieder,
welche wir bis zum Ekel satt haben, weil wir sie nicht verstehen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/353>, abgerufen am 27.07.2024.