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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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werden Sie nicht in Abrede stellen; wohingegen jeder Aufgeklärte, selbst
ein Erzbischof, in einer solchen Erscheinung nichts Anderes, als ein
natürliches Naturereigniß erblickt. Der Bauer wird sagen: Gott
weiß, was das zu bedeuten hat, -- der Gelehrte wird sagen: ich
weiß es. Mithin ist der Gott des Bauers um so viel gescheidter,
um wie viel der Gelehrte gescheidter als der Bauer ist. Weil der
Gelehrte daher besser die Natur und ihre Einrichtungen begriffen hat,
so hat er an Glauben abgenommen und an wahrer Erkenntniß zu¬
genommen. Gott hat vor mehrern Jahren noch Vieles ganz allein
gewußt, was Andere jetzt auch wissen, und seine Allwissenheit wird
geringer, sobald Er Mitwisser hat.

Geistlicher Herr. Also nach Ihrer Meinung wird der Herr
Gott, je gescheidter die Menschen werden, desto dümmer. (Gelächter).

Garnisons-Lieutenant. Der Sinn ist beinahe derselbe.
Ich drücke mich nur etwas complaiscmter und höflicher gegen die
Gottheit aus. Ich sagte nur, daß, jemehr die Menschen die Natur
studiren uno durch Forschungen vorwärts schreiten, desto,> gemein¬
samer und öffentlicher die Weisheit Gottes wird. Ein Beispiel wird
dieses erklären!

Mein Herr. Auf dieses bin ich begierig! Nur heraus da¬
mit, Herr Lieutenant!

Garnisons-Lieutenant (zum geistlichen Herrn). Vermöge
Ihres Standes müssen Sie glauben, daß Niemand die Gedanken
eines andern Menschen errathen oder wissen kann, als Gott, oder
ein sonst dazu erwählter Heiliger oder sein Stellvertreter. Sehen Sie
aber, ich bin ein Profaner, ein Ungläubiger und ich getraue mich
doch zu errathen, was Sie als Gesalbter und Geweihter denken.

Geistlicher Herr. Die Gedanken und Nieren zu prüfen,
ist nur Gott vorbehalten, und wenn Sie mit mir wetten wollen, so
soll die Wette ohne Weiteres gelten. Ich setze 1 Fi. C.--M. daß
Sie nicht wissen, was ich mir denke.

Garnisons-Lieutenant. Gut! ich nehme Ihre Wette an.
Ich habe zwar nicht so viel Geld bei mir; aber mein Herr Haupt¬
mann wird für mich gut stehen.

Pauli. Für jeden Fall!

Mein Herr. Ich setze den Gulden mit Vergnügen für mei-


werden Sie nicht in Abrede stellen; wohingegen jeder Aufgeklärte, selbst
ein Erzbischof, in einer solchen Erscheinung nichts Anderes, als ein
natürliches Naturereigniß erblickt. Der Bauer wird sagen: Gott
weiß, was das zu bedeuten hat, — der Gelehrte wird sagen: ich
weiß es. Mithin ist der Gott des Bauers um so viel gescheidter,
um wie viel der Gelehrte gescheidter als der Bauer ist. Weil der
Gelehrte daher besser die Natur und ihre Einrichtungen begriffen hat,
so hat er an Glauben abgenommen und an wahrer Erkenntniß zu¬
genommen. Gott hat vor mehrern Jahren noch Vieles ganz allein
gewußt, was Andere jetzt auch wissen, und seine Allwissenheit wird
geringer, sobald Er Mitwisser hat.

Geistlicher Herr. Also nach Ihrer Meinung wird der Herr
Gott, je gescheidter die Menschen werden, desto dümmer. (Gelächter).

Garnisons-Lieutenant. Der Sinn ist beinahe derselbe.
Ich drücke mich nur etwas complaiscmter und höflicher gegen die
Gottheit aus. Ich sagte nur, daß, jemehr die Menschen die Natur
studiren uno durch Forschungen vorwärts schreiten, desto,> gemein¬
samer und öffentlicher die Weisheit Gottes wird. Ein Beispiel wird
dieses erklären!

Mein Herr. Auf dieses bin ich begierig! Nur heraus da¬
mit, Herr Lieutenant!

Garnisons-Lieutenant (zum geistlichen Herrn). Vermöge
Ihres Standes müssen Sie glauben, daß Niemand die Gedanken
eines andern Menschen errathen oder wissen kann, als Gott, oder
ein sonst dazu erwählter Heiliger oder sein Stellvertreter. Sehen Sie
aber, ich bin ein Profaner, ein Ungläubiger und ich getraue mich
doch zu errathen, was Sie als Gesalbter und Geweihter denken.

Geistlicher Herr. Die Gedanken und Nieren zu prüfen,
ist nur Gott vorbehalten, und wenn Sie mit mir wetten wollen, so
soll die Wette ohne Weiteres gelten. Ich setze 1 Fi. C.--M. daß
Sie nicht wissen, was ich mir denke.

Garnisons-Lieutenant. Gut! ich nehme Ihre Wette an.
Ich habe zwar nicht so viel Geld bei mir; aber mein Herr Haupt¬
mann wird für mich gut stehen.

Pauli. Für jeden Fall!

Mein Herr. Ich setze den Gulden mit Vergnügen für mei-


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[0322] werden Sie nicht in Abrede stellen; wohingegen jeder Aufgeklärte, selbst ein Erzbischof, in einer solchen Erscheinung nichts Anderes, als ein natürliches Naturereigniß erblickt. Der Bauer wird sagen: Gott weiß, was das zu bedeuten hat, — der Gelehrte wird sagen: ich weiß es. Mithin ist der Gott des Bauers um so viel gescheidter, um wie viel der Gelehrte gescheidter als der Bauer ist. Weil der Gelehrte daher besser die Natur und ihre Einrichtungen begriffen hat, so hat er an Glauben abgenommen und an wahrer Erkenntniß zu¬ genommen. Gott hat vor mehrern Jahren noch Vieles ganz allein gewußt, was Andere jetzt auch wissen, und seine Allwissenheit wird geringer, sobald Er Mitwisser hat. Geistlicher Herr. Also nach Ihrer Meinung wird der Herr Gott, je gescheidter die Menschen werden, desto dümmer. (Gelächter). Garnisons-Lieutenant. Der Sinn ist beinahe derselbe. Ich drücke mich nur etwas complaiscmter und höflicher gegen die Gottheit aus. Ich sagte nur, daß, jemehr die Menschen die Natur studiren uno durch Forschungen vorwärts schreiten, desto,> gemein¬ samer und öffentlicher die Weisheit Gottes wird. Ein Beispiel wird dieses erklären! Mein Herr. Auf dieses bin ich begierig! Nur heraus da¬ mit, Herr Lieutenant! Garnisons-Lieutenant (zum geistlichen Herrn). Vermöge Ihres Standes müssen Sie glauben, daß Niemand die Gedanken eines andern Menschen errathen oder wissen kann, als Gott, oder ein sonst dazu erwählter Heiliger oder sein Stellvertreter. Sehen Sie aber, ich bin ein Profaner, ein Ungläubiger und ich getraue mich doch zu errathen, was Sie als Gesalbter und Geweihter denken. Geistlicher Herr. Die Gedanken und Nieren zu prüfen, ist nur Gott vorbehalten, und wenn Sie mit mir wetten wollen, so soll die Wette ohne Weiteres gelten. Ich setze 1 Fi. C.--M. daß Sie nicht wissen, was ich mir denke. Garnisons-Lieutenant. Gut! ich nehme Ihre Wette an. Ich habe zwar nicht so viel Geld bei mir; aber mein Herr Haupt¬ mann wird für mich gut stehen. Pauli. Für jeden Fall! Mein Herr. Ich setze den Gulden mit Vergnügen für mei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/322>, abgerufen am 27.07.2024.