Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bestehenden Einrichtung, und man begnügt sich von Zeit zu Zeit in
einzelnen Fällen, vorkommende Uebel zu repariren, aber um das
Wiedererscheinen dieser Uebel radical auszurotten, daran wagt Nie¬
mand die Hand zu legen. Man fürchtet zu sehr, ein alles morsches
Gebäude niederzureißen, welches allerdings mit recht hübschen Stal¬
lungen und Nebengebäuden umgeben ist. Niemand getraut sich, ei¬
nen solchen Bauplan vorzulegen, weil diejenigen, die in diesem Ge¬
bäude wohnen, sich an das Alte, Ehrwürdige zu sehr gewohnt ha¬
ben, um in eine neue Wohnung einzuziehen, die, trotz ihrer schonen
Bauart, sie nicht an jene genossenen Freuden erinnert, die ihnen die
alte Wohnung darbietet. Sie sprechen zu den jungen Baulustigen:
Wartet, bis wir nicht mehr sein werden, dann konnt Ihr bauen, wie
Ihr wollt; wir bleiben in unserem alten Gebäude, wenn auch ein
wenig Ungeziefer darin hau'se, es heizt sich doch gut darin, und wir
sind darin glücklich geworden. Wenn die, die so sprechen, endlich
abgehen, dann sind die ehemaligen Baulustigen auch alt geworden,
flicken ein wenig das alte Gebäude aus und überlassen es ihren
Nachfolgern, ein neues aufzuführen, und so geht es fort. -- Wer
ist auch im Stande, in der österreichischen Armee allen Mißbräuchen
und Mißgriffen einen Riegel vorzuschieben? Wir haben gewiß unter
unseren Offizieren große erleuchtete Köpfe; aber in allen Zweigen der
Artillerie genaue Routine und in allen kleinen Verhältnissen und
Manipulationen eingeweiht zu sein, ist noch Keinem gelungen.--
Um also die bestehenden Mißgriffe und Mißbräuche abzustellen, müßte
eine Commission gerade von jenen Individuen zusammengesetzt wer¬
den, welche von jenen Mißbräuchen den meisten Nutzen gezogen ha¬
ben, und das ist unmöglich! denn wenn auch, hier und da ein In¬
dividuum hinter gewisse Unterschleife und Mißbräuche kam und keine
Rücksichten hätte, selbe zu offenbaren, sowürde es nur höchstens in einem
Zweige etwas bezwecken, in anderen Zweigen und anderswo würde Alles
unverändert bleiben. Von unten aus müßte eine Reform und Vor¬
schläge ausgehen, und dieses sollten die Hochgestellten in Erwägung
ziehen. Man sollte sich nicht begnügen, vorkommende Defraudationcn
zu bestrafen, man sollte die Mittel aufsuchen, ihnen vorzubeugen.
Man sollte einmal aufhören, den unfähigen Offizieren Stellen zu
creiren, wo sie mit ihrer Unwissenheit ausreichen; man sollte keine
unfähigen Offiziere mehr machen und diejenigen, die schon eristiren,


bestehenden Einrichtung, und man begnügt sich von Zeit zu Zeit in
einzelnen Fällen, vorkommende Uebel zu repariren, aber um das
Wiedererscheinen dieser Uebel radical auszurotten, daran wagt Nie¬
mand die Hand zu legen. Man fürchtet zu sehr, ein alles morsches
Gebäude niederzureißen, welches allerdings mit recht hübschen Stal¬
lungen und Nebengebäuden umgeben ist. Niemand getraut sich, ei¬
nen solchen Bauplan vorzulegen, weil diejenigen, die in diesem Ge¬
bäude wohnen, sich an das Alte, Ehrwürdige zu sehr gewohnt ha¬
ben, um in eine neue Wohnung einzuziehen, die, trotz ihrer schonen
Bauart, sie nicht an jene genossenen Freuden erinnert, die ihnen die
alte Wohnung darbietet. Sie sprechen zu den jungen Baulustigen:
Wartet, bis wir nicht mehr sein werden, dann konnt Ihr bauen, wie
Ihr wollt; wir bleiben in unserem alten Gebäude, wenn auch ein
wenig Ungeziefer darin hau'se, es heizt sich doch gut darin, und wir
sind darin glücklich geworden. Wenn die, die so sprechen, endlich
abgehen, dann sind die ehemaligen Baulustigen auch alt geworden,
flicken ein wenig das alte Gebäude aus und überlassen es ihren
Nachfolgern, ein neues aufzuführen, und so geht es fort. — Wer
ist auch im Stande, in der österreichischen Armee allen Mißbräuchen
und Mißgriffen einen Riegel vorzuschieben? Wir haben gewiß unter
unseren Offizieren große erleuchtete Köpfe; aber in allen Zweigen der
Artillerie genaue Routine und in allen kleinen Verhältnissen und
Manipulationen eingeweiht zu sein, ist noch Keinem gelungen.—
Um also die bestehenden Mißgriffe und Mißbräuche abzustellen, müßte
eine Commission gerade von jenen Individuen zusammengesetzt wer¬
den, welche von jenen Mißbräuchen den meisten Nutzen gezogen ha¬
ben, und das ist unmöglich! denn wenn auch, hier und da ein In¬
dividuum hinter gewisse Unterschleife und Mißbräuche kam und keine
Rücksichten hätte, selbe zu offenbaren, sowürde es nur höchstens in einem
Zweige etwas bezwecken, in anderen Zweigen und anderswo würde Alles
unverändert bleiben. Von unten aus müßte eine Reform und Vor¬
schläge ausgehen, und dieses sollten die Hochgestellten in Erwägung
ziehen. Man sollte sich nicht begnügen, vorkommende Defraudationcn
zu bestrafen, man sollte die Mittel aufsuchen, ihnen vorzubeugen.
Man sollte einmal aufhören, den unfähigen Offizieren Stellen zu
creiren, wo sie mit ihrer Unwissenheit ausreichen; man sollte keine
unfähigen Offiziere mehr machen und diejenigen, die schon eristiren,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181530"/>
            <p xml:id="ID_998" prev="#ID_997" next="#ID_999"> bestehenden Einrichtung, und man begnügt sich von Zeit zu Zeit in<lb/>
einzelnen Fällen, vorkommende Uebel zu repariren, aber um das<lb/>
Wiedererscheinen dieser Uebel radical auszurotten, daran wagt Nie¬<lb/>
mand die Hand zu legen. Man fürchtet zu sehr, ein alles morsches<lb/>
Gebäude niederzureißen, welches allerdings mit recht hübschen Stal¬<lb/>
lungen und Nebengebäuden umgeben ist. Niemand getraut sich, ei¬<lb/>
nen solchen Bauplan vorzulegen, weil diejenigen, die in diesem Ge¬<lb/>
bäude wohnen, sich an das Alte, Ehrwürdige zu sehr gewohnt ha¬<lb/>
ben, um in eine neue Wohnung einzuziehen, die, trotz ihrer schonen<lb/>
Bauart, sie nicht an jene genossenen Freuden erinnert, die ihnen die<lb/>
alte Wohnung darbietet. Sie sprechen zu den jungen Baulustigen:<lb/>
Wartet, bis wir nicht mehr sein werden, dann konnt Ihr bauen, wie<lb/>
Ihr wollt; wir bleiben in unserem alten Gebäude, wenn auch ein<lb/>
wenig Ungeziefer darin hau'se, es heizt sich doch gut darin, und wir<lb/>
sind darin glücklich geworden. Wenn die, die so sprechen, endlich<lb/>
abgehen, dann sind die ehemaligen Baulustigen auch alt geworden,<lb/>
flicken ein wenig das alte Gebäude aus und überlassen es ihren<lb/>
Nachfolgern, ein neues aufzuführen, und so geht es fort. &#x2014; Wer<lb/>
ist auch im Stande, in der österreichischen Armee allen Mißbräuchen<lb/>
und Mißgriffen einen Riegel vorzuschieben? Wir haben gewiß unter<lb/>
unseren Offizieren große erleuchtete Köpfe; aber in allen Zweigen der<lb/>
Artillerie genaue Routine und in allen kleinen Verhältnissen und<lb/>
Manipulationen eingeweiht zu sein, ist noch Keinem gelungen.&#x2014;<lb/>
Um also die bestehenden Mißgriffe und Mißbräuche abzustellen, müßte<lb/>
eine Commission gerade von jenen Individuen zusammengesetzt wer¬<lb/>
den, welche von jenen Mißbräuchen den meisten Nutzen gezogen ha¬<lb/>
ben, und das ist unmöglich! denn wenn auch, hier und da ein In¬<lb/>
dividuum hinter gewisse Unterschleife und Mißbräuche kam und keine<lb/>
Rücksichten hätte, selbe zu offenbaren, sowürde es nur höchstens in einem<lb/>
Zweige etwas bezwecken, in anderen Zweigen und anderswo würde Alles<lb/>
unverändert bleiben. Von unten aus müßte eine Reform und Vor¬<lb/>
schläge ausgehen, und dieses sollten die Hochgestellten in Erwägung<lb/>
ziehen. Man sollte sich nicht begnügen, vorkommende Defraudationcn<lb/>
zu bestrafen, man sollte die Mittel aufsuchen, ihnen vorzubeugen.<lb/>
Man sollte einmal aufhören, den unfähigen Offizieren Stellen zu<lb/>
creiren, wo sie mit ihrer Unwissenheit ausreichen; man sollte keine<lb/>
unfähigen Offiziere mehr machen und diejenigen, die schon eristiren,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0346] bestehenden Einrichtung, und man begnügt sich von Zeit zu Zeit in einzelnen Fällen, vorkommende Uebel zu repariren, aber um das Wiedererscheinen dieser Uebel radical auszurotten, daran wagt Nie¬ mand die Hand zu legen. Man fürchtet zu sehr, ein alles morsches Gebäude niederzureißen, welches allerdings mit recht hübschen Stal¬ lungen und Nebengebäuden umgeben ist. Niemand getraut sich, ei¬ nen solchen Bauplan vorzulegen, weil diejenigen, die in diesem Ge¬ bäude wohnen, sich an das Alte, Ehrwürdige zu sehr gewohnt ha¬ ben, um in eine neue Wohnung einzuziehen, die, trotz ihrer schonen Bauart, sie nicht an jene genossenen Freuden erinnert, die ihnen die alte Wohnung darbietet. Sie sprechen zu den jungen Baulustigen: Wartet, bis wir nicht mehr sein werden, dann konnt Ihr bauen, wie Ihr wollt; wir bleiben in unserem alten Gebäude, wenn auch ein wenig Ungeziefer darin hau'se, es heizt sich doch gut darin, und wir sind darin glücklich geworden. Wenn die, die so sprechen, endlich abgehen, dann sind die ehemaligen Baulustigen auch alt geworden, flicken ein wenig das alte Gebäude aus und überlassen es ihren Nachfolgern, ein neues aufzuführen, und so geht es fort. — Wer ist auch im Stande, in der österreichischen Armee allen Mißbräuchen und Mißgriffen einen Riegel vorzuschieben? Wir haben gewiß unter unseren Offizieren große erleuchtete Köpfe; aber in allen Zweigen der Artillerie genaue Routine und in allen kleinen Verhältnissen und Manipulationen eingeweiht zu sein, ist noch Keinem gelungen.— Um also die bestehenden Mißgriffe und Mißbräuche abzustellen, müßte eine Commission gerade von jenen Individuen zusammengesetzt wer¬ den, welche von jenen Mißbräuchen den meisten Nutzen gezogen ha¬ ben, und das ist unmöglich! denn wenn auch, hier und da ein In¬ dividuum hinter gewisse Unterschleife und Mißbräuche kam und keine Rücksichten hätte, selbe zu offenbaren, sowürde es nur höchstens in einem Zweige etwas bezwecken, in anderen Zweigen und anderswo würde Alles unverändert bleiben. Von unten aus müßte eine Reform und Vor¬ schläge ausgehen, und dieses sollten die Hochgestellten in Erwägung ziehen. Man sollte sich nicht begnügen, vorkommende Defraudationcn zu bestrafen, man sollte die Mittel aufsuchen, ihnen vorzubeugen. Man sollte einmal aufhören, den unfähigen Offizieren Stellen zu creiren, wo sie mit ihrer Unwissenheit ausreichen; man sollte keine unfähigen Offiziere mehr machen und diejenigen, die schon eristiren,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/346
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/346>, abgerufen am 01.09.2024.